Schifffahrt bleibt perspektivenreich

Die Hebel fest im Griff: Ein junger Schiffsmechaniker-Azubi hat mehrere hundert Tonnen am Haken – zwar nur virtuell, aber trotzdem unter „realem Stress“. Den sicheren Umgang zum Beispiel mit Kranen und entsprechenden Lasten erlernen die Auszubildenden dabei in einem besonderen Simulator im Maritimen Kompetenzzentrum Elsfleth (MARIKO) (Foto: Arndt)

(Foto: Arndt) Zuversicht und Lebensfreude: junge Schifffahrtskaufleute beim YSM 2015 in Hamburg
Ja, die Schifffahrtskrise besteht weiter. Alle Besserungsprognosen der zurückliegenden acht Jahre, auch von den renommiertesten Einrichtungen, haben sich nicht oder bestenfalls kurzzeitig erfüllt.
Eines aber wissen alle Branchenbeteiligten: Ohne Schifffahrt funktioniert kein Welthandel. Dieses „Navigare necesse est“, das der 1916 im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommene deutsche Schifffahrts-Schriftsteller Johann Wilhelm Kinau alias Gorch Fock in seinem 1913 erschienen, ganze Generationen von jungen Menschen prägenden Klassiker „Seefahrt tut not“ weiter verdichtete, gibt dieser einzigartigen Industrie ganz offensichtlich die Kraft und auch die Zuversicht, weiter Kurs zu halten.
Seefahrt, das heißt eben auch „schweres Wetter“, und bedeutet für den Seemann nur: „Da müssen wir einfach durch!“
Die Fakten sprechen in der Tat für die Zukunfts-und Anpassungsfähigkeit dieser maritimen Branche. Nur ein paar Stichworte: Die Welt bevölkerung wächst weiter, damit steigt auch der Bedarf an Rohstoffen sowie Halb- und Fertigwaren. Auch dieser Argumentations-Klassiker „pro Schifffahrt“ darf nicht fehlen: Rund 70 Prozent der Erdoberfläche stellen die verschiedenen Meere dar. Sie zu überqueren, dafür ist und bleibt das Schiff das mit Abstand leistungsstärkste und auch umweltfreundlichste Massentransportmittel. Klar ist auch, dass die Welthandelsflotten in ihrem Bestand weiter zunehmen wird, ungeachtet der altersbedingten Verschrottung von Schiffen.
Bemerkenswert ist in den nunmehr acht Jahren der globalen Schifffahrtskrise auch das: Diese Industrie hat sehr frühzeitig erkannt, dass sie für die zahlreichen komplexen Aufgaben bestens geschultes Fachpersonal benötigt.
Es gibt, zumal in einem Industriestaat wie Deutschland, zudem den geografischen Wandel zu berücksichtigen. Schon heute, erst recht aber in den kommenden 15 Jahren stehen einfach viel weniger junge Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Es ist ausgesprochen ermutigend zu sehen, wenn beispielsweise die deutschen Reedereien und Schiffsmakler über die Gesamtdauer der Branchenkrise hinweg auf einem gleichbleibend hohen Niveau ausbilden. Es ist ebenfalls bedeutsam und beispielgebend, dass die unter einem massiven internationalen Kosten- und Wettbewerbsdruck stehenden deutschen Reeder sich für den Erhalt des maritimen Know-hows in Deutschland einsetzen und wichtige Fakten schaffen.
Zu den besonderen Merkmalen der maritimen Verbundwirtschaft gehört, dass bei allem Technikeinsatz der Mensch weiterhin im Mittelpunkt steht. Zwar arbeiten Forscher an Konzepten, die unter Überschriften laufen wie „autonome Seeschifffahrt“ (Forschungsvorhaben MUNIN).
Dass aber eines Tages massenhaft Schiffe „ohne Mann und Maus“ auf den Weltmeeren unterwegs sind, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Dieser Tage wurde der sogenannte „Manpower Report“ der internationalen Schifffahrtsorganisationen BIMCO (Sitz: Dänemark) und ICS (Großbritannien) vorgelegt. Er beleuchtet die Lage des internationalen Marktes für seemännisches Personal.
Zwei wichtige Botschaften lauten: Der aktuelle Fehlbestand von rund 16.500 Offizieren in der weltweiten Kauffahrteifahrt wird bis 2025 sprunghaft zunehmen. In dem Jahr werden weltweit bis zu 147.500 zusätzliche Offiziere für Brücke und/oder die Maschine erforderlich sein.
Doch auch in Landorganisationen, in den Kantoren der Reedereien oder Schiffsmakler, in den Hafenbetrieben und der maritimen Verwaltung besteht ein umfassender Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften.
Prägend für diese Branche ist das, was gerne mit der Formulierung „Peoples’ Business“ umschrieben wird. Es sind Menschen, die neben ihrer fachlichen Qualifikation auch durch ihre individuelle Persönlichkeit im besten Wortsinne Geschäfte machen. Dazu gehört auch, dass man sich kennt. Gerade in der maritimen Indus trie gibt es für dieses Kennenlernen eine Vielzahl von unterschiedlichen Bühnen und Ereignissen. Wichtige, inzwischen jahrhundertealte Festessen wie das Matthiä-Mahl in Hamburg oder die Schaffermahlzeit in Bremen, um nur zwei Beispiele anzuführen, haben maritim geprägte Wurzeln.
Für die global agierende Schiffsmakler-Industrie gibt es zwei große, bemerkenswerterweise in Hamburg ausgerichtete Veranstaltungen, die das allgemeine „Branchengefühl“ beflügeln: Zum einen das seit 1948 ausgerichtete Eisbeinessen der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS), das stets mehr als 5000 Branchenvertreter aus aller Welt anzieht. Zweitens: das Youngster Shipbroker Meeting (YSM), das in diesem Jahr zum 24. Mal stattfindet und zu dem sich diesmal mehr als 1700 Nachwuchskräfte angemeldet haben. Ihre gemeinsame Überzeugung lautet: Schifffahrt hat klare Perspektiven. EHA