Beim Bahnverkehr einsame Spitze in Europa

„Unterm laufenden Rad“: Wartungsarbeiten am Netz der Hamburger Hafenbahn, Fotos: Arndt

Jens Meier

Alles im Blick: Mitarbeiter im Stellwerk „Alte Süderelbe“
Während der Gesamtumschlag des Hamburger Hafens 2015 rückläufig war, hat die Hafenbahn an der Elbe im gleichen Jahr erneut ein Rekordergebnis eingefahren.
Darauf wies Jens Meier, Chef der Hamburg Port Authority (HPA), am Mittwoch hin. Damit starte die Hafenbahn, deren rund 300 Kilometer langes Netz in den Zuständigkeitsbereich der HPA fällt, geradezu ideal in ein ganz besonderes Geschäftsjahr. Denn 2016 besteht die Hafenbahn 150 Jahre. Als sogenannte „Quaibahn“ nahm sie am 11. August 1866 offiziell den Betrieb auf. Ein Datum, das damit den überlieferten Geburtstag der Hafenbahn darstellt.
2015 rollten über das Schienennetz der Hafenbahn insgesamt 45,8 Millionen Tonnen Ladung (2014: 44,4 Millionen Tonnen), was einem Zuwachs von gut 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch beim reinen Containertransport verlief die Entwicklung unter einem positiven Vorzeichen, während Hamburg als Ganzes beim Boxen-Umschlag sehr stark verloren hat. Mit 2,3 Millionen Standardboxen (2014: 2,2 Millionen TEU)wurden gut 2,8 Prozent mehr TEU transportiert.
Die erfolgreiche Entwicklung des Verkehrsträgers Bahn festigt nicht nur die Position Hamburgs als Europas Bahnhafen Nummer eins. Erstmals überholte der schienengeführte Verkehrsträger in Hamburg auch seinen starken Mitbewerber unter den Landverkehrsträgern, nämlich den Lkw. Damit stellt sich der Modal Split für den Hamburger Seehafenhinterlandverkehr, bezogen auf den Gesamtumschlag, 2015 so dar: Die Bahn kommt im Berichtsjahr auf einen Anteil von 45,3 Prozent, während sich der Lkw mit einem Anteil von 42,4 Prozent zufrieden geben muss. Das Binnenschiff belegt den dritten Rang mit einem Anteil von 12,3 Prozent.
Die positive Entwicklung des Verkehrsträgers Schiene gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn man noch einmal zehn Jahre zurückgeht. 2006 drohte der Hamburger Hafen mit seiner Hafenbahn quasi aufs Abstellgleis zu rollen. Das Netz war im Wortsinne heruntergefahren. Verkehrsabläufe wurden nachhaltig gestört. Das Not-Spektrum reichte von Gleisstilllegungen bis hin zu sogenannten „Langsamfahrstellen“ im Hafen, an denen die Züge mit gerade zehn Stundenkilometern über die maroden Gleise und Weichen holperten. Die Hafenwirtschaft protestierte aufs Schärfste, fürchtete sie doch negative Auswirkungen auf den Standort als Ganzes. Der damalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) zog in dieser Situation die Notbremse. Mit einem Sofortprogramm wurden die wichtigsten Notmaßnahmen eingeleitet.
Heute ist das nur noch Geschichte. Gerade unter der Ägide von HPA-Chef Jens Meier, seit dem 1. April 2008 im Amt, wurde die Hafenbahn runderneuert – und das „unter laufendem Rad“, so der Bahnjargon. Zugleich kümmert sich ebenfalls seit 2008 ein gestandener Bahner, nämlich Harald Kreft, um diesen Kernbereich der HPA. Kreft gehört ebenfalls der Geschäftsleitung an.
Unter den zahlreichen Meilensteinen der zurückliegenden acht Jahre ragen diese besonders heraus: Ers tens: Die großen Hafenbahnhöfe wurden technisch auf den neuesten Stand gebracht. Zweitens: Mit zentralen Brückenprojekten wie der neuen Rethe-Klappbrücke oder der zweiten, derzeit im Bau befindlichen Kattwyk-Brücke, die bis Ende der Dekade fertig sein soll, vollzieht die HPA die konsequente Trennung der landgebundenen Verkehrsströme aus Straßen- und Bahnverkehr. Damit wird der Verkehrsfluss im Hafen nachhaltig verbessert. Und auch das gehört dazu: Die IT-Strukturen wurden auch für den Bahn-Bereich umfassend verbessert. Last but not least: Die HPA führte ein modernes Trassenpreissystem – also ein Netzentgeltsystem für die verschiedenen Nutzer – ein, das auf „Anreize“ setzt. Nur ein Detail: Noch vor zehn Jahren nutzten Bahnkunden das Schienennetz im Hafen als preiswerten „Parkplatz“ nicht nur für einzelne Waggons, sondern für ganze Züge. Mit gravierenden operativen Folgen: Die Gleise wurden regelrecht verstopft, was zulasten der Produktivität ging. Das ist vorbei. Heute belohnt das System den schnellen Durchlauf. Oder: Der Einsatz umweltfreundlicher Loks und lärmarmer Waggons wird über das Entgeltsystem ebenfalls belohnt. Das Hamburger Trassenpreis-Modell ist inzwischen so innovativ, dass verschiedene Häfen, auch aus dem Ausland, es als Vorbild für eigene Systeme herangezogen haben.
Die Qualitätssteigerung der Hamburger Hafenbahn ist dabei noch lange nicht abgeschlossen. So plant die HPA zum Beispiel den Bau einer Lokservicestelle, an der Loks unter anderem optimal gewartet werden können. Eine moderne Waggonreparaturwerkstatt (Kosten: acht Millionen Euro) betreibt die HPA seit Oktober 2014, so dass Schadwaggons schnell und fachkundig repariert werden können. Immerhin: Täglich rollen durch den Hafen über 5000 Waggons aller Art.
HPA-Chef Jens Meier ist, was die Hafenbahn-Story betrifft, jedenfalls von einem überzeugt: „Wir haben über die ganze Zeit an der richtigen Stelle investiert.“ Allein im Zeitraum 2008 bis Ende 2013 hatte die HPA rund 200 Millionen Euro in die Hafenbahn investiert.
Der Bau einer Service-Plattform erfolgt auch vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Zunahme von Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), die eine Zulassung zum Hafenbahnnetz haben. 121 sind es aktuell – sechs mehr als im Januar 2015. Auch diese hohe Zahl hat einen entscheidenden Anteil an der positiven Mengenentwicklung bei der Hafenbahn. Die Zahl gewinnt noch zusätzlich an Bedeutung, wenn man ins Jahr 1994 zurückgeht: Damals trat die Liberalisierung des EU-Bahnverkehrs in Kraft, mit dem Ziel, neben den klassischen „Staatsbahnen“ auch private Mitbewerber zuzulassen. Hamburg hat diese Möglichkeiten wie kein anderer seiner Mitbewerber genutzt. HHM-Vorstand Egloff ist jedenfalls stolz, dass in Hamburg „die umweltfreundliche Schiene im Seehafenverkehr eine führende Rolle einnimmt“, und zwar deutlich vor den großen Mitbewerbern zumal aus der ARA-Region. EHA
