Hafenwirtschaft beklagt Einbußen durch Engpässe

Der belgische Laderaumsaugbagger „Francis Beaufort“ bei Arbeiten im Hamburger Hafen, Foto: Hasenpusch

Gunther Bonz, Foto: UVHH
„Senat und Hamburg Port Authority (HPA) müssen die Soll-Tiefen im Hamburger Hafen garantieren. Außerdem ist mehr Flexibilität bei der Unterbringung von Baggergut nötig.“
Das forderte am Montag der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) anlässlich der jährlichen Mitgliederversammlung in der Hansestadt. Hintergrund: Die vertraglich mit Hamburg und der HPA vereinbarten Soll-Tiefen sowie die notwendigen Wassertiefen der Zufahrten zu den Liegeplätzen sind bereits seit mehr als 18 Monaten nicht mehr gewährleistet. Dadurch mussten Schiffe in Konkurrenzhäfen umgeleitet und an anderen Standorten geleichtert werden. „Die Abweichung von den Soll-Tiefen bei Liegewannen und Zufahrten beträgt bis zu drei Meter“, kritisierte UVHH-Präsident Gunther Bonz. Das habe zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen bei Unternehmen, Verärgerung bei Kunden und zur Schwächung der Wettbewerbsposition des Hamburger Hafens geführt. Wegen zunehmender Ablagerung von Sedimenten (Verschlickung) seien etliche Terminals nicht mehr erreichbar gewesen. „Das ist sehr, sehr bedenklich, und das hat es in diesem Ausmaß in der Nachkriegsgeschichte des Hafens noch nicht gegeben“, so Bonz. „Man muss sich fragen, was bei der HPA los ist.“ Ein Sprecher der Behörde verwies auf besondere Witterungseinflüsse und einen niedrigen Sauerstoffgehalt der Elbe. Außerdem durfte im Sommer nicht gebaggert werden.
Der Hansaport-Terminal hat bereits gegen die HPA geklagt und Recht bekommen. Inzwischen wird wieder gebaggert. Trotzdem ist die Situation nach Einschätzung von Experten dramatisch und hat unter anderem zu Ladungsverlusten geführt. Dafür sind als Schadenersatz jetzt Mietminderungen im Gespräch.
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch sagte dem THB zur Baggergut-Problematik: „Wir kümmern uns intensiv um das Thema Sedimente. Ziel ist es, vor allem langfristig zu einer nachhaltigen und verlässlichen Lösung zu kommen. Wir wollen mit unseren Nachbarn in Schleswig-Holstein und Niedersachsen und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ein Verbringungskonzept entwickeln. Die Gespräche laufen.“
Zugleich sieht Hamburgs Hafenwirtschaft wenig zuversichtlich in die Zukunft. Nach einem deutlichen Rückschlag bei der Umschlagleistung ist auch im kommenden Jahr keine Besserung zu erwarten, sagte Bonz. „Mit einem kleinen Plus wären wir schon zufrieden.“ Der Hafen ist gegenüber den Wettbewerbern Rotterdam und Antwerpen zurückgefallen, die in diesem Jahr wesentlich besser abgeschnitten haben. „Das ist eine traurige, schlechte Botschaft“, so Bonz.
Im laufenden Jahr werde der Hafen rund 138 Millionen Tonnen Güter umschlagen, nach 146 Millionen Tonnen im Vorjahr, und weniger als neun Millionen Standardcontainer (TEU). Das wäre bei den Containern ein Rückgang von rund zehn Prozent. Als Ursachen benannte der Verbandspräsident sowohl weltwirtschaftliche und konjunkturelle Faktoren als auch hausgemachte Probleme. Das rückläufige Wachstum in China und die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland hätten sich wegen der engen Verflechtungen dieser beiden Länder mit dem Hamburger Hafen besonders stark ausgewirkt. „Das kann aber nicht die einzige Ursache sein“, betonte der Manager.
Er kritisierte vor allem die schleppenden staatlichen Investitionen in die Verkehrs-Infrastruktur. Deutschland habe seine Spitzenposition als Logistikstandort verloren und sei innerhalb von sechs Jahren von Platz eins auf sieben zurückgefallen. „Der Nord-Ostsee-Kanal ist nur eingeschränkt funktionsfähig“, betonte Bonz. Angesichts der niedrigen Treibstoffpreise für Schiffe entschieden sich die Reeder immer häufiger, den Kanal zu meiden und stattdessen die Route rund um Dänemark zu wählen, wenn sie Güter in die Ostsee zu transportieren hätten. „Damit verliert Hamburg seine Funktion als westlichster Ostseehafen.“ Im Bereich der Zubringerverkehre hätten die Wettbewerber dem Hamburger Hafen erhebliche Marktanteile abgenommen.
Doch auch die Überkapazitäten in der Containerschifffahrt und die andauernd schwachen Frachtraten wirken sich im Hamburger Hafen aus. „Die Reedereien stehen unter hohem wirtschaftlichen Druck“, sagte Bonz. Sie reagierten darauf, indem sie weniger Schiffe zwischen Asien und Europa einsetzten, die jedoch immer größer würden. So kamen in den ersten neun Monaten allein 88 Containerriesen mit mehr als 14.000 TEU Tragfähigkeit nach Hamburg, doppelt so viele wie im Vorjahr. Darum sei eine zügige Umsetzung der geplanten Infrastrukturmaßnahmen in Norddeutschland, allen voran die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe, immer dringlicher.
Doch der künftige Erfolg des Hafens hänge nicht allein von der seewärtigen Erreichbarkeit ab. Der Gütertransport in den und aus dem Hafen setze eine effiziente und zuverlässige Verkehrsinfrastruktur im Hinterland voraus. Engpässe wie die eingeschränkte Funktionsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanals oder die erschwerte Erreichbarkeit der Hafenunternehmen insbesondere für den Schwerlastverkehr durch Baumaßnahmen und durch einen bedenklichen Zustand der Brücken in Deutschland seien schnellstmöglich zu beseitigen.
Hamburgs Hafen kann sich im internationalen Wettbewerb nur durch eine hohe Qualität im Warenumschlag, einen zuverlässigen und schnellen Transport ins Hinterland sowie durch eine hohe Leistungsfähigkeit der Hafenunternehmen behaupten, so der Manager. Die wirtschaftliche Bedeutung des Hafens für die Hansestadt erfordere ein klares Bekenntnis der Politik zum Hamburger Hafen, der für die Hansestadt rund 127.000 Arbeitsplätze schafft und jährlich rund 800 Millionen Euro Steuereinnahmen generiere.
Sollte Hamburg allerdings den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2024 erhalten, so müssten die Betriebe von der Elbinsel Kleiner Grasbrook umgesiedelt werden, die jetzt noch Hafengebiet ist. Dort sollen Sportstätten wie das Olympiastadion sowie weitere Olympia-Bauten entstehen, zum Beispiel das Olympische Dorf. Weitere Hafenfirmen wären indirekt betroffen. Es geht um rund 2000 Arbeitsplätze im Hafen. Als Kosten sind im Finanzkonzept für die Spiele gut 1,3 Milliarden Euro eingeplant.
Senat und Hafenwirtschaft haben sich darauf verständigt, wie sie mit möglichen Betriebsverlagerungen wegen der Olympischen Spiele 2024 umgehen wollen. Wirtschaftssenator Horch, der Chef der Hafenbehörde HPA, Jens Meier, und UVHH-Vizepräsident Heinz Brandt hatten am vergangenen Freitag eine Absichtserklärung unterzeichnet. Darin wird unter anderem festgehalten, dass Hafenunternehmen bei einer Umsiedlung neue Flächen erhalten und die Stadt ihre Ersatzinvestitionen sowie weitere Kosten im Zusammenhang mit einer möglichen Verlagerung trägt.
Die Vereinbarung wird zwar von allen Betrieben im Hafen mitgetragen. Doch Unternehmen und Kunden sind noch verunsichert, so Bonz. Denn die Zeit bis zu einer möglichen Entscheidung 2017 soll zu umfangreichen Vorplanungen genutzt werden. Dabei müssen für jeden einzelnen Betrieb individuelle Lösungen gefunden werden, die nicht nur den Bestand des Unternehmens, sondern auch weitere Entwicklung ermöglichen sollen.
Noch keine Regelung für wasserseitige Ersatzflächen
Auch sollen Firmen keinen Wettbewerbsvorteil erhalten, indem sie durch die Umsiedlung und die damit verbundenen Investitionen in neue Anlagen ihre Betriebe modernisieren, die Kosten aber von der Stadt getragen werden. Das werde in jedem Einzelfall zu prüfen sein. Noch völlig offen ist jedoch die rechtzeitige Bereitstellung von adäquaten wasserseitigen Ersatzflächen. Das betrifft sechs bis sieben Betriebe.
Bei einem Zuschlag bleibt dann ein enges Zeitfenster von knapp sieben Jahren, um die Hafenbetriebe zu verlagern, die Flächen herzurichten und möglicherweise zu sanieren und die Olympiastätten zu errichten. FBi