Zuverlässigkeit entscheidend für Verlader

Über den Erfolg eines Hafens entscheiden viele Faktoren: Die Beziehungen ins Hinterland gehören in jedem Fall dazu, wie sich einmal mehr auf der 1. Hafenhinterland-Konferenz der DVV Media Group in Nürnberg zeigte (THB 30. Oktober 2016).

Und die im Hinterland beheimateten Unternehmen aus der verladenden wie auch transportierenden Wirtschaft haben klare Wünsche an die Häfen, wie beispielsweise Hans Dekkers, Director ZF Group der ZF Friedrichshafen AG, deutlich machte.

Für das Unternehmen, das neben seiner deutschen Produktionspräsenz in Übersee 14 Werke betreibt, geht es im Jahr um rund 800 bis 900 mit sehr hochwertigen Autozulieferkomponenten bestückte Container. „Lieferzuverlässig“, so Dekkers, spielt eine ganz entscheidende Rolle. Gut zwei Drittel der Behältnisse entfallen dabei auf den Export. Dekkers: „Entscheidend ist nicht nur der günstigste Preis, entscheidend ist die Zuverlässigkeit – denn wir wollen das bereits verkaufte Auto bauen, dafür müssen die Komponenten just-in-sequence bei unseren Kunden sein. Prozessorientiert denken wir zusammen mit Speditionen darüber nach: Welches ist der optimale Weg? Dafür suchen wir Partner, die auch in zwei, drei oder vier Jahren unsere Partner sind.“ Grundsätzlich schreibe man den Spediteuren nichts vor, „aber wir diskutieren intensiv mit ihnen“.

Der Logistikexperte regte an, dass die Containerzüge von Nürnberg auch am ZF-Standort in Schweinfurt halten sollten, um weitere Ladung aufzunehmen: „Dann haben wir einen Tag mehr Zeit, das macht für uns viel aus.“

2017 werde ZF zusammen mit den Speditionen das Projekt angehen, Produkte vom Schweinfurter Westhafen bis nach Duisburg auf der Bahn mitzunehmen und dann weiter auf dem Binnenschiff in die Westhäfen, wenn es um Exportladung geht. Dekkers: „Wir wollen den bestmöglichen Weg gehen.“

Auch Wolfgang Bastert, geschäftsführender Gesellschafter der Barthelmes Display & Decoration GmbH in Fürth, hat klare Vorstellungen von optimal laufenden Verkehrsströmen. Und so sieht das Kerngeschäft für die Barthelmes GmbH aus. Sie beliefert Handelsunternehmen wie beispielsweise die Firma H & M Verkaufsraum-Inszenierungen, bezieht dafür die Ware überwiegend aus China und liefert weltweit. Bastert: „Wir brauchen meist saisongetimte Punktlandungen.“ Und weiter: „Gut 80 Prozent unserer Lieferungen sind kundenindividuell und davon wiederum bis zu 80 Prozent zeitkritisch. Da muss die Ware vom unserem Lager aus Shanghai schnell kommen und darf möglichst wenig kosten.“

Wobei Schnelligkeit in der Seeschifffahrt inzwischen durchaus ein kritisches Thema ist. Denn die gro ßen Container-Linienreedereien haben im Zuge der weiter schwelenden globalen Schifffahrtskrise Gefallen am „Langsamfahren“ („Slow Steaming“) gefunden. Bei seiner Einführung im Jahr 2009 zunächst als schnell wirksame Möglichkeit zur Kapazitätsbindung nicht benötigten Schiffstransportraums gedacht, ist „Slow Steaming“ inzwischen zu einer Dauereinrichtung geworden. Galten vor der Krise Reisegeschwindigkeiten von deutlich über 20 Knoten als erstrebenswert, um schnelle Rundläufe zu ermöglichen, so liegen die Reisegeschwindigkeiten heute zwischen 17 und 18 Knoten. Bastert weiter: „Klar tut uns Slow Steaming weh – denn gerade wenn Weihnachten kommt, zählt jeder Tag auf See, im Zoll muss es schnell gehen, beim Hafenumschlag und im Hinterland auf der S chiene.“

Luftfracht sei da nur die „ultima ratio“. Der Containerzug zwischen Europa und China sei mit seinen Transitzeiten in einer Bandbreite von 17 bis 20 Tagen zwar schneller als das Seeschiff. Bastert: „Aber fah ren Sie mal empfindliche Ware über 10.000 Kilometer auf hartem Untergrund. Da muss nicht nur die Verpackung genau stimmen, um Beschädigungen zu vermeiden.“ Sei Unternehmen habe die Transportalternative Bahn gerade im Testbetrieb. Perfekt wäre es aus seiner Sicht, „wenn die Reeder wieder schnellere Schiffe auf die Reise geben, die eine Woche gegenüber dem Slow Steaming Schiffen herausholen“, so Bastert.

Für die Siemens AG verantwortet Rüdiger Fromm als Head of Global Project Logistics die weltweite Logis tik. Dabei geht es regelmäßig um Stückgewichte mit 100 Tonnen aufwärts, zum Beispiel Tansformatoren. Fromms Anforderung an Binnen- und Seehäfen weltweit sind einfach und hören sich etwa so an: „Ist die Verladung eines 200-Tonnen-Kollos bei euch problemlos machbar oder nicht? Habt ihr genügend Schwimmkräne, die unsere Güter flexibel handhaben können? Und gibt es ausreichend Zeitpuffer zwischen der Anfahrt des Binnenschiffs und der Abfahrt des Seeschiffs?“

Fromm sagte, man lege sich bei den Häfen nicht auf ein, zwei oder drei fest. Vielmehr werde projektbezogen geschaut, was tatsächlich der beste Weg für das entsprechende Ladungsteil sowie entsprechende Zusatzkomponenten ist.

Was die Schwimmkran-Kapazitäten in den Häfen angeht, stößt das Unternehmen immer wieder auf unterschiedlich gut ausgeprägte Bedingungen. Fromm weiter: „Wir sagen immer: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wenn das Equipment da ist, können wir natürlich auch mehr über einen Hafen ziehen.“

Zum 5-Minuten-Pitch riefen die beiden Moderatoren der Fachveranstaltung, Mels Dees, Chefredakteur des Nieuws blad Transport (NT) aus Rotterdam, und Eckhard-Herbert Arndt, stellvertretender Chefredakteur des THB, die drei Spitzenvertreter aus Bremen, Robert Howe, Geschäftsführer bremenports GmbH & Co. KG, aus Hamburg, Wolfgang Hurtienne, Mitglied der Geschäftsführung bei der Hamburg Port Authority (HPA), und Emile Hoogsteden, Vice President Containers Breadbulk & Logistics beim Hafenbetrieb Rotterdam (HbR), auf die Bühne.

In dieser Runde wurden die Unterschiede bereits in der „Perspektive“ der Präsentation sichtbar. Denn während Howe und Hurtienne vor allem Zahlen zur eigenen Erfolgsgeschichte nannten, fokussierte sich der Niederländer Hoogsteden auf die Stärken des Industriestandortes Süddeutschland. Er spiele auch innerhalb der EU eine „Vorreiterrolle“.

Der Hafen Rotterdam werde in Kürze das Projekt „Navigate“ starten. Dabei handelt es sich um eine „eigene logistische Suchmaschine, die Angebot und Nachfrage zusammenführen“ werde. Hoogsteden weiter: „Navigate umfasst insgesamt 225 intermodale Verbindungen, short und deep sea, und die Gelben Seiten der Rotterdamer Unternehmen, da lässt sich alles von A bis Z über Rotterdam planen.“

In der anschließenden Diskussion hob Robert Howe die großen Investitionsvorhaben des Zwei-Städte-Bundeslandes in die Verkehrs- und Hafenwirtschaft hervor. Für Bremerhaven spiele beispielsweise die deutlich optimierte straßenseitige Anbindung des Container-Komplexes entlang der rund fünf Kilometer langen Stromkaje an das übergeordnete Fernstraßennetz eine große Rolle. So konnte nach vielen Jahren harten politischen Ringens schließlich der Cherbourger Tunnel in Angriff genommen werden. Ein Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von gut 200 Millionen Euro. Howe: „Wir müssen weiterhin unsere Hausaufgaben machen. Zudem spielt die Digitalisierung eine Schlüsselrolle, da kommt es darauf an, übergreifend zu denken. Eine solitäre IT-Lösung bringt gar nichts.“

Wolfgang Hurtienne schlug für Hamburg den Bogen zwischen Gegenwart und Vergangenheit unter anderem am Beispiel der Hafenbahn. Deren Gründung vor 150 Jahren wurde vor wenigen Wochen in großem Stil gefeiert. Heute präsentiere sich die zur HPA gehörende Hafenbahn in einem Top-Zustand, auch dank konsequenter Investitionen in leistungsstarke IT-Strukturen. Hurtienne weiter: „Wir sind ein starker Eisenbahnstandort, da entstehen jetzt digitale Lösungen über WhatsApp-Gruppen, um zum Beispiel Lokomotiven-Leerfahrten im Hafen zu reduzieren und neue Züge aufzunehmen. Von großen IT-Lösungen bis zu Graswurzel-Aktivitäten ist alles dabei.“

Und die Niederlande und Bahn? Rotterdams bahnseitige Lebensader ist die im Sommer 2007 in Betrieb genommene, rund 160 Kilometer lange Betuweroute. Sie endet bei Emmerich an der deutsch-niederländischen Grenze. Der 1992 per bilateralem Staatsvertrag besiegelte und von deutscher Seite zugesagte, leistungsgerechte Lückenschluss bis nach Oberhausen – eine Distanz von rund 60 Kilometern – ist jedoch bis heute nur teilweise umgesetzt worden. Durchaus zum Verdruss der Rotterdamer, die langfristig einen Leis tungsengpass im schienenseitigen Vor- und Nachlauf zum größten europäischen Seehafen befürch ten.

Gefragt, was er von dem langsamen Ausbau der Betuwelinie auf deutscher Seite halte und ob er nicht von der deutschen „Zuverlässigkeit“ enttäuscht sei, sagte Hoogsteden diplomatisch: „Das braucht einfach Zeit. Wir sind zuversichtlich, dass unsere deutschen Freunde das dritte Gleis bis 2023 ausbauen werden.“

Im zweiten Pitch des Tages präsentierten sich Elmar Ockenfels, Repräsentant des Hafens Antwerpen, und Didier de Beaumont vom Hafenbetrieb Amsterdam. Ockenfels erläuterte, der Hafen Antwerpen sei vor allem für die Regionen Rhein-Ruhr und Rhein-Main ein besonders hochwertiger Logistik-Partner. De Beaumont stellte die Bedeutung des Hafens Amsterdam als „größter Hafen zum Beispiel für die gesamte Bandbreite der unterschiedlichen Mineralerzeugnisse“ heraus. Zudem spiele der Umschlag von Steinkohle unter den klassischen Massengütern eine wichtige Rolle. Amsterdams Zukunftsprojekt stelle die neue Seeschleuse in Ijmuiden am Eingang zum Nordseekanal dar. Diese Schleuse werde die nautische Erreichbarkeit der Hafengruppe Amsterdam deutlich verbessern. Bereits 2018 soll die neue Seeschleuse in Betrieb gehen.

Auch ein Südhafen präsentierte sich auf der Hafenhinterland-Konferenz. Für den Hafen Triest sprach deren Vorsitzender Zeno D’Agostino. Er nannte die gute Erreichbarkeit per Zug und von der Adria aus. Zu den natürlichen Standortstärken gehöre der Tiefgang. Der liege immerhin bei gut 18 Metern. Der Hafen, der in diesem Jahr eine erneute Umschlagspitzenleistung erwartet, stehe vor umfangreichen Investitionen in verschiedene Hafen- und Logistikanlagen.

Zur Diskussionsrunde „Bayern und die Seehäfen“ kamen drei Experten zusammen: Armin Götz, Direktor Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr, IGE GmbH & Co. KG, zugleich Mitglied des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, Sebastian Lechner, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied im Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V., und Ralf-Charley Schultze, Präsident der Internationalen Vereinigung für den Kombinierten Verkehr, UIRR, in Brüssel.

„Eisenbahn-Rebell“ (O-Ton) Armin Götz fragte: „Wo soll der sich verdoppelnde Güterverkehr hin? Wir hängen Eisenbahn-infrastrukturmäßig hinterher.“ Lechner forderte, „den Kombinierten Verkehr so günstig, pünktlich und zuverlässig zu machen wie den Straßengüterverkehr“. UIRR-Topmann Schultze kritisierte, dass die Kosten der Schiene immer höher werden, die der Straße aber immer niedriger“. ajs/EHA

Hinterland will klare Logistiklösungen

Wer vor mehr als 30 Jahren eine Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann machte, für den endete die auch über die Berufsschule vermittelte Vorstellungswelt in der Regel am Kaischuppen als der Schnittstelle zwischen dem Hafen und dem Seeschiff. Mit diesem Blickfeld könnte man im Zeitalter der Globalisierung keinen Blumentopf mehr gewinnen noch einen Kunden erfolgreich akquirieren. Der Erfolg einer Reederei, eines Containerterminals und eines ganzen Hafens wird heute im Hinterland maßgeblich mit entschieden. Denn hier sitzen die Kunden, hier sitzt die verladende Wirtschaft, aber auch wichtige Player der transportierenden Wirtschaft. Sie wollen durch die Seehafenverkehrswirtschaft umworben, vor allem aber mit klaren Logistikleis tungen überzeugt werden. Wenn also ein Logistik-Top mann aus einem führenden deutschen Industrieunternehmen mit weltweiter Präsenz dar über im Kreise einer großen Hinterland-Konferenz klagt, dass es ihm in den großen norddeutschen Universalhäfen an der Verfügbarkeit ausreichend leistungsstarker Schwimmkräne mangelt, dann kommt das einem lauten Alarmklingeln gleich. Zugeben, das Defizit an sich ist zwar schon seit längerem bekannt. Doch gelöst wurde bislang noch nichts. Das werden dann gerne die Häfen übernehmen, die über entsprechende Kapazitäten verfügen. Die Veranstaltung in Nürnberg hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es in der Seehafenverkehrswirtschaft ist, mit seinen Kunden in einem echten Dialog zu stehen und seine Probleme und Forderungen ernst zu nehmen. EHA

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