70 Jahre DBR: Flexibilität als Teil der DNA

Unternehmen für viele Transportaufgaben: die DBR. Neben Schüttgütern und Containern auch bestens geeignet für Schwergut und Projektladung, Fotos: DBR

Pionierleistung: Die DBR setzte schon frühzeitig auf Schubverbände

Musterbeispiel für Flexibilität: Schubboot der DBR im Hafen Hamburg, Foto: Arndt
Die ehemalige DDR (Deutsche Demokratische Republik), der andere Staat auf deutschem Boden, hatte in den Jahrzehnten bis zu seinem Zusammenbruch und der am 3. Oktober 1990 vollzogenen Wiedervereinigung ein durchaus leistungsstarkes Transportwesen aufgebaut.
Der Hafen Rostock etwa wurde zu DDR-Zeiten als Universalhafen zum „Tor zur Welt“ gebaut und ausgebaut, in Sassnitz-Mukran entstand bis Mitte der 1980er-Jahre ein respektabler Eisenbahnhafen, es gab mit der staatlichen DSR mit Sitz in Rostock ein auch international anerkanntes Schifffahrtsunternehmen, und auch in der Binnenschifffahrt hatte der andere deutsche Staat durchaus Interessantes vorzuweisen.
Über verschiedene Zwischenstationen entstand so das Unternehmen VEB Deutsche Binnenreederei Berlin. Dabei stand die Abkürzung „VEB“ für „Volkseigener Betrieb“. Wie alle Unternehmen und Bereiche begann nach der Wiedervereinigung der in der Rückschau in vielen Bereichen durchaus auch kritisch zu würdigende Privatisierungsprozess, koordiniert und ausgeführt durch die Deutsche Treuhandanstalt mit Sitz in Berlin.
Für die Binnenschifffahrt hieß das Ergebnis dieser Entstaatlichung: Die „Deutsche Binnenreederei (DBR) GmbH“ entstand so 1990. Das so geformte Unternehmen ging 1992 in Liquidation. Die Mitarbeiterzahl schrumpfte von rund 2.800 Mitarbeitern auf 440 Beschäftigte und 130 Auszubildende. Ende 1992 war die Flotte von insgesamt 1.042 Einheiten zu zwei Dritteln in ehemaligen Kiesgruben abgestellt. 80 Prozent der Aufträge der DBR kamen von Befrachtern aus Westdeutschland.
Am 1. Februar 1993 privatisierte die Treuhandanstalt die DBR an 22 mittelständische Unternehmer. Diese steckte erhebliche Mittel in die schrittweise Modernisierung des Schiffsparks. Der bestand aus zu einem nicht geringen Teil aus unterschiedlichen, zum Teil auf besondere Einsatzbereiche passgenau zugeschnittenen Schubbooten. Sie waren – und sind weiterhin – flexibel einsetzbar und können je nach Leistung gleich mehrere Schubleichter bewegen. Eine wichtige Bauwerft für diese „Schuber“, wie die Schubboote auch im täglichen Sprachgebrauch bezeichnet werden, war die VEB Yachtwerft in Berlin.
Durch die stärkere Motorisierung von Schubbooten und zugleich die Verbreiterung von Schubleichtern wurde die DBR-Flotte für neue Transportaufgaben gerüstet. Zudem wurde die Vermarktung der Tonnage wesentlich professioneller aufgestellt.
Teile der DBR-Flotte wurden zudem an sogenannte Haus partikuliere vermietet oder verkauft. Mehr als 200 Schiffe wurden an 120 meist ehemalige DBR-Schiffsführer veräußert, also privatisiert. Damit wurde das Fundament für neue mittelständische Strukturen in der Binnenschifffahrt in den fünf ostdeutschen Bundesländer gelegt.
Anfang 1995 startete die DBR in Kooperation mit den Elbe-Häfen Dresden, Riesa, Aken und Magdeburg regelmäßige Containerverkehre auf der Elbe nach Hamburg. Sie wurden schrittweise auch auf den Mittellandkanal nach Braunschweig, Hannover und Minden ausgedehnt. 1998 erfolgte die Umwandlung der „GmbH“ in eine „AG“. Seit April 2007 hat die DBR AG einen neuen Hauptaktionär. Es ist das polnische Logistik-Unternehmen OT Logistics S.A. mit Sitz im polnischen Stettin, bis Ende des Zweiten Weltkrieges der „Haushafen“ für Berlin.
Seit 2008 sind auch die Spedition Rentrans Cargo, ebenfalls in Stettin, die renommierte Spedition C. Hartwig Gdynia S.A., die Bahnspediteur STK S.A. in Breslau sowie die polnischen Ostsee-Häfen Swinemünde, Danzig, Gdingen und das schlesische Breslau in die OT-Gruppe eingebunden.
Die DBR wird von den Vorständen Piotr Śmierzchała (2016) und Adam Knobelsdorf (2017) als rechtlich selbstständige AG geführt. Die DBR disponiert heute rund 450 Einheiten mit einer Tragfähigkeit von mehr als 200.000 Tonnen.
Änderungen in der Energieversorgung der Berliner Kraftwerke versetzten der DBR 2017 einen schweren Schlag: Es ging ein erhebliches Transportaufkommen verloren, nämlich rund 1,5 Millionen Tonnen Braunkohle. Sie wurde bis dato im Berliner Kraftwerk Klingenberg „verstromt“. Kurze Zeit später wurde der Export von polnischer Steinkohle beendet und die Versorgung der Berliner Kraftwerke auf Importkohle aus Russland und Südamerika umgestellt. Da Ersatzmengen im Markt nicht zu bekommen waren, musste die DBR restrukturieren.
Nach und nach hat sich die Beschäftigungssituation seit 2018 wieder stabilisiert. „Dabei hat die Relation Berlin–Stettin mit Massengut wie Getreide, Futtermittel und Dünger deutlich an Bedeutung gewonnen. Positiv entwickelt sich auch der Containerverkehr zwischen Hamburg und den Hinterland-Stationen am Mittellandkanal“, freut sich der DBR-Chef. Nach Braunschweig fahre man mindestens sechs bis acht Mal pro Woche, nach Hannover habe man vier und nach Minden je drei wöchentliche Umläufe.
Auch wenn das Binnenschifffahrtsgewerbe aktuell vom Kohleausstieg betroffen ist, steht Piotr Śmierzchała zu den Beschlüssen der Umweltpolitik: „Der Klimaschutz kann ohne den Verkehrsträger Binnenschifffahrt nicht bewältigt werden, denn nur dieser verfügt in der Infrastruktur über ausreichend Kapazitätsreserven, um Mengen von anderen Verkehrsträgern zu übernehmen. EHA