Freie Fahrt für Großschiff-Begegnungen

Und sie kommen doch: Die weltweit größten Containerschiffe lassen Hamburg trotz der weiter verzögerten Elbvertiefung nicht aus.

Mitte Mai erwartet Deutschlands größter Seehafen das derzeit größte Containerschiff der Welt, die „MOL Triumph“, auf seiner Jungfernreise. Doch schon für halb so große Box-Carrier ist der Anlauf eine echte Her ausforderung.

Mit ihren 400 Metern Länge und 58,80 Metern Breite kann die „MOL Triumph“ genau 20.170 TEU an Bord nehmen – zumindest theoretisch und auch nicht auf dem Weg nach Hamburg. Das Problem ist nicht nur der dann viel zu große Tiefgang, sondern auch die Breite, denn das Fahrwasser ist eng. Schon in der Elbmündung, rund 100 Kilometer vor Hamburg, müssen sich jährlich rund 10.000 Schiffe aus der Nordsee in die Fahrrinne einfädeln, und auch wieder hinaus. Eine Herausforderung auch für Schiffe, die nur halb so groß sind wie die „MOL Triumph“.

Die „Cap San Lorenzo“ der Reederei Hamburg Süd beispielsweise ist mit ihrem Raum für knapp 10.000 TEU nach den heutigen Maßstäben fast ein eher kleiner Fisch. Trotzdem: Schiffe, die auf der Elbe aneinander vorbeifahren möchten, dürfen zusammengerechnet nicht breiter als 90 Meter sein. Wenn doch, dann ist die Passage nur in einigen wenigen „Ausweichboxen“ möglich.

Da ist auch bei der „Cap San Lorenzo“ mit ihrer Breite von 48,20 Metern erhöhte Aufmerksamkeit gefordert. Denn wenn einer der Schiffsriesen auf der Elbe unterwegs ist, kann er nicht mehr umdrehen oder einfach aufstoppen. Das verlangt nach hervorragend ausgebildeten Fluss- und Hafenlotsen sowie einer übergeordneten Koordination. Ohne sie wäre bei einer Begegnung zweier Großschiffe die Gefahr zu groß, dass einer der Riesen aus dem Ruder läuft und am Ufer auf Grund gerät.

Gemeinsam läuft es besser

Seit 1. November 2015 sorgt das Hamburg Vessel Coordination Center (HVCC) rund um die Uhr dafür, dass die Großschiffe, die Hamburg anlaufen, möglichst reibungslos ihre Liegeplätze erreichen und verlassen können. Darunter fallen alle Schiffe, die über 330 Meter lang und 45 Meter breit sind – und damit nicht nur die „MOL Triumph“ und die „Cap San Lorenzo“. Die Arbeit des HVCC beruht auf einem einfachen, aber erfolgreichen Prinzip: Wenn alle Beteiligten – nicht nur die Reedereien, sondern auch die Terminals – einer zen tra len Koordinierungsstelle relevante Daten für einen Schiffsanlauf zur Verfügung stellen und punktuell auf die Durchsetzung von Einzelinteressen verzichten, funktioniert das Gesamtsystem viel reibungsloser. Davon wieder um profitiert jeder einzelne Akteur.

Die Arbeit der Koordinatoren beginnt aber nicht erst, wenn ein Schiff an der Elbmündung aufkreuzt, sondern viel früher: Erreicht die „Cap San Lorenzo“ von Südamerika kommend Antwerpen oder Rotterdam, wo die ersten für Nordeuropa bestimmten Container von Bord gehen, erscheint sie schon auf dem virtuellen Radarschirm an der Elbe, und das HVCC checkt: Läuft hier alles glatt? Bleibt das Schiff im Fahrplan? Lassen sich schon jetzt mögliche enge Begegnungen mit anderen Großschiffen auf der Elbe absehen? Das Koordinationszentrum hat jederzeit die operative Gesamtübersicht über die Abfertigung der Großschiffe und kann daher helfen, kritische Verkehrssituation in enger Zusammenarbeit mit den Terminals und Reedereien schon im Vorfeld zu entspannen.

Wie im Flughafen-Tower

Erster Ansprechpartner für die Planer ist die vor rund zweieinhalb Jahren technisch aufgerüstete Nautische Zentrale am Bubendeyufer, gleich an der Einfahrt zum Hamburger Hafen. „Das deutlich gestiegene Verkehrsaufkommen mit den immer größeren Containerschiffen und die Entwicklung zum wettbewerbsfähigen Hafen der Zukunft haben die Weiterentwicklung notwendig gemacht“, begründet Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch die 6,5 Millionen Euro teure Investition.

In der Nautischen Zentrale sieht es aus wie in einem Flughafen-Tower, die Aufgaben der Mitarbeiter sind in der Tat vergleichbar: Jeweils fünf Nautiker sind hier im Einsatz, um mit modernster Leittechnik den reibungslosen Verkehrsfluss auf der Elbe und in den Hafenbecken zu sichern. Ein großer Teil der technischen Hilfsmittel wurde speziell für die Bedürfnisse der Nautiker an Land entwickelt. Unter anderem kommt eine Radar-Großbildanzeige zur hochauflösenden Darstellung wichtiger nautischen Informationen zum Einsatz, in die alle Daten aus einer Leitstand-Software einfließen. Es ist kaum vorstellbar, aber noch vor kurzem wurden an gleicher Stelle und zum gleichen Zweck „magnetische“ Schiffe per Hand auf einer großen, mit Metall hinterlegten Seekarte hin und her geschoben. „Mit der neuen Nautischen Zentrale konnten wir die Effizienz des Hafens deutlich steigern“, freut sich Hafenkapitän Jörg Pollmann. „Wir takten die Schiffsbewegungen jetzt enger, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen.“ Die Software zeigt dazu nicht nur die aktuelle Verkehrslage, sondern blickt auch mehrere Stunden voraus, um mögliche kritische Situationen vorherzusehen. Einer künftigen Begegnung der „MOL Europe“ und der „Cap San Lorenzo“ auf ihren Reisen von und nach Hamburg steht also nichts im Wege. ▪

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