Zukunftsstrategie: Gutes Fachpersonal von morgen heute ausbilden

Die Hansestadt Rostock ist das Zentrum der maritimen Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern.

Von Thomas Schwandt

Neptun Werft und Warnowwerft, der größte deutsche Ostseehafen, AIDA Cruises und der weltweit führende Hersteller von Hafenmobilkranen, Liebherr, prägen das Bild der Hansestadt. Traditionell ist in Rostock auch die maritime Ausbildung verankert.

Die Lehre von Nautik, Schiffstechnik und Schiffbau in der Region reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. 1846 wurde im Ostseeort Wus trow auf Fischland Deutschlands älteste Seefahrtsschule gegründet, die Großherzoglich Mecklenburgische Navigationsschule. Mehr als 100 Jahre später ging die altehrwürdige Bildungsstätte in der Ingenieurhochschule für Seefahrt Warnemünde/Wustrow (IHS) auf, in der die Nautischen und Technischen Offiziere für die Hochseefischerei und die Handelsflotte der DDR ausgebildet wurden. In den Hochzeiten der IHS waren dort mehr als 1200 Studenten immatriku liert.

Nach der Wende in der DDR konzentrierte sich die maritime Hochschulausbildung in Warnemünde. Der Standort Wustrow wurde 1992 geschlossen und der Bereich Seefahrt der Hochschule Wismar angegliedert. Bereichsleiter ist Prof. Karsten Wehner, der selbst in den 1980er Jahren an der IHS Schiffsbetriebstechnik studiert und in seinem Fachgebiet promoviert hat. Grundsätzlich bestehe das Ziel nach wie vor darin, nautisch und technisch versierte Fachkräfte für den Schiffsbetrieb zu qualifizieren, sagt Wehner. Da die praktische Seefahrtausbildung mit ihren eigenen Erfahrungs- und Bewährungssituationen „eine besondere Schule“ bilde, seien Fachkräfte mit Bordpraxis in der maritimen Industrie, etwa in der Hafenwirtschaft und in der Offshore-Industrie, sehr gefragt.

Die Seefahrt nimmt in der beruflichen Perspektive der heutigen Absolventen ohne hin nur einen temporären Platz ein, merkt Wehner an. „Die durchschnittliche Verbleibzeit an Bord liegt inzwischen unter fünf Jahren“, konstatiert er. Das Motto des Warnemünder Bereichs Seefahrt der Hochschule Wismar lautet denn auch „Wir bilden für das Leben aus“. Dieser Anspruch spiegelt sich unter anderem in kombinierten Bachelor-Studienrichtungen wie Nautik/Seeverkehr und Verkehrsbetrieb/Logistik wider. Die landseitige Orientierung in den Studiengängen werde durch die geplante neue Schiffs besetzungsordnung paradoxerweise bestätigt, ergänzt Wehner. Demnach sollen auf Schiffen unter deutscher Flagge nur der Kapitän und ein weiterer Offizier aus Europa stammen.

In der Konsequenz existiert bei den Reedereien ein geringerer Bedarf an Nautikern. Eine Folge: Die Anzahl der Studienbewerber geht zurück. 2009 wurden in Warnemünde 120 Studierende im Fach Nautik gezählt. „Aktuell bilden wir jährlich 30 Nautiker und 30 Techniker aus“, rechnet Wehner vor. Hinzu kommen einige Schiffselektronik-Studenten. Der Bereich Seefahrt hat sich frühzeitig auf die „sinuskurvenartige Entwicklung in der Seefahrt“ eingestellt und bietet auch im technischen Bereich gemeinsame see- und landseitige Studienmodule an. Zum Beispiel können Studenten einen Bachelor-Abschluss anstreben, der klassische Schiffsbetriebstechnik und für den maritimen Bereich untypische Anlagen- und Versorgungstechnik beinhaltet. Das soll langfristig eine gleichbleibend gute Auslastung der Lehranstalt sichern.

Von dem marktorientierten Studienangebot in Warnemünde profitiert auch die größte deutsche Kreuzfahrtreederei AIDA Cruises. Das im Rostocker Stadthafen ansässige Schifffahrtsunternehmen hat seine Flotte seit Mitte der 2000er Jahre stark vergrößert und wächst weiter. Innerhalb von sieben Jahren wurden sieben neue Luxuspassagierschiffe in Dienst gestellt. Im Mai dieses Jahres übernahm die Reederei mit der „AIDA prima“ einen weiteren Neubau in ihre Flotte, die nunmehr elf Einheiten umfasst. Anfang 2017 folgt dann das Schwesterschiff „AIDAperla“, ebenfalls bei Mitsubishi in Japan gebaut.

Mit dem Flottenwachstum in der Reederei stieg auch der Bedarf an weiterem Bordpersonal. Das Unternehmen setzt auch beim Thema Re cruitment auf Nachhaltigkeit. Seit 2008 investiert AIDA Cruises auf hohem Niveau in die Ausbildung. Nach Unternehmensanga ben belegen derzeit 102 AIDA-Nachwuchskräfte die verschiedenen Bachelor-Studiengänge des Warnemünder Bereichs Seefahrt der Hochschule Wismar. Vor Studienbeginn absolvieren die künftigen Schiffsoffiziere jeweils eine einjährige Ausbildung zum Offiziers assistenten beziehungsweise zur Offiziersassistentin. Diese umfasst unter anderem ein Sicherheitstraining, einen dreiwöchigen seemännischen Grundlehrgang auf einem Segelschulschiff sowie Praktika an Bord der AIDA-Schiffe.

Um den Besonderheiten der Tätigkeit auf einem Kreuzfahrtschiff auch beim Personal gerecht zu werden, gründete AIDA bereits 2008 eine firmeneigene Ausbildungseinrichtung, die AIDA Academy in Rostock. An ihr wird in zusätzlichen Vorlesungen Cruise-Basiswissen gelehrt, werden Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und gesellschaftliche Verantwortung vermittelt. Im modernen Simulationszentrum der Akademie werden realitätsnah Handlungsabläufe in Manöver- und Gefahrensituationen trainiert.

Aber auch im landseitigen Bereich bildet die Kreuzfahrtreederei aus. Seit rund zehn Jahren erlernen im AIDA-Kundencenter regelmäßig junge Leute den Beruf des Kaufmanns beziehungsweise der Kauffrau für Dialogmarketing. Dabei arbeitet das Unternehmen eng mit der Rostocker Berufsschule für Wirtschaft zusammen. Die dreijährige Ausbildung endet mit dem IHK-Abschluss. Aktuell erlernen mehrere Azubis diesen Beruf.

Der wachsende Bedarf an qualifizierten Fachkräften veranlasste auch die Liebherr-MCCtec Rostock GmbH vor rund sechs Jahren, am Standort im Seehafen Rostock eine eigene Aus- und Weiterbildungsstätte zu etablieren. Der weltweit führende Hersteller von Hafenmobilkranen eröffnete 2009 neben der Montagehalle 4 die Liebherr-Akademie. Zu deren Kernaufgaben zählt die Erstausbildung in metallverarbeitenden Berufen. Wie schon 2014 traten auch im vorigen Spätsommer 60 neue Azubis eine Lehre im Rostocker Werk an. Mit diesen beläuft sich die Zahl der Azubis nach Mitteilung des Unternehmens auf insgesamt 200 in neun verschiedenen Lehrberufen, darunter Industriemechaniker und Werkstoffprüfer.

Zum Portfolio der Liebherr-Akademie gehört auch die firmeninterne Weiterbildung, etwa die Qualifizierung zum Meister. Darüber hinaus können Unternehmen aus der Region das Know-how und die Bildungsexpertise der Akademie für den eigenen Berufsnachwuchs nutzen. Rund 40 Azubis anderer Betriebe erhalten gegenwärtig eine Metall-Grundlagenausbildung in der Lehreinrichtung im Seehafen. Auch AIDA Cruises schickte bereits Technische Offiziersanwärter in die Akademie, um sie im Fach Metall zu schulen. Neben den größeren Ausbildungszentren am maritimen Standort Rostock sind auch Branchenunternehmen wie die Hafen-Entwicklungsgesellschaft Rostock mbH (HERO) und der Rostocker Fracht- und Fischereihafen (RFH) seit Jahren verlässlich in der Ausbildung engagiert. Beispielsweise nimmt die HERO nach eigenen Angaben pro Jahr zwei Azubis unter Vertrag, die in 36 Monaten zur Fachkraft für Hafenlogistik ausgebildet werden. Ein Beruf, der auch für den RFH existenziell ist. Für Hafenchefin Daniele Priebe ist es daher geboten, „jährlich mindestens einen Hafenlogistiker bei uns auszubilden.“

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