Elbvertiefung: Hafenwirtschaft fordert Zukunftsplan

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. In der Wirtschaft überwiegt Pessimismus.

Die Hamburger Hafenwirtschaft befürchtet nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung negative Folgen für den Hafen und fordert ein Aktionsprogramm. "Die Entscheidung, den bestehenden Baustopp nicht aufzuheben, ist bedauerlich und stellt durch die weitere Verzögerung nicht nur den Hafen Hamburg, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft vor weitere Herausforderungen", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) vom Donnerstag. Die Planungsbehörden des Bundes und Hamburgs müssten die vom Gericht monierten Mängel der Planung unverzüglich beseitigen.

"Bei sorgfältiger Bearbeitung kann ein Ergänzungsverfahren in 2018 abgeschlossen werden", heißt es in der Mitteilung. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass alle politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung und in den norddeutschen Landesregierungen uneingeschränkt jedwede fachliche und politische Unterstützung gewähren. Ohne eine entsprechende Unterstützung seien die neuen und von der Rechtsprechung konkretisierten Vorgaben des europäischen Wasserrechts nicht in vertretbaren Zeiträumen zu bewältigen. Um die negativen Folgen für den Hafen, die Beschäftigten und die Metropolregion möglichst gering zu halten, müssten Politik, Hafenverwaltung und Wirtschaft ein Aktionsprogramm entwickeln.

Die Handelskammer Hamburg hat nach dem Urteil eine grundlegende Reform des gesamten deutschen Planungsrechts gefordert. "Nur so wird unser Land zukünftig wettbewerbsfähig bleiben", sagte Kammerpräses Fritz Horst Melsheimer am Donnerstag. Die Hamburger Wirtschaft nehme das Urteil mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Der Planfeststellungsbeschluss bleibe bestehen, die Mängel könnten geheilt werden. Die Frage sei, wie zeitnah die Auflagen erfüllt werden könnten. "Die Antwort darauf entscheidet über das Schicksal unseres Hafens", sagte Melsheimer.

"Schwächung der Häfen kann sich Deutschland nicht leisten"

„Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung geht die Diskussion weiter. Die Hamburger Behörden sind nunmehr aufgefordert, zügig für Klarheit zu sorgen. Für die seeverladende Wirtschaft gilt nach wie vor: Eine Schwächung der Häfen kann sich die Exportnation Deutschland nicht leisten, denn als Schnittstellen zu den internationalen Transportketten sie sind für die verladenden Unternehmen von besonderer Wichtigkeit", sagte Gerd Deimel, Vorsitzender des Deutschen Seeverladerkomitees im BDI (DSVK). "Darüber hinaus sind sie wichtige Industriestandorte, die Entwicklungsperspektiven und Planungssicherheit brauchen und haben als Jobmotoren eine überregionale, gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Die Zahl der Schifffahrten und die Größe der Schiffe werden künftig noch weiter zunehmen. Engpässe in der Anbindung der Seehäfen kosten Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland.“

Mit Bedauern nehmen die Hamburger Schiffsmakler die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wahr. Hierzu sagt der Vorsitzende der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten, Christian Koopmann: „Es ist schon sehr traurig, dass es nicht mehr gelingt, für die Zukunft des Hamburger Hafens wichtige Projekte aufgrund komplexer Rechtsvorgaben sauber zu planen und zeitnah umzusetzen. Es ist nun auch zu prüfen, warum so etwas in anderen europäischen Häfen gelingt, die deutschen Planungsbehörden aber regelmäßig Schwierigkeiten haben.“

Die erneute Verzögerung sollte aus Sicht der VHSS daher auch dazu genutzt werden, um die Prozesse der an der Planung beteiligten Einheiten kritisch zu hinterfragen. Koopmann verwies in diesem Zusammenhang auf die positiven Auswirkungen solcher Maßnahmen für die Häfen. „Ohne die Scheldeanpassung wäre Antwerpen der deutliche Zuwachs in den vergangenen Jahren nicht gelungen. Daher ist der Plan zur Fahrrinnenanpassung auf der Elbe weiterhin richtig und für die Sicherung der Wettbewerbsposition Hamburgs unverzichtbar.“

Schiff transportiert umweltfreundlich

Nach Aussage Koopmanns ist nicht zu vergessen, dass der Warentransport per Schiff nach wie vor die umweltfreundlichste Variante der Güterbeförderung darstellt. So gesehen, komme der Entscheidung für die Anpassung der Fahrrinne sowie des Ausbaus des Hafens auch eine ökologische Komponente zu.

Erheblich positiver sieht es Robert Völkl vom Verein Bremer Spediteure: "Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist gut für Hamburg, gut für Bremen und Bremerhaven, und gut für ganz Deutschland; zeigt sie doch, dass es auch heute noch möglich ist, in Deutschland wirtschaftlich notwendige, infrastrukturelle Großprojekte zu realisieren. Dies macht Hoffnung für die noch ausstehende Anpassung der Fahrrinnen in der Außen- und Unterweser und sollte Ansporn sein, die Planungen nun zügig voranzutreiben. Allein die Verfahrensdauer von hier 15 Jahren macht überdeutlich, dass das Planungsrecht dringend entschlackt und vereinfacht werden muss. Das Verbandsklagerecht in der heute praktizierten Form sowie die langen gerichtlichen Wege gehören ebenfalls auf den Prüfstand."

"Das Urteil kann man nicht schönreden. Es ist eine Zäsur für den Wirtschafts- und Logistikstandort Hamburg. Die Entscheidung sendet international, gerade mit Blick auf den Asienverkehr, ein negatives Signal. Der Hafen und die maritime Wirtschaft müssen ihre Strategie für die Zukunft jetzt hinterfragen. Auch personelle Konsequenzen dürfen dabei kein Tabuthema sein“, sagte Hauke Harders, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates Hamburg.

Dilemma

Unabhängig von allen Planungsfehlern in mehr als 15 Jahren hat das Ringen um die Fahrrinnenanpassung der Elbe gezeigt, in welches Dilemma das europäische Umweltrecht und das ebenfalls durch europäische Rechtsprechung ausgeuferte Verbandsklagerecht führen. „Der EuGH hat dafür gesorgt, dass das Verbandsklagerecht auf Kosten von Planungs- und Genehmigungsverfahren extrem gestärkt wurde. Die zügige Realisierung dringender Groß- und Infrastrukturprojekte ist dadurch nahezu unmöglich geworden. Senat und Hamburger Bundestagsabgeordnete müssen sich über die Bundesorgane auf EU-Ebene und im Bundesrecht dafür einsetzen, das außer Kontrolle geratene Verbandsklagerecht wieder einzufangen“, so Harders weiter.

Der Wirtschaftsrat Hamburg plädiert außerdem für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Senat, Wirtschaftsbehörde und der Hamburg Port Authority, um für das Hafengebiet zukunftsfähige und konkrete Konzepte zu erarbeiten. „Alle müssen an einem Strang ziehen, um den Hafen für bestehende Betriebe sowie für Neuansiedlungen attraktiver zu machen. Es braucht z.B. eine bessere Datenanbindung, bessere Öffnungszeiten bei staatlichen Kontrollbehörden wie dem Veterinäramt oder günstigere Tarife für die Hafenbahn“, forderte Harders.

„Die Lotsenbrüderschaft Elbe bedauert die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Fahrrinnenanpassung. Seit über 300 Jahren sorgen die Elblotsen für eine sichere und störungsfreie Schifffahrt auf der Elbe. Diese Arbeit wird durch den zunehmenden Schiffsverkehr immer schwieriger. Die heutige Gerichtsentscheidung wirft uns um viele Jahre zurück. Diese Hängepartie bei ständig wachsenden Schiffsgrößen auf der Elbe ist extrem schwierig und schädigt den Standort Hamburg“, sagte Ben Lodemann, Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe.

"Verheerendes Signal"

"Ein verheerendes Signal für die Metropolregion Hamburg. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts werden noch mehr Reeder den Hamburger Hafen mit ihren großen Containerschiffen nicht mehr anlaufen. Der Hafen wird in absehbarer Zeit seine Funktion als globaler Hub durch den Wegfall weiterer Feederverkehre verlieren und seine Bedeutung als Treiber für Wirtschaftswachstum der Metropolregion wird abnehmen. Damit sind viele der derzeit rund 150.000 hafenaffinen Arbeitsplätze in der Region gefährdet", sagte Dr. Martin Makait, Geschäftsführer des Logistikdienstleisters MWP GmbH.

Es komme nun darauf an, sehr schnell innovative Strategien zur Ansiedlung neuer Branchen zu entwickeln und zu realisieren. "Man kann nur hoffen, dass die Hafenbetreiber und die Politik hierfür bereits einen 'Plan B' vorbereitet haben", so Makait weiter. Bezüglich der Elbvertiefung bestehe zwar jetzt Planungssicherheit, aber eine Prognose des künftigen Umschlagvolumens des Hamburger Hafens ohne Elbvertiefung gebe es bisher nicht. Auch hier bestehe Handlungsbedarf, um einen neuen Hafenentwicklungsplan mit fundierter Datenbasis erarbeiten zu können. (pk)

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