Ernst Russ gewinnt Machtkampf bei Marenave

Auf der Hauptversammlung der existenzbedrohten Marenave Schiffahrts AG hat sich Ernst Russ (ehemals HCI Capital) als größter Einzelaktionär in allen wesentlichen Punkten durchgesetzt.

„Hauptversammlung beschließt Vertagung der Kapitalherabsetzung, Investorenvereinbarung scheitert aus Sicht von Offen Gruppe und DEVK, Beendigung der Ämter sämtlicher bisherigen Aufsichtsratsmitglieder“, so fasst der Marenave-Vorstand die Ergebnisse der Versammlung zusammen.

Mit dem Beschluss, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene ordentliche Kapitalherabsetzung zu vertagen, sei die von der Gesellschaft mit der Offen Gruppe und der Versicherungsgesellschaft DEVK abgeschlossene Investorenvereinbarung aus Sicht der Investoren gescheitert und werde von ihnen nicht weiterverfolgt.

Im Vorfeld der Versammlung hatte Ernst Russ eigene Vorschläge für die zuvor veröffentlichte Tagesordnung eingebracht. Die Ex-HCI-Capital-AG hält 29,98 Prozent der Marenave-Aktien und hatte angekündigt, gegen die vorgeschlagene Kapitalherabsetzung zu stimmen. Außerdem sprach sie sich dafür aus, die in der Hauptversammlung am 11. Juni 2015 erteilte „Ermächtigung zur Ausgabe von Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen, über den Ausschluss des Bezugsrechts sowie über die Schaffung eines bedingten Kapitals“ aufzuheben. Einer der Gründe lautet, es liege noch kein Jahresabschluss für 2016 vor, so dass sich die Aktionäre kein ausreichendes Bild von der tatsächlichen Lage der Gesellschaft verschaffen können.

Vorstand und Aufsichtsrat von Marenave hatten sämtliche Forderungen von Ernst Russ abgelehnt, „da eine entsprechende Beschlussfassung das bislang einzig aussichtsreiche, umfassende außerinsolvenzliche Sanierungskonzept, das die Gesellschaft parallel mit den finanzierenden Banken und bestimmten Investoren entwickelt hat, ernsthaft gefährdet“.

Hintergrund: Die Reederei Claus-Peter Offen will zusammen mit der DEVK-Versicherung bei Marenave als Investor einspringen, um das dringend benötigte Kapital zu beschaffen. Eine entsprechende Vereinbarung war an die Bedingung geknüpft worden, dass Marenave von den finanzierenden Banken vollständig enthaftet wird. Eine Enthaftung sah Marenave nach dem Verkauf des wertvollsten Schiffs der Flotte, des Autotransporters Hoegh Berlin, umgesetzt. Letztendlich muss die Gesellschaft jedoch ihre gesamte Flotte verkaufen, was laut Marenave-Website bereits geschehen ist.

Ernst Russ ging es auch um personelle Veränderungen, um mehr Einfluss auf Entscheidungen nehmen zu können. Auch hier setzte sich der größte Anteilseigner durch: Aufsichtsratsmitglied Klaus Meyer wurde abberufen, das Gremium auf vier Positionen erweitert, Ernst-Russ-Vorstandssprecher Jens Mahnke zusammen mit Rechtsanwalt und Unternehmensberater Hans Michael Schmidt-Dencker aus Stuttgart neu in den Marenave-Aufsichtsrat gewählt. „Vor diesem Gesamthintergrund haben die bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrats, der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Bernd Zens und Herr Dr. Henning Winter in der im Anschluss an die Hauptversammlung stattfindenden Aufsichtsratssitzung ihre Ämter mit Wirkung zum satzungsmäßigen Zeitpunkt niedergelegt“, teilt der Marenave-Vorstand mit. Neuer Aufsichtsratsvorsitzender ist jetzt Hans Michael Schmidt-Dencker, der auf Vorschlag von Ernst Russ ins Gremium kam. fab

Die Marenave-Timeline

Januar 2006: König & Cie. gründet mit der HSH Nordbank die Marenave Schifffahrts AG.

Dezember 2013: Tobias König scheidet sowohl bei Marenave als Alleinvorstand als auch bei König & Cie. aus. Zuvor waren die US-Investoren Delos Shipping und Tennenbaum Capital Partners bei König & Cie. eingestiegen. Neuer Marenave-Vorstand wird Ole Daus-Petersen.

Februar 2014: Marenave meldet hohe Verluste für das Geschäftsjahr 2013 und sieht „nachhaltig negativen Einfluss auf die Vermögenslage“.

November 2014: Marenave und König & Cie. beenden ihre Service- und Kooperationsverträge.

Januar 2016: Marenave kündigt erneut hohe Verluste für das zurückliegende Geschäftsjahr an. Das Eigenkapital der Gesellschaft habe einen negativen Wert, mit den finanzierenden Banken werde ein Sanierungsgutachten erarbeitet, teilt Marenave mit. Derweil sichert sich Ernst Russ, damals noch als HCI Capital firmierend, die Anteile an König & Cie. Jens Mahnke, bislang Geschäftsführer von König & Cie., rückt in den HCI-Vorstand.

Juni 2016: Die finanzierenden Banken bestimmen, dass sich Marenave von sämtlichen Schiffen trennen muss.

August 2016: Der Marenave-Vorstand teilt mit, „dass in der aktuellen Unternehmenssituation die erwirtschafteten Konzernergebnisse allenfalls eine untergeordnete Bedeutung“ haben, „da ein Verlassen der negativen Eigenkapitalzone allein aus dem operativen Geschäft heraus selbst bei optimistischen Markterwartungen kaum vorstellbar ist“.

November 2016: Zwei finanzierende Banken verweigern die Zustimmung für das Sanierungskonzept, das laut Marenave zuvor mit dem Konsortium ausgehandelten worden war.

Dezember 2016: Die Banken gewähren Marenave eine Schonfrist. Um eine Sanierung des Unternehmens außerhalb einer Insolvenz umzusetzen, werde sich „die mögliche Beteiligung eines bereits identifizierten Investors konkretisieren“, so Marenave. Die Ernst Russ AG übernimmt 22,26 Prozent der Aktien von Marenave, ist jedoch nicht der „identifizierte Investor“, stellt Marenave klar.

Januar 2017: Ernst Russ kündigt an, bei Marenave mehr Einfluss auf die Besetzung von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen zu nehmen. Außerdem sei „eine wesentliche Änderung der Kapitalstruktur der Emittentin, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Eigen- und Fremdfinanzierung und die Dividendenpolitik“ geplant.

Februar 2017: Marenave trifft mit der Offen Gruppe und der DEVK-Versicherung eine Investorenvereinbarung. Die Vereinbarung sieht im Wesentlichen vor, dass sich die Investoren zu einer anfänglichen Mindestfinanzierung und Beteiligung an der Gesellschaft in Höhe von zwei Millionen Euro verpflichten. Zudem sind eine weitere Finanzierung und Beteiligung zu verhandeln. Dabei geht es um eine Größenordnung von 14 Millionen Euro. Die Verpflichtung zur Beteiligung steht unter bestimmten Bedingungen. Dazu zählt vor allem die Enthaftung von Marenave aus Verpflichtungen gegenüber den finanzierenden Banken. Derweil hat Ernst Russ die Beteiligung an Marenave auf 25,02 Prozent erhöht.

April 2017: Marenave sieht sich bei der Enthaftung von Finanzverbindlichkeiten einen Schritt weiter. Mit der Mehrzahl der finanzierenden Banken sei eine Restrukturierungs- und Enthaftungsvereinbarung getroffen worden, teilt das Unternehmen mit.

Juli 2017: Mit dem Verkauf des Autotransporters Hoegh Berlin, dem wertvollsten Schiff der Flotte, sieht Marenave die Enthaftung umgesetzt.

August 2017: Marenave veröffentlicht die Tagesordnung für die Hauptversammlung am 15. September. Daraufhin bringt Ernst Russ eigene Vorschläge für die Tagesordnung ein und bekräftigt damit den Plan, mehr Einfluss auszuüben. Vorstand und Aufsichtsrat von Marenave empfehlen ihren Aktionären, den Antrag der Ernst Russ AG auf Ergänzung der Tagesordnung in allen Teilen abzulehnen. Ernst Russ stockt die Anteile an Marenave auf 29,98 Prozent auf.

September 2017: Eine Woche vor der Hauptversammlung teilt Marenave mit, Offen und DEVK würden das Sanierungskonzept der Investorenvereinbarung als gescheitert ansehen und nicht weiterverfolgen, wenn auf der Hauptversammlung nicht die Kapitalherabsetzung beschlossen wird. Auf der Versammlung setzt sich dann die Ernst Russ AG in allen wesentlichen Punkten durch.

Ein Kommentar von Wolfhart Fabarius

Aus der Traum für die Offen Gruppe vom Börsenmantel. Genau darum dürfte es dem potenziellen Investor beim Engagement für Mare­nave gegangen sein. Denn viel mehr war von Marenave nicht übrig geblieben, nachdem sich die börsennotierte Gesellschaft auch noch von den letzten Einheiten trennen musste. Offen hatte vor einiger Zeit selbst einen Börsengang erwogen, diesen Plan aber nie konkretisiert. Und was will die bereits börsennotierte Ernst Russ AG mit Marenave anfangen? Zum einen könnte ein Vehikel mit anders aufgestelltem Bankenkonsortium interessant sein, zum anderen lässt sich bilanztechnisch einiges „optimieren“. Spannend bleibt in jedem Fall, welche Rolle die HSH Nordbank als Mitbegründer von Marenave künftig spielt.

Teilen
Drucken

Weitere Inhalte

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben