Maritime Arbeitswelt unterliegt Wandel

Klare Ansage: Führungspositionen an Bord sichern auch entsprechende Top-Jobs an Land , Foto: Arndt

Uwe Jepsen, Foto: Arndt
Die maritime Wirtschaft bietet eine Fülle von Berufen, sowohl im Bord- als auch im Landbetrieb.
Die Krise in der globalen Schifffahrtsindustrie strahlt inzwischen aber auch auf den Arbeitsmarkt aus. Das jedenfalls zeigte sich auf dem 10. Bremer Schifffahrtskongress, der in diesem Jahr unter dem richtungweisenden Titel „Maritime Berufsbilder im Wandel“ stand.
Aktuell sind an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge noch rund 6000 deutsche Seeleute beschäftigt. „Die Lage in der deutschen Seeschifffahrt ist schwierig. Das zeigt sich auch am Rückgang der Studierendenzahlen bei maritimen Studiengängen“, bestätigt Iven Krämer von bremenports. Und weiter: „Es gibt neue Herausforderungen, denen sich die Berufsbilder stellen müssen.“
Der große Traum für junge Menschen, die sich für eine Offizierslaufbahn in der Handelsschifffahrt entscheiden, ist und bleibt der Kapitän.
Ein Beruf, der auch mit der Entscheidung, doch wieder „an Land“ zu gehen, eine Vielzahl von attraktiven Positionen bietet: von der klassischen Schifffahrtsverwaltung über Hafenbehörden und Terminaldienstleister sowie Lotsbetriebe bis hin zu global ausgerichteten Logistikunternehmen. Der Weg zum Kapitänspatent ist lang. Nach einem meist achtsemestrigen Studium inklusive zweier Praxissemester bedarf es einer anschließenden mehrjährigen Fahrzeit an Bord eines Schiffes. Relativ neu ist eine Zusatzqualifikation, die auch die Jade Hochschule in Elsfleth ins nautische Studium integriert. Dabei geht es um ein Zertifikat für das präzise Navigieren in der Umgebung von Offshore-Windparks.
Doch die Ausbilder treibt eine Sorge um. Deutsches Personal sei nicht mehr so nachgefragt, und die Absolventen hätten es derzeit schwer, einen Job zu finden, weiß der Dekan des Fachbereichs Seefahrt und Logistik an der Jade Hochschule, Ralf Wandelt, zu berichten.
Lotsen, ob in den Häfen, auf See oder anderen Wasserstraßen, sind für einen sicheren Schiffsverkehr unverzichtbar. In Deutschland gibt es aktuell rund 800 Lotsen. Im Zuge der natürlichen Fluktuation, also Erreichen der Pensionsgrenze, werden jedes Jahr gut 40 neue Lotsen benötigt. Die Herausforderung: Vor der „Bestallung“ zum Lotsen steht eine umfangreiche Zusatzausbildung. „Uns fehlt der Nachwuchs“, räumt der erst kürzlich wiedergewählte Präsident des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen (BSHL), Kapitän Uwe Jepsen, ein. Traditionell rekrutieren die in Lotsenbrüderschaften organisierten maritimen Fachkräfte ihren Nachwuchs aus dem Kreis der Nautiker, das heißt der Kapitäne und Ersten Offiziere. Das aktuelle Problem: Weil es auf immer weniger deutschen Schiffen immer weniger deutsche Offiziere gibt, wird auch diese „Reserve“ knapper. Vor diesem Hintergrund entwickeln die Lotsen aktuell in enger Abstimmung mit der nationalen Schifffahrtsverwaltung einen neuen Zugang zu diesem verantwortungsvollen Beruf. Bereits 2017 soll das neue Konzept zur Entfaltung kommen.
Das, was in früheren Jahrzehnten gerne mit dem volkstümlichen Begriff „Matrose“ umschrieben wurde, heißt längst Schiffsmechaniker, ein klassischer Lehrberuf mit Abschlussprüfung und anschließendem Facharbeiterbrief. Wichtig: Viele bauen auf dieser Grundausbildung auf, und zwar durch ein Studium an einer Seefahrtsschule, um so die Schiffsoffizierslaufbahn einzuschlagen, sei es auf der Brücke oder in der Maschine als „Ing.“. Inzwischen steht das in dieser Form auf Deutschland beschränkte Berufsbild des Schiffsmechanikers jedoch unter Druck. Beim Verband Deutscher Reeder (VDR) geht man aktuell von 518 Schiffsmechanikern an Bord von deutschen Schiffen aus, berichtet VDR-Geschäftsführer Dr. Dirk Max Johns. Grundsätzlich schätzten auch die Reeder die in diesem Beruf vermittelte und bewährte Kombination aus Praxis und Theorie.
Sorgen macht den Befürwortern dieser dualen Ausbildung indes die Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums zur Anpassung der nationalen Schiffsbesetzungsordnung. Danach wären Schiffsmechaniker an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge künftig nicht mehr verpflichtend.
Holger Jäde, Geschäftsführer der Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt, befürchtet vor diesem Hintergrund, dass sich dadurch weniger junge Leute für eine Ausbildung entscheiden, da sie ihre Zukunft als ungewiss einschätzten.
Trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen der Schifffahrt: Ohne ein leistungsstarkes, interkontinentales Seeverkehrsnetzwerk ist eine Globalisierung unmöglich. Schifffahrt und damit auch die entsprechenden Berufsbilder wird es daher auch weiterhin geben. Gerade die Internationalität,die charakteristisch für die maritime Verbundwirtschaft ist, wird nach Überzeugung von Prof. Dr. Thomas Pawlik, Studiendekan für Nautik & Seeverkehr an der Bremer Hochschule, eine große Anziehungskraft auf junge Menschen ausüben. Bevor Pawlik in die maritime Lehre und Forschung ging, begann er vor mehr als drei Jahrzehnten eine maritime Basisausbildung als Schifffahrtskaufmann bei der Reederei Hapag-Lloyd. Pawlik ist überzeugt: „Interkulturelle Kompetenz ist heute wichtiger als noch in den 70er oder 80er Jahren.“ EHA/dpa