Hintergrund: Der Schwefelschock ist ausgeblieben

Fähren und Kreuzfahrtschiffe sollen mit Hilfe von Scrubbern ihre Emissionen senken, Foto: Behling

Die 1962 gegründete Lübecker Reederei TT-Line ist auf der Kernroute von Travemünde nach Trelleborg als Marktführer mit sechs Fähren aktiv, Foto: Behling
Wo bleibt die Erneuerung? Diese Frage stellen sich immer mehr Kenner der Fährschiffszene. Die Flotte der Fähren überaltert besonders in Europa zusehends. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich.
Im Mittelmeer ist die Zeit der Erneuerung der alten Fährflotten genauso vorbei wie die großzügigen Kredite und Förderungen für die Reeder. In Nordeuropa wirken sich die strengeren Umweltauf lagen nicht so aus, wie es noch vor der Einführung der SECA-Gebiete 2013 aussah.
Besonders der sinkende Ölpreis lässt viele Reeder an den bestehenden Flotten festhalten. Statt in Neubauten mit LNG-Technologie oder zukunftsweisenden Hybridsystemen zu investieren, werden bestehende Altschiffe nachgerüstet und modernisiert. So betrug am 1. Januar 2014 das Durchschnittsalter der weltweit eingesetzten 1157 Fährschiffe 23 Jahre.
Wie eine Statistik des schwedischen Branchendienstes Shippax errechnete, erreichte die Zahl der 2013 verschrotteten Fähren mit 23 einen neuen Höchststand. Nur elf Fähren kamen 2013 in die Flotte. Für 2014 sieht es ähnlich aus. Seit 2010 schrumpft auch die in Dienst gestellte Kapazität. Wurden 2010 noch Fähren mit 37.912 Lademetern neu in den Markt gebracht, waren es 2013 nur noch 5912 Lademeter. Die Summe des abgelieferten Raumgehalts sank von 451.168 BRZ in 2010 auf 149.234 in 2013. Aktuell stehen laut Shippax weltweit 47 Fähren mit 299.801 BRZ im Orderbuch.
In den deutschen Gewässern gibt es bei den großen Neubauten nur ein Projekt in der Realisierung. Es sind die beiden Fähren für Scandlines. Die 2010 in Stralsund begonnenen Neubauten für die Gedser-Rostock-Route sollten eigentlich 2012 in Fahrt kommen. Inzwischen befinden sich beide Schiffe bei der Fayard Werft in Odense/Dänemark in der Ausrüstungsphase. Die vollständige Inbetriebnahme wird für das Frühjahr 2016 erwartet.
Der Fährverkehr auf Nord- und Ostsee muss sich in diesem Jahr neuen Herausforderungen stellen. Der drohende Preisanstieg durch die Senkung der Schwefelgrenze im Treibstoff ist jedoch ausgeblieben. Dabei waren die Prognosen alarmierend. Die Senkung der Schwefel obergrenze im Treibstoff von ein auf 0,1 Prozent hatte noch vor einem Jahr schlimmste Befürchtungen aufkommen lassen. Es kam aber alles anders. Ein sinkender Ölpreis, die Ukraine-Krise und die zum Teil starken Wirtschaftsleistungen im Euro-Raum haben bei den Fähren für höchst unterschiedliche Entwicklungen gesorgt. Die wichtigste Folge ist am Bunkermarkt zu spüren. Der Preis pro Tonne Gasöl ist nicht, wie befürchtet, aufgrund der Nachfrageexplosion im Frühjahr auf 1000 Dollar geklettert. Ganz im Gegenteil, Ende März lag der Preis für eine Tonne des schwefelarmen Treibstoffes in Rotterdam bei rund 520 Dollar.
Im Ostseeraum hat bei den Fährgesellschaften die große Politik für Veränderungen gesorgt. Fast alle nach Osteuropa fahrenden Linien mussten seit dem Frühjahr 2014 sinkende Ladungsmengen hinnehmen. Kiel, die deutsche Drehscheibe im Osteuropa-Verkehr, war besonders betroffen. Die Reederei DFDS zog eines der beiden Schiffe von der Kiel-St.-Petersburg-Route ab. Durch die Sanktionen der EU und die Gegenmaßnahmen Russlands brachen ganze Ladungssektoren weg. Milch, Fleisch und Käse durften nicht mehr nach Russland exportiert werden. Zwischen 10 und 20 Prozent soll der Rückgang beim Russlandverkehr betragen. Während die Fährverkehre von und nach Skandinavien in Kiel 2014 um gut fünf Prozent auf über 2,7 Millionen Tonnen zulegten, verzeichneten die Osteuropa-Verkehre Rückgänge auf nur noch knapp 2,4 Millionen Tonnen.
In der Fährfahrt nach Skandinavien haben die Vorbereitungen für den Betrieb schwefelarmer Treibstoffe dennoch zu erheblichen Veränderungen geführt. Am 1. Januar begann am Westausgang des Englischen Kanals die Sulphur Emission Control Area (SECA). Dort darf ungefiltert nur noch Treibstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,1 Prozent verbrannt werden. Mehr als 100 Fähren und Frachtschiffe wurden deshalb bereits mit Scrubbern (Abgasreinigern) ausgerüstet, damit auch weiterhin Schweröl mit einem Schwefelgehalt von einem Prozent verbrannt werden darf. Dieser Treibstoff für schwefelhaltiges Schweröl IFO380 ist inzwischen bei 280 Dollar pro Tonne angekommen – einem Zehnjahrestief.
Langfristig setzen die Reeder aber auf LNG. Das verflüssigte Erdgas soll den Treibstoff der Zukunft bilden. In fast allen deutschen Häfen sind deshalb die Anlagen für die Versorgung der Schiffe mit LNG in Vorbereitung. Besonders Brunsbüttel ist dabei weit fortgeschritten. LNG hat sich als Antrieb bislang bei großen Fähren von Tallink und Fjord Line bewährt. Die Color Line plant den Bau einer LNG-Fähre für die Oslofjord-Route Sande fjord–Strömstad. Die vier bereits fahrenden Color-Line-Fähren wurden aber mit Scrubbern von Wärtsilä nachgerüstet. Diesen Weg geht auch die TT-Line für die sechs Fähren. Die Reederei Scandlines setzt auf das Prinzip der Hybrid-Fähre auf ihren beiden Linien Puttgarden–Rödby und Ged ser–Rostock. Die vier Vogelflugfähren erhalten Scrubber und große Energiespeicher. Große Akkumulatoren sollen mit Strom gespeist werden, der von den mit Schweröl betriebenen Dieselgeneratoren erzeugt wird. So können die Elektromotoren der Fähre verhältnismäßig „grün“ betrieben werden. Die Abgase der MaK-Diesel werden durch die Scrubber zumindest vom Schwefel dioxid gereinigt.
Grün wird auch die „Stena Germanica“ der Stena Line. Der weltweit tätige Fährkonzern legt sich nicht auf ein System fest. Die Reederei prüft Scrubber, Flüssiggas, Methanol und den schwefelarmen Marinediesel. Die „Stena Germanica“ wurde als erstes Schiff für den Betrieb mit Methanol umgerüstet. Bei der Remontowa-Werft in Danzig erfolgte der Einbau neuer Tanks in den Schiffsboden. Ehemalige Ballasttanks sollen jetzt Methanol aufnehmen, das für die Wärtsilä-Maschinen als Treibstoff genutzt wird.
Scrubber sind auch bei Finnlines das Mittel der Wahl. 14 Fracht- und RoPax-Fähren werden bis Mitte 2015 mit diesen Abgaswäschern ausgerüstet. Zwölf Schiffe will DFDS mit Scrubbern nachrüsten. Finnlines und DFDS sind mit ihren Fährschiff linien in der Ostsee wie auch in der Nordsee aktiv. Da Finnlines einen großen Teil seiner Schiffskapazitäten nach Antwerpen und Zeebrugge routet, sind diese Schiffe auf der Langstrecke besonders wirtschaftlich mit Scrubbern unterwegs.
Der wichtigste Fährhafen an der Ostseeküste ist Lübeck. Mit 26,3 Millionen Tonnen hat der Standort 2014 um ein Prozent zugelegt. Getragen wurde dieses Wachstum vom starken Fährverkehr. So stieg der Umschlag von Lkw-Einheiten um fünf Prozent auf 711.300. Gleichzeitig sank der Umschlag von Papier um zwei Prozent. In Lübeck ist der Papierumschlag überdurchschnittlich am Umschlag beteiligt. In diesem Jahr stehen dem Hafen deshalb große Herausforderungen bevor. Der finnische Papierhersteller UPM-Kymmene verlagert seine Papiertransporte von Stettin und Lübeck nach Rostock. Damit wandern nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 400.000 Tonnen von Lübeck nach Rostock ab.
Rostock ist die Nummer zwei unter den deutschen Fährhäfen. Den deutlichen Vorsprung Lübecks hat Rostock innerhalb von zehn Jahren fast wettgemacht. 2014 wurden in Rostock 26,3 Millionen Tonnen umgeschlagen. Das entspricht einer Steigerung um 13 Prozent (drei Millionen Tonnen) gegenüber 2013. Im Überseehafen wurden im Fähr- und Stückgutbereich 24,2 Millionen Tonnen umgeschlagen. Besonders die Fährverkehre nach Schweden und Finnland entwickeln sich in Rostock sehr stark. Bei der rollenden Ladung, den Fähr- und RoRo-Gütern, zog der Umschlag um 1,3 Millionen Tonnen auf 13,6 Millionen Tonnen an. Der Anteil rollender Fracht am Gesamtumschlag des Seehafens Rostock betrug damit im vergangenen Jahr 56 Prozent.
In Kiel, dem dritten großen Ostseehafen, gab es 2014 im sechsten Jahr in Folge ein Wachstum – wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau als in Rostock und Lübeck. Mit einem Umschlag von 6,43 Millionen Tonnen wurde das Vorjahresergebnis um 1,6 Prozent übertroffen. Die größten Zuwächse im Stückgutumschlag er zielte die Stena Line auf der Linie Kiel–Göteborg. Vor diesem Hintergrund ist eine Umschlagleistung von 6,43 Millionen Tonnen ein historischer Rekord für die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt. FB