„Schicksalsjahr für den Hafen“

Tabuzone: Der Kleine Grasbrook bleibt nach dem Aus für Olympia reines Hafengebiet, Foto: Arndt

Schmidt-Trenz, Foto: Arndt
Als „Schicksalsjahr für den Hamburger Hafen“ stellt sich 2016 für die Handelskammer der Hansestadt dar.
Diese Einschätzung gab der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Prof. Dr. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, am Montag bei der Vorlage des Jahresberichts 2015/2016 zu Protokoll.
Zu den schicksalsträchtigen Faktoren gehört für ihn im Besonderen die Entscheidung des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts über die Elbvertiefung. Sie müsse in diesem Jahr auch deshalb erfolgen, weil der Hamburger Hafen ansonsten gegenüber seinen wichtigen internationalen Reedereikunden ein gravierendes Glaubwürdigkeitsproblem bekomme. Sehr aufmerksam verfolge man bei der Kammer die Auswirkungen der rückläufigen Umschlagentwicklung im weiterhin größten deutschen Seehafen. Sicherlich habe Hamburg aufgrund seiner historisch gewachsenen starken Ausrichtung auf Fernost, und hier wieder um China, sowie Russland in besonderer Weise unter Faktoren wie der schwachen Konjunktur in China sowie den Auswirkungen der EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu leiden. Auf der anderen Seite bekomme der Hamburger Hafen – wie auch andere große Häfen – die noch relativ junge Entwicklung einer schleichenden Entkopplung zwischen der globalen Industrieproduktion sowie dem sich daraus ergebenden weltweiten Warentransport zu spüren. Was konkret bedeutet: Die Zeiten großer Zuwachsraten im Weltseeverkehr scheinen passé zu sein, mutmaßte Schmidt-Trenz. Eine Entwicklung, die inzwischen auch Gegenstand der Wirtschaftsforschung sei.
Trotz des schwieriger werden Wettbewerbsumfelds, in dem sich der Hamburger Hafen bewegt, sieht ihn der Handelskammer-Chef „international jedoch weiterhin sehr gut aufgestellt“. Der Hafen sei nach wie vor „hochproduktiv“, was ihm auf vielen Auslandsbesuchen immer wieder bescheinigt werde.
Schmidt-Trenz sprach sich dafür aus, jetzt die Kräfte auf die mittel- und langfris tige Weiterentwicklung des Hamburger Hafens zu konzentrieren, auch weil inzwischen klar sei, dass Hamburg das Olympia-Projekt aufgrund des negativen Referendums nicht weiterverfolge. Der Kammer-Hauptgeschäftsführer nutzte dabei die Gelegenheit, um den Ausgang der Volksbefragung nochmals zu bedauern. Nicht nur, weil damit auch 15 Jahre kammerbezogene Projektarbeit gewissermaßen mit einem Federstrich zunichte gemacht wurden. Sondern auch, weil die Hansestadt mit dieser Entscheidung die Chance verpasst habe, dauerhaft ins Spitzenfeld der international bedeutsam Metropolen aufzusteigen. Schmidt-Trenz: „Das war eine historische Fehlentscheidung.“ Mit den aus seiner Sicht negativen Folgen werde sich der Stadtstaat „noch über Jahre hinweg beschäftigen“.
Klar müsse aber aus Kammersicht als Folge des Referendums auch sein: Das Gebiet des Kleinen Grasbrooks ist und bleibt Hafen- und Gewerbegebiet. Denn diese Zusage hatte der Senat der Wirtschaft gegeben, was bei ihr im Gegenzug dazu geführt hatte, die Olympia-Bewerbung des Senats mitzutragen. Es komme jetzt darauf an, das rund 120 Hektar große Gebiet so weiterzuentwickeln, dass es dem Hafen- und Logistikstandort Hamburg größtmöglichen Nutzen bringe. Dass in diesem Gebiet auch das künftige Deutsche Hafenmuseum beheimatet sein werde, bewertete Schmidt-Trenz als einen Glücksfall. Hier entstehe „eine Erlebniswelt rund ums Wasser“. Ausdrücklich lobte er den beherzten Einsatz der beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) für das Zukunftsvorhaben, so dass der Bund eine entsprechende finanzielle Zuwendung bewilligt. Zur Erinnerung: Berlin will rund 120 Millionen Euro zu dem Museum beisteuern, das am Rande des Kleinen Grasbrooks entsteht. Schmidt-Trenz betonte, dass die Handelskammer auch über die Grenzen des Stadtstaates hinaus ihr Gewicht einbringe, etwa mit dem Ziel, die Metropolregion Unterelbe weiterzuentwickeln.
Schmidt-Trenz: „Deren natürliche Standortvorteile kann man unter dem Slogan ‚Wasser, Wind und Flächen‘ zusammenfassen.“ Das Besondere an diesen Flächen sei, dass sie in der Nähe zum seeschifftiefen Wasser lägen, was für Industrieunternehmen erhebliche logistische Vorteile mit sich bringe. Dank des Windes lasse sich besonders preisgünstiger „grüner Strom“ erzeugen, der von den Unternehmen im Wortsinne auf kurzem Wege bezogen werden könne. Schmidt-Trenz erwartet daher für die Unterelbe-Region mittel-und langfristig eine „Renaissance der Industrie“. EHA