Kein Nordstaat, aber eine Nordhäfen-Achse

„Maritimes Bündnis“ (v. l.): Martin Günthner, Carsten Sieling, Stephan Weil und Hans-Joachim „In Zeebrugge, Antwerpen und Rotterdam sitzt die Herausforderung.“ Stephan WeilMinisterpräsident Niedersachsen, Foto: Arndt

Hochzufrieden: Klaus Platz, Foto: Arndt

Schnitger stellen sich den Fotografen, Foto:Arndt

Spendensammler (v. l.): Kapitäne Peter Langbein und Immo Lakmann, Foto: Arndt

Foto: Arndt
Von einem „Nordstaat“ hält er nichts, von einer starken Nordhäfen-Achse jedoch sehr viel: Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident, bezog auf dem 54. Kapitänstag in Bremen klar Stellung zu verschiedenen Aspekten, und zwar nicht nur aus der maritimen Wirtschaft.
Über 330 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung freute sich Klaus Platz, Geschäftsführer der Bremischen Hafenvertretung (BHV), die sich zu der maritimen Traditionsveranstaltung in der geschichtsträchtigen Oberen Rathaushalle in Bremens repräsentativem Renaissance-Rathaus eingefunden hatten. Was Platz dieses Mal besonders freute: die unübersehbar starke Präsenz von „Kolbenring-Trägern“, also Kapitänen, ganz gleich ob aktiv oder bereits im Ruhestand. Denn ihretwegen hatten der Bremer Senat und die BHV vor über einem halben Jahrhundert diesen besonderen Ehrentag ins Leben gerufen. So sollte das Wirken der Schifffahrt zugunsten der Bremischen Seehäfen gebührend gewürdigt und zugleich den Seeleuten für ihren Einsatz gedankt werden. Auch das gehört zu den bestätigten Fakten: In den zurückliegenden Jahren ging der Anteil der goldbetressten Uniformträger beständig zurück, sodass sie fast in die Rolle von nautischen Statisten gedrängt wurden.
Das sollte mit diesem 54. Bremer Kapitänstag auf jeden Fall anders werden. Das selbst formulierte Gebot der Stunde lautete: „Back to the roots“. Die Kapitäne beziehungsweise seefahrendes Führungspersonal stehen wieder im Mittelpunkt des Abends. Und diesem selbst formulierten Anspruch wurden die Veranstalter voll gerecht. Doch es blieb nicht nur beim Aspekt „Uniformträger“: Auch zahlreiche inhaltliche Korrekturen hatten die Veranstalter vorgenommen, die in der Summe eines bewirkten: Sie verliehen diesem Abend von Anfang bis Ende ein besonderes, event-spezifisches Flair, Austauschbarkeit nicht möglich. Zwei Beispiele seien stellvertretend genannt: Vor Reden und Suppen wurde eine Totenehrung für alle auf See Gebliebenen zelebriert, ausdrücklich darin mit einbezogen auch die Opfer von Flucht und Vertreibung über die See. Und: Der Festabend schloss mit dem gemeinsamen (!) Intonieren der Nationalhymne, das bei den Teilnehmern im besten Wortsinne einen besonderen Anklang fand. Auch das verfehlte seine Wirkung nicht: eine mit großer Sorgfalt und auch Liebe zum Detail erstellte Broschüre mit den Teilnehmern des Abends, Grußworten der Promi-Gäste, einem Abriss der Geschichte des Kapitänstages und vielem mehr. Kurzum: etwas Handfestes.
Zu dem, was auch aus den Vorjahren bestens bewährt war, gehörte nicht nur die Speisenabfolge in dem fantastischen, holzgetäfelten „Großraum“, sondern auch die inspirierende Hintergrundmusik des Bremer Kaffeehaus-Orchesters sowie die obligatorische Kapitänsrede und die genauso unverzichtbare Tafelsammlung für einen guten Zweck. In diesem Jahr wurde die Bremer Seemannsmission bedacht. Die Gäste des Abends waren nicht nur durchweg im schicken Zwirn erschienen. Sie trugen auch durchweg Spendierhosen. Denn die Sammlung des Abends ergab den stolzen Betrag von 25.806 Euro zugunsten der Seemannsmission, die damit ihre aufopferungsvolle Arbeit für die Seeleute aus allen Teilen der Welt weiterführen kann.
Ehrengast und damit auch Sprecher des Abends war der SPD-Politiker Stephan Weil aus der niedersächsischen Landeshauptstadt, zugleich ein beliebtes Motiv des Abends für Fotografen oder auch die Redaktion von „Buten un binnen“ von Radio Bremen. Lieblingsmotiv des Abends: ein gemeinsames Foto mit Bremens Bürgermeister Dr. Carsten Sieling, seinem Häfensenator Martin Günthner (beide SPD) sowie Hans-Joachim Schnitger, dem BHV-Präsidenten.
Weil ging in seiner rund 20-minütigen, weitgehend frei gehaltenen Rede noch einmal auf die in den vergangenen Jahrzehnt wiederholt bewährte Zusammenarbeit der beiden Nachbarbundesländer ein, die, was die maritime Wirtschaft betrifft, im gemeinsamen Engagement zugunsten eines norddeutschen Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven mündete: dem JadeWeserPort(JaWePo). Dass sich bislang nur die beiden norddeutschen Bundesländer zu diesem Jahrhundertprojekt zusammenfanden, bedauerte Weil. Er nutzte daher auch den besonderen Abend dazu, um noch einmal eine direkte Einladung an den Stadtstaat Hamburg auszusprechen, doch ebenfalls mit ins „JaWePo“-Boot einzusteigen. Denn davon sei er zutiefst überzeugt: Nicht die deutschen Seehäfen stehen, bei allem Streben nach Unabhängigkeit und Einzigartigkeit, im Wettbewerb zueinander. Die eigentlichen Herausforderer sitzen für Weil „in Zeebrugge, in Antwerpen oder auch in Rotterdam“. Und darauf müsse der Seehafenstandort Deutschland eine adäquate Antwort bereithalten.
Den besonderen Nutzwert der deutschen maritimen Wirtschaft, also neben den Häfen auch die Werften und die zahlreichen anderen Glieder dieser Kette, betonte Weil wiederholt in seiner mit launigen Formulierungen aufgelockerten Rede. Weil: „Deutschland braucht einen vitalen Seehandel.“ Ausführlich ging der Niedersachse auch auf den Dauerbrenner „Verkehrsinfrastrukturausbau“ ein. Er sprach sich dabei nicht nur für eine klare Unterstützung der Weser-Fahrrinnenanpassung aus, sondern forderte wiederholt Korrekturen beim deutschen Planungsrecht. Das habe inzwischen Ausmaße angenommen, die auch im europäischen Vergleich einzigartig seien. Allerdings nicht im positiven Sinne. Sein abschreckendes Beispiel: die Erneuerung der 2015 total zerstörten Brücke über die Ems bei Weener. Weil ernüchtert: „Die Niederländer haben mir gesagt, ein Wiederaufbau würde bei ihnen zwei Jahre dauern.“ Im Deutschland des Jahres 2018 lautet die Perspektive: nicht vor 2024.
Bürgermeister Carsten Sieling freute sich in seinem kurzen Statement vor allem über die Anwesenheit des „lieben Kollegen Stephan Weil“. Auch er ging auf das Datum 2024 kurz ein: Dann möchte er die für Bremen so wichtige Autobahn A 281 „geschlossen“ haben, und zwar einschließlich eines dazugehörigen Wesertunnels. EHA