Hamburg braucht Brücke in die Zukunft

Markant: die Köhlbrandbrücke, Foto: Arndt

Konzentriert diskutierten (v.l.) Norbert Hackbusch, Dominik Lorenzen, Joachim Seeler, Eckhard-Herbert Arndt, Ralf Niedmers und Michael Kruse, Foto: T. Jann

In das Thema führten ein (v. l.) Natale Fontana und Thomas Mendrzik, Foto: T. Jann

Klare Kante: Die Jobs müssen erhalten werden, Foto: Arndt

Klassisches Hafengeschäft mit hoher Wertschöpfung: der Umschlag von Projekt- und Schwergutladung im Hamburger Hafen, hier beim Südwestterminal, Foto: Arndt
In knapp sechs Monaten wird in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Schon jetzt wird erkennbar: Die Themen „Hafen“ und „Verkehr“ werden dabei – wieder einmal – eine besondere Rolle spielen.
Und auch das ist derzeit nicht nur zu spüren, sondern auch mit Händen zu greifen: Es gibt eine große Verunsicherung bei den Arbeitnehmern, aber auch im Arbeitgeberlager über den weiteren Weg von Deutschlands größtem Universalhafen und immerhin der Nummer drei in Europa. Insofern war die Generalüberschrift über einer von der Gewerkschaft Ver.di ausgerichteten Fachdiskussion zum Elbehafen punktgenau formuliert: „Quo vadis, Hafen“, ergänzt um die klare Forderung: „Kein Ausverkauf des Hafens“.
Um konkrete Antworten auf die eine große und viele weitere Fragen zu erhalten, hatte der „Fachbereich Verkehr von Ver.di Hamburg“ die hafenpolitischen Sprecher der in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien, Dr. Joachim Seeler (SPD), Dominik Lorenzen (Grüne), Ralf Niedmers (CDU), Norbert Hackbusch (Die Linke) und Michael Kruse (FDP) eingeladen. Nicht mit an Bord – und das ganz bewusst: die AfD. Eine Entscheidung, die die Partei noch kurz vor Beginn der Veranstaltung über eine eilige Presseerklärung scharf kritisierte. Moderiert wurde die von rund 100 Teilnehmern, mehrheitlich Hafenarbeitern, besuchte Veranstaltung im Bürgerhaus Wilhelmsburg am Dienstag durch THB-Chefredakteur Eckhard-Herbert Arndt. In die Thematik führten Natale Fontana, Landesfachbereichsleiter Verkehr bei Ver.di in Hamburg, sowie Thomas Mendrzik, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei der HHLA Container Terminal Altenwerder GmbH sowie Sprecher des Arbeitskreises Häfen (AK Häfen) bei Ver.di, ein.
In ihren Einführungen stellten sowohl Fontana als auch Mendrzik die besondere Bedeutung des Hafens für die 1,8-Millionen-Menschen-Hansestadt sowie die Metropolregion Hamburg heraus. Und auch das bekräftigten Fontana und sein Kollege Mendrzik: Laschen muss klassische Hafenarbeit bleiben und darf nicht auf den Rücken der Schiffsbesatzungen abgewälzt werden, um Geld zu sparen. Auch das forderten sie: Damit sich der Hafen weiterentwickeln kann, müssten dauerhaft ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Mendrzik: „Im Hafen reden wir Klartext, hier darf sich niemand aus der Verantwortung schummeln.“
Tatsächlich war der Themenstrauß, über den fast drei Stunden lang diskutiert wurde und der durch zahlreiche Nachfragen und auch Anmerkungen der Teilnehmer erweitert wurde, denkbar breit gefächert.
Wichtig dabei aus Sicht der Veranstalter: Zu etlichen Punkten gab es klare Aussagen, andere Aspekte wurden aber auch eher vage beantwortet. Konkretes gab es auf die Frage, was mit der 45 Jahre alten Köhlbrandbrücke werden soll, deren technisches Lebensende von Experten für das Jahr 2030 errechnet wurde. Die Antwort, die aller Hafenexperten, fiel klar aus: „Als Ersatz für die abgängige Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen kommt nur eine Tunnellösung infrage.“ Dabei erwartete etwa Joachim Seeler Baukosten, die sich bei „deutlich mehr als einer Milliarde Euro“ einpendeln dürften.
Dass „wir Hafenpolitik nicht aufgrund aktueller Stimmungen machen dürfen“, forderte etwa Hafenfachmann Michael Kruse. Der FDP-Politiker bekannte sich dazu, langfristig Flächen für die Hafennutzung zur Verfügung zu stellen. Das möchte eigentlich auch Grünen-Experte Lorenzen. Doch etliche Zuhörer bezweifelten, ob er für diesen Ansatz im Wahlprogramm der Grünen für 2020 dafür auch die nötige Rückendeckung seiner Partei bekommen wird.
SPD-Hafenmann Seeler versicherte, dass selbst der mit Wohnungsbau überplante Bereich – es geht dabei um den „Kleinen Grasbrook“ – grundsätzlich Hafengebiet bleiben werde.
Und auch das stellte er für einen künftigen Senat in Aussicht: „Wir wollen den Hafenentwicklungsplan (HEP) neu aufsetzen.“ Das sei auch angebracht, weil der aktuelle 2012 verabschiedet wurde und eine Laufzeit bis 2025 habe. Ein Problem dabei: Zahlreiche Annahmen etwa zu Mengenentwicklungen sind inzwischen durch die Wirklichkeit überholt worden, so im Containersegment. Von anderen Themenfeldern, beispielsweise dem Klimawandel und einer Energiewende, war vor über zehn Jahren, als der aktuelle HEP erstellt wurde, noch gar keine Rede. Linken-Hafen-Topmann Norbert Hackbusch etwa stellte fest: „Wir brauchen kein weiteres Containerterminal in Hamburg“, und spielte damit auf Gedankenmodelle rund um das derzeit in der Restrukturierung befindliche Gebiet „Steinwerder Süd“ an. Hier sorgten vor Monaten Gerüchte über einen Einstieg chinesischer Investoren in der Hafenwirtschaft und unter den Hafenbeschäftigen für reichlich Unruhe und viel Kritik. Die Wirtschaftsbehörde und die HPA hatten alle Hände voll zu tun, um die aufpoppenden Emotionen wieder einzudämmen.
Auch über diesen Aspekt wurde intensiv diskutiert: die Entwicklung der Containerschiffsgrößen. 23.000-TEU-Frachter kommen jetzt in Fahrt. Ingenieure arbeite bereits an Skizzen für 25.000-TEU-Carrier. „Ein Wettrüsten an der Kaikante ist wirtschaftlich nicht mehr vertretbar“, stellte dazu etwa CDU-Hafenfachmann Ralf Niedmers fest. Er sprach sich daher für eine Begrenzung der Schiffsgrößen und damit auch der Transportkapazitäten an Bord aus. Die europäischen Häfen müssten sich bei diesem Punkt darin einig werden und die Werften in Südkorea und China überzeugen.
Und auch das war ein Aspekt des Nachmittags: Den sozialen Frieden im Hafen als hohes Gut zu erhalten sei eine Errungenschaft, die auch wesentlich zum guten internationalen Ruf des Hamburger Hafens gerade bei den Reedern beitrage. Das weiter zu erhalten lohne den Einsatz der Sozialpartner, der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, aber auch der Politik, gab Moderator Arndt mit auf den Heimweg. Und das heißt für SPD-Mann Seler auch: „Gute Arbeit muss guten Lohn wert sein.“ FDP-Experte Kruse ergänzte: „Hamburg gilt als teuer, wir müssen sicherstellen dass wir so viel besser sind, wie wir teurer sind.“ EHA/tja