Corona trifft Hamburgs Hafen

Die weltweite Corona-Welle führt auch im Hamburger Hafen zu Verwerfungen: Der Seegüterumschlag im 1. Halbjahr 2020 liegt mit gut 61,2 Millionen Tonnen um rund 12 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres, gaben die beiden Vorstände von Hafen Hamburg Marketing (HHM), Ingo Egloff und Axel Mattern, am Freitag bekannt.

Der Containerumschlag auf den verschiedenen Terminals im Hamburger Hafen erreichte im ersten Halbjahr insgesamt 4,1 Millionen TEU. „Das ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Rückgang von 12,4 Prozent“, so Egloff. Dass es zu diesem „unerfreulichen“ Ergebnis kam, ist einem Corona-Sondereffekt geschuldet: die starke Dominanz des Warenverkehrs mit China. Egloff zum THB: „In der ARA-Range hat Hamburg einen Marktanteil am China-Verkehr von gut 30 Prozent. Es folgen dann Rotterdam mit rund 25 Prozent, Antwerpen mit gut 12 Prozent und die Bremischen Häfen mit etwa 11 Prozent.“ Der Containerverkehr mit China über Hamburg liegt im Berichtszeitraum um über 16 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

„Das Runterfahren der chinesischen Wirtschaft und die als Folge ausgesetzten Abfahrten der Liniendienste – Blank Sailings in der Schifffahrt – führten zu geringeren Umschlagmengen. Diese Auswirkungen sind zeitlich versetzt in das Ergebnis für das erste Halbjahr eingeflossen“, so Mattern. Er verweist darauf, dass es aus dem Markt seit Juli wieder Berichte über „eine erste Erholung der Chinaverkehre gibt, auf der Import- und der Exportseite“.

Der Mengeneinbruch im 1. Halbjahr kommt in der Rückschau nicht völlig überraschend. Vielmehr hatten sich HHM und die Hafenwirtschaft darauf eingestellt, nachdem ab März die Weltwirtschaft als Folge der rasend schnell um sich greifenden Covid-19-Pandemie durch einen Shutdown brutal heruntergefahren wurde. Egloff zum THB: „Im 1. Quartal war unser Hafen mit einem Rückgang von gut 6 Prozent beim Umschlag noch einigermaßen glimpflich davon gekommen.“ Zur Sache ging es dann beim Umschlag in allen Gütersegmenten ab dem 2. Quartal. Egloff: „Der Corona-Effekt hat hier seitdem voll durchgeschlagen.“

Bei einem solchen Mengenrückgang wie im 1. Halbjahr 2020 kann indes ein Rückblick auf die jüngere Hafengeschichte aufschlussreich sein: Denn vor zehn Jahren hatte es Deutschlands größten Universalhafen noch härter getroffen. Damals war die Ursache nicht das Corona-Virus, sondern der Zusammenbruch der US-Bank Lehman 2007 auf 2008. Der Banken-Crash gab den entscheidenden Impuls für eine weltweite Finanz-Krise, die schnell auch den Schifffahrtssektor erreichte. Für den Hamburger Hafen bedeutete das ein jähes Ende des Höhenflugs beim Seegüterumschlag. So stand der Elbe-Hafen noch Ende 2008 an der Schwelle zum 10-Millionen-TEU-Umschlag. Es fehlten nur noch vergleichsweise wenige Boxen zum Erfolg mit hoher Symbolkraft. Zur Jahresmitte 2009 lag der Gesamtumschlag im 1. Halbjahr mit 54,2 Millionen Tonnen um 23,7 Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums. Der Containerumschlag büßte fast ein Drittel ein und pendelte sich auf 3,6 Millionen TEU ein. Bereits zur Jahresmitte 2010 hatte Hamburg beim Umschlag aber wieder Boden gut gemacht.

Und so entwickelten sich im aktuellen Berichtszeitraum die verschiedenen Gütersegmente im Hamburger Hafen. Der Stückgutumschlag liegt mit gut 42,5 Millionen Tonnen um 12,2 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Umschlag von flüssigem und trockenem Massengut erreichte bis zur Jahresmitte 2020 gut 18,7 Millionen Tonnen und liegt damit um 11,7 Prozent „deutlich unter dem guten Vorjahresergebnis“. Den größten Mengenrückgang gab es im 1. Halbjahr auf der Einfuhr-Seite. Der Import erreichte nur 33,7 Millionen Tonnen und liegt damit um 16,3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Export kam auf insgesamt 27,5 Millionen Tonnen, ein Minus von 6,1 Prozent.

Auf der Importseite führte vor allem die gesunkene Stahlproduktion in Deutschland zu weniger Umschlag von Erz und Kohle. Ein wichtiger Nachfrager von Stahlerzeugnissen fiel über Wochen aus: die deutsche Autoindustrie, die ihre Werke über Wochen in den Ruhe-Modus versetzt hatte. Inzwischen läuft die Fahrzeugproduktion wieder bei den wichtigen Herstellern und der Zuliefererindustrie.

Beim Massengut in den Teilsegmenten Greifergut und Flüssigladung liegen die Mengen um 24 Prozent beziehungsweise um 10,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Mattern: „Dagegen entwickelte sich der Umschlag von sogenanntem Agribulk im Segment Sauggut positiv und erreichte eine Menge von 4,1 Millionen Tonnen, ein Zuwachs um gut 30,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zu dieser Entwicklung trugen vor allem mehr Exporte von Getreide und Düngemittel bei, heißt es.

Der für den Universalhafen Hamburg so wichtige Containerumschlag entwickelte sich länderbezogen unterschiedlich. Laut Mattern und Egloff weisen im Kreis der „Top 10“ für Hamburg im Berichtszeitraum immerhin sechs Länder – bis auf Dänemark – „deutlich zweistellige Rückgänge auf“. Vor allem der Einbruch im seeseitigen Containerumschlag mit China konnte nicht durch positive Entwicklungen im Verkehr mit anderen Ländern ausgeglichen werden. Hinzu kam, dass neben China auch Russland (-14,9 Prozent), Schweden (-13,3 Prozent), Südkorea (-14,4 Prozent), Dänemark (-2,7 Prozent) und Polen (-10,5 Prozent) Rückgänge aufwiesen.

Zu den Handelspartnern mit einem Gütermengenzuwachs zählen im 1. Halbjahr neben den USA (+1,7 Prozent) und Singapur (+5,5 Prozent) das UK (+39 Prozent) und Malaysia (+1,7 Prozent). Mattern: „Für die im Ranking der Containerpartner auf Position zwei folgenden USA konnte im 1. Halbjahr mit 288.000 TEU noch ein Wachstum von 1,7 Prozent verzeichnet werden.“ Der erinnert daran, dass diese Entwicklung auch dem Anfang 2019 deutlich aufgestockten Abfahrten-Angebot bei Transatlantikdiensten geschuldet sei. Mattern: „Sie haben sich inzwischen sehr gut entwickelt und sorgten für größere Umschlagmengen vor allem im Containerverkehr mit den USA.“

Auch das auf dritter Position liegende Singapur erreichte im 1. Halbjahr mit 212.000 TEU ein Plus von 5,5 Prozent. Einen bedeutenden Anteil an diesem Zuwachs erbringen nach Einschätzung von Mattern die über Singapur gerouteten Transhipment-Verkehre mit Ländern der Region. Aus Großbritannien würden vor allem große Mengen Leercontainer nach Hamburg gelenkt. Behältnisse, die die exportorientierte deutsche Industrie dringend benötige.

Für Egloff und Mattern ist es wichtig, dass der Hamburger Hafen auch in der kritischen Corona-Frühphase uneingeschränkt für den deutschen Außenhandel zur Verfügung stand. Die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Gütern und Rohstoffen lief auch unter den schwierigen weltwirtschaftlichen Bedingungen verlässlich. Der Hafen sei mit seinen Umschlagterminals, Logistik- und Servicebetrieben sowie den Transportverbindungen mit dem Binnenland „voll betriebsfähig“. Mattern: „ Das wissen unsere Kunden zu schätzen.“

Für eine Mengeneinschätzung bis Jahresende ist es für den HHM-Vorstand derzeit noch zu früh. Klar ist aber für die beiden Hafen- und Logistik-Fachleute: Das Umschlagniveau von 2019, als im Hamburger Hafen 136,6 Millionen Tonnen (+1,1 Prozent) und 9,3 Millionen TEU (+6,1 Prozent) über die Kaikanten gingen, wird 2020 auf keinen Fall erreicht. Egloff: „Die im ersten Halbjahr eingetretenen Verluste lassen sich bis dahin nicht ausgleichen.“ Sowohl Egloff als auch Mattern sind zuversichtlich, dass die Talsohle der pandemiebedingten Rückgänge im Seegüterumschlag inzwischen erreicht wurde. EHA

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