Elb-Link: Schiffbruch einer Vision

Von Estland an die Elbe: als „Muruumaa“ in Dienst gestellt und in „Grete“ umbenannt. Die Zukunft ist jetzt ungewiss, Fotos: Arndt

Gute Auslastung: die Fährroute Wischafen–Glückstadt

Historie: Die „Elbe-Ferry“ behauptete sich von 1999 bis 2001
Nach immer neuen, zum Teil widersprüchlichen Berichten steht jetzt fest: Die im Sommer 2015 an den Start gegangene Elb-Link-Reederei stellt ihren Fährbetrieb zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven ein.
Innerhalb von 16 Jahren ist damit der zweite Versuch für einen Fährbetrieb zwischen dem niedersächsischen und dem schleswig-holsteinischen Elbmündungshafen gescheitert. Geht man noch etwas weiter in die Geschichte zurück, stößt man auf entsprechende Initiativen in den Jahren 1904, 1919 und 1969. Diesen Verbindungen ist eines gemein: Eine nachhaltige Existenz war ihnen nicht beschieden.
Die aktuelle Betriebseinstellung hat zunächst diese konkreten Folgen: Die eigens für die Fährlinie eingestellten, etwa 50 Beschäftigten im Land- und Bordbetrieb werden bis auf Weiteres nach Hause geschickt. Und: „Sie warten noch auf ihr Februar-Gehalt“, sagte ein Firmensprecher. Es werde nun ausgelotet, wie der Fährbetrieb wieder aufgenommen werden könne. Die Betriebseinstellung bedeutet nicht nur eine Zäsur für die Wirtschaft – einschließlich des Tourismus – im Unterelberaum, sondern auch einen Rückschlag für die Verkehrspolitik der Landesregierungen in Kiel und Niedersachsen. So hatte die Koalition aus SPD und Grünen in Hannover die Revitalisierung der Fährverbindung auf den gut 30 Kilometer voneinander entfernten Häfen in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen (THB 18. Mai 2015). Dass sich die Verbindung wirtschaftlich tragen würde, war für die Politik klar. Schließlich hatten Verkehrsexperten in einem Gutachten festgestellt, dass es eine konkrete Marktnachfrage nach einer solchen Verbindung gibt, trotzt der Existenz der seit Jahrzehnten erfolgreich operierenden Fährverbindung im rund 55 Kilometer weiter stromaufwärts gelegenen Wischhafen (Niedersachsen) beziehungsweise Glückstadt. Vor allem die verkehrlichen Dauerengpässe im Großraum Hamburg sollten dabei so etwas wie ein Garant für den wirtschaftlichen Erfolg der Linie sein. In der vom niedersächsischen Verkehrsministerium in Auftrag gegebenen und im April 2014 veröffentlichten Studie war für die Achse Cuxhaven–Brunsbüttel ein Transportpotenzial von 265.000 Pkw, 48.000 Lkw und 625.000 Passagieren pro Jahr berechnet worden – Tendenz steigend (THB 5. August 2015). Beim Güterkraftverkehr setzte man vor allem auf Lkw, die zwischen Skandinavien und Zentraleuropa verkehren und eine schnelle, verlässliche Transit route benötigen sowie auf die verladende und transportierende Wirtschaft an den beiden Ufern des Elbmündungs bereichs. In der Zusammenfassung der im April 2014 veröffentlichten Marktanalyse heißt es zur Lebensfähigkeit dieser Verbindung wörtlich: „Die Fährverbindung zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven kann wirtschaftlich betrieben werden. Das Transportpotenzial und die am Markt erzielbaren Transportpreise führen voraussichtlich dazu, dass bereits im Verlauf der ersten 5 Betriebsjahre ein positives Ergebnis erzielt werden kann. Die Nutzung von Drittmitteln etwa für die Unterstützung des innovativen Schiffbaus oder die Herrichtung der erforderlichen Hafen infrastruktur kann dazu führen, dass die Fährlinie bereits mit dem Jahr der Inbetriebnahme wirtschaftlich betrieben werden kann.“
Damit die Fährlinie ihren Dienst, wie im Frühjahr 2015 geplant, am 20. August des Jahres und damit noch in der wichtigen Feriensaison aufnehmen konnte, sicherte das Land Niedersachsen über die Hafenentwicklungsgesellschaft NPorts die zügige Ertüchtigung des Anlegers in Cuxhaven. Baukosten: zwei Millionen Euro. In Brunsbüttel sollte zunächst der dem dortigen Elbedeich vorgelagerte Bestands-Anleger genutzt werden – eine Abfertigungsstation, die auch für den Schwerlastverkehr nur über eine Anreise durch Wohn gebiete erreicht werden konnte. Auf der entscheidenden Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Verbindung, am 15. Mai 2015 am Steubenhöft in Cuxhaven stellte die Staatssekretärin im niedersächsischen Verkehrsministerium, Daniele Behrens, zu dem Vorhaben fest: „Das ist eine Bereicherung für die Region.“
Wenige Wochen später, am 20. August, ging die Linie mit einem großen Volksfest in den beiden einbezogenen Häfen, mit zwei in Norwegen gebauten Fracht-Passagier-Doppelend-Fähren an den Start. Sie führten zu Beginn noch ihre Namen, die sie für ihren Einsatz in Estland erhalten hatten: „Muhumaa“ und „Saarema“ der estnischen Reederei Saaremaa Shipping. Die baugleichen, auf der Fiskerstrand Werft bei Ålesund gebauten und später in „Grete“ („Muhumaa“) und „Anne-Marie“ umbenannten Schiffe sind jeweils 97 Meter lang und bieten Platz für bis zu 160 Pkw und 16 Lkw sowie bis zu 60 Passagiere.
Dass die Linie indes ihren Markt mühsam erobern musste und ein finanziell längerer Atem vonnöten war, zeigte sich bereits bis zur Jahresmitte 2016. Und das hatte Folgen: So bescherten den Fähr betreibern Berichte über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stade zu einer „möglichen Insolvenzverschleppung“ (THB 11. August 2016) Negativschlagzeilen. Die Reederei räumte dabei ein: „Die Liquiditätslage ist angespannt.“ (THB 23. August 2016). Als ein Grund wurden damals „unvorhergesehene Kosten in der Eröffnungsphase der Fährverbindung“ genannt. Von einem Verlust von rund 1,4 Millionen Euro bis Ende Juli 2016 war die Rede. Auch in den Folgemonaten blieben die Verkehrszahlen deutlich hinter den Erwartungen zurück – bis jetzt. Estnische Banken zogen daher die Notbremse. So konnte die Verbindung im ersten Schritt nur noch mit einer Fähre aufrechterhalten werden, um dann ganz eingestellt zu werden.
Ein ganz anderes Bild bietet sich auf der Wischhafen-Route, deren Anfänge bis ins Jahr 1919 zurückgehen. Die vier Doppelendfähren „Ernst Sturm“, „Wilhelm Krooß“, „Glückstadt“ und „Wischafen“ sind bestens ausgelastet - im Besonderen in den Ferienmonaten. Für die privat betriebene Fährroute kommt das Aus der Kollegen im Elbmündungsbereich nicht überraschend. Deren Geschäftsführerin, Hildegard Both-Walberg, stellt nüchtern fest: „Das ist ein Euro-Grab, das Millionen verschlingt.“ Und weiter: „Ich sehe keine Möglichkeit, die Linie gewinnbringend zu betreiben.“ Dabei sei ihr seitens der Politik bereits wiederholt angeboten worden, die Achse Brunsbüttel–Cuxhaven zu betreiben. Doch das ist für die Unternehmerin kein Thema. Auch der vorletzte Versuch mit der „Elbe Ferry“ bescherte dem damaligen Betreiber und Investor, der Harms-Gruppe aus Bremen, hohe Verluste. Sie hatten, so damalige Marktbegleiter, am Ende auch entscheidend dazu beigetragen, dass die inhabergeführte Schifffahrts- und Logistik-Gruppe des 2006 verstorbenen Firmengründers Egon F. Harms schließlich vom Markt als eigenständiges Unternehmen verschwand. EHA