Hempel bekennt Farbe: Schiffsinvestoren geschädigt



Andersen (Foto: Hempel)
Die Schiffsfinanzierung über das deutsche Publikumsgeschäft wird nach wirtschaftlichen Tiefschlägen jetzt auch von einem Betrugsfall überschattet.
Der maritime Dienstleister Hempel hat rechtswidrige Praktiken im eigenen Betriebsablauf festgestellt und bittet öffentlich um Entschuldigung, teilte das Unternehmen dem THB am Donnerstag mit. Konkret geht es darum, dass Vertriebsmitarbeiter der Firma Vertragsreeder von KG-Schiffen beim Einkauf von Schiffsfarben bestochen haben. Der Vertrieb gewährte den Reedern beim Einkauf der Farbe einen Rabatt – als grober Richtwert steht ein Wert von fünf Prozent im Raum. Doch statt diesen Rabatt an die Fondsgesellschaften weiterzuleiten und damit an die Anleger, denen die Vergünstigung zusteht, strichen die Schiffsmanager das Geld selbst ein. Dieser Verdacht hat sich nach Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Verden am 17. August 2016 bei Hempel erhärtet.
Hempel, einer der führenden Lieferanten von Beschichtungslösungen für den schweren Korrosionsschutz in Industrie und Schifffahrt, übernimmt für den Vorgang die Verantwortung. Der Konzern ist weltweit in rund 80 Ländern mit 6000 Mitarbeitern vertreten. Der Umsatz war 2015 gegenüber dem Vorjahr von 1,30 auf 1,56 Milliarden Euro, der Nachsteuergewinn von 82 auf 108 Millionen Euro gestiegen. Im vergangenen Jahr feierte das Unternehmen sein hundertjähriges Bestehen. An der Spitze des Konzerns mit Hauptsitz im dänischen Lyngby steht Group-CEO Henrik Andersen. Der gesamte Vorstand sei im August von den aktuellen Enthüllungen überrascht worden, bestätigte Andersen am Donnerstag im Gespräch mit dem THB.
Wie der THB erfuhr, ist die Akte bei der Staatsanwaltschaft bislang überschaubar, und nur Einzelfälle sind bislang aktenkundig. Da jedoch die Gefahr besteht, dass die Vertriebsmitarbeiter mit den betroffenen Reedern flächendeckend illegal agierten, will Hempel selbst die Aufklärung forcieren, mit den ermittelnden Behörden vollumfänglich kooperieren und über eine Anwaltskanzlei interne Vorgänge in dieser Angelegenheit untersuchen lassen. „Leider müssen wir uns der Tatsache stellen, dass diese Untersuchung entgegen allen Erwartungen Praktiken ans Licht gebracht hat, die mutmaßlich nicht mit der deutschen Rechtsordnung übereinstimmen“, lautet das erste Zwischenfazit von Andersen.
„Respect for the individual“, heißt es im Verhaltenskodex des Unternehmens. Das soll auch für Schiffsfondsanleger beziehungsweise die Eigner der Frachter gelten, denen offensichtlich ein Schaden entstanden ist. So spricht Andersen von einer „Null-Toleranz-Politik“, die gegenüber den straffällig gewordenen Akteuren gefahren werde. Eine erste Maßnahme ist getroffen: Vier Mitarbeiter wurden bereits entlassen, weil sie „interne Regeln und die deutsche Rechtsordnung“ verletzt haben, so Andersen.
Den entstandenen Schaden aller Betroffenen will Hempel begleichen, nicht nur in den bislang aktenkundigen Fällen, sondern auch für die noch aufzuklärenden. Welche Summe dabei am Ende herauskommt, für die der Konzern einstehen will, ist bislang völlig offen. Die Untersuchungen stehen nach acht Wochen noch am Anfang. Zu Namen seitens der Schiffsmanager, die sich auf den illegalen Rabatt-Deal einließen, lässt sich laut Andersen bislang noch nichts sagen, ebenso wenig zu den Geschädigten. „Die Untersuchungen sind äußerst aufwendig und erstrecken sich bislang nur auf Deutschland, wo die aktenkundigen Fälle aufgetreten sind“, so Andersen.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass Hempel nicht das einzige Unternehmen ist, das von illegalen Machenschaften einzelner Mitarbeiter betroffen ist. Wie der THB erfuhr, war beim Landeskriminalamt Niedersachsen ein anonymer Hinweis auf andere illegale Vorgänge bei anderen Zulieferern eingegangen. Erst die weiteren Recherchen führten zu Hempel, wobei hier die Praktiken im Verhältnis zwischen Hempel Germany, den Schiffsmanagern und den Schiffseigentümern liefen. Seitens der Schiffseigentümer, die von diesen Vorgängen bislang noch nichts wissen, handelt es sich in der Regel um heterogene Investorengruppen mit mehreren tausend Anlegern pro Schiff. Inwiefern der Kontakt zu den Geschädigten aufgenommen werden kann, ist bislang völlig unklar, zumal zahlreiche KG-Schiffe bereits verkauft sind und die dazugehörigen Gesellschaften unter Umständen bereits liquidiert sind oder mangels liquider Mittel Insolvenz anmelden mussten.
Es gibt jedoch eine weitere Gruppe von Geschädigten, und das sind die Steuerzahler. Hintergrund: Es ist der gesamte Gewinn zu versteuern. Wenn der gewährte Rabatt jedoch nicht in die Gewinnermittlung mit eingeflossen ist, wurde seitens des Zulieferers ein geringerer Betrag versteuert als gesetzlich vorgesehen. Es besteht die Chance zu nachträglichen Korrekturen. Sofern aber auch diese unterblieben, macht sich ein Unternehmen strafbar. Zu diesem Sachverhalt liegen bislang aber noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. fab