Erweiterter Panamakanal wird eröffnet

Foto: Nordic Yards

Foto: Canal de Panamá, Die Schleusentore für den erweiterten Panamakanal sind in Italien gefertigt worden
Nach neun Jahren Bauzeit wird der erweiterte Panamakanal eröffnet.
Künftig sollen auch Frachter der Postpanamax-Klasse und Tanker mit Flüssiggas die Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik befahren können. Der Bau war eine wahre Materialschlacht im Dschungel.
Vor den Augen von Staatschef Juan Carlos Varela, befreundeten Präsidenten aus der Region, geladenen Gästen und Tausenden Schaulustigen wird die 300 Meter lange und über 48 Meter breite „Cosco Shipping Panama“ (9400 TEU) an diesem Sonntag durch die Schleusen von Cocolí fahren und damit den erweiterten Panamakanal einweihen. Die verbreiterte Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik soll eine neue Ära im maritimen Welthandel einläuten. Künftig können auch Frachter der sogenannten Postpanamax-Klasse mit bis zu 14.000 Containern den Kanal befahren. Bislang wurden nur Schiffe mit maximal 4400 Containern geschleust. Auch Tanker beispielsweise für Flüssiggas können bald die kosten- und zeitsparende Route durch den mittelamerikanischen Isthmus wählen, statt das unter Seefahrern immer noch gefürchtete Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas zu umschiffen.
„Der Trend geht schon seit Jahren zu immer größeren Schiffen, weil sie sich günstiger betreiben lassen“, sagt der stellvertretende Chef der Kanalverwaltung, Manuel Benítez. „Darauf mussten wir reagieren, sonst wären wir irgendwann für die Schifffahrtsunternehmen uninteressant geworden.
Damit der Kanal auch künftig in der globalen Wirtschaft mitspielen kann, haben die Panamaer eine wahre Materialschlacht im Dschungel angezettelt: Insgesamt wurden 150 Millionen Kubikmeter Erde und Geröll abgeräumt. An den neuen Schleusen an der Atlantik- und Pazifikseite verbauten die Arbeiter zwölf Millionen Tonnen Zement. 192.000 Tonnen Stahl kamen zum Einsatz – das entspricht 19-mal dem Eiffelturm in Paris. Während der vergangenen neun Jahre waren rund 40.000 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt.
Mindestens 5,25 Milliarden US-Dollar hat das Megaprojekt gekostet. Die Kanalverwaltung streitet sich mit dem Baukonsortium GUPC noch um nachträglich aufgelaufene Zusatzkosten in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar. Sollte sich die Firma mit ihren Forderungen durchsetzen, könnte der Ausbau noch einmal deutlich teurer werden.
Auf beiden Seiten des Kanals wurden neue Zufahrtskanäle ausgehoben und größere Schleusen gebaut. Zudem vertieften und verbreiterten Baggerschiffe die Fahrrinne. Künftig werden kleinere Schiffe die alte Route passieren, während große durch die neuen Schleusen fahren.
Zwischen 35 und 40 Schiffe werden jeden Tag durch den Panamakanal geschleust. Daran dürfte sich auch durch den Ausbau nichts ändern, doch die Schiffe werden größer. „Nach der Erweiterung können wir wieder 96 Prozent aller Schiffe weltweit schleusen“, sagt Mónica Martínez von der Kanalverwaltung. „Wir rechnen damit, dass wir den Frachtdurchsatz von derzeit 300 Millionen Tonnen pro Jahr auf 600 Millionen Tonnen verdoppeln können.“
Vom Kontrollturm in Cocolí auf der Pazifikseite überblicken die Schleusenwärter die neue Anlage mit drei Kammern. „Von hier aus lässt sich alles per Mouse-Klick steuern“, sagt Abdiel Julio von der Verwaltung. Jede Kammer ist 427 Meter lang, 55 Meter breit und 35 Meter tief. Die in Italien gefertigten Schleusentore brauchen zum Öffnen und Schließen rund fünf Minuten. Rund drei Stunden dauert es, die Schiffe rund 28 Meter auf das Niveau des Gatún-Sees anzuheben.
„Aus Sicherheitsgründen sind alle Systeme redundant angelegt. Die Schleusentore, die Motoren, die Elektrik und die Düsen“, sagt Julio. „Damit stellen wir sicher, dass wir auch bei technischen Problemen den Betrieb aufrechterhalten können.“ Komplett geschlossen wird der Panamakanal tatsächlich fast nie: Erst dreimal soll das in den vergangenen 100 Jahren vorgekommen sein.
Allerdings musste der Panamakanal zuletzt wegen Wassermangels die Zahl der täglichen Passagen drosseln. Im alten System fließt nach der Schleusung das gesamte Wasser ins Meer ab. Die neuen Schleusen verfügen über neun Auffangbecken. Jedes fasst so viel Wasser wie 18 olympische Schwimmbecken. Damit können künftig 60 Prozent des genutzten Wassers wiederverwendet werden.
Der Ausbau des Kanals in Panama hat Auswirkungen auf die maritime Wirtschaft in der ganzen Region. Zahlreiche Städte bauen ihre Häfen auf, damit dort künftig ebenfalls Schiffe der Postpanamax-Klasse anlegen können. Cartagena in Kolumbien investiert 800 Millionen US-Dollar, Callao in Peru 700 Millionen Dollar und San Antonio in Chile 440 Millionen Dollar. Innerhalb der USA dürften sich nach Einschätzung der Boston Consulting Group zehn Prozent der Containerankünfte von der West- an die Ostküste verlagern. dpa/FBi
Wasserstraße mit wechselvoller Geschichte
Der Panamakanal hat eine wechselvolle Geschichte und ist eng mit der Entwicklung des mittelamerikanischen Landes verbunden.
23. Februar 1903: Der US-Senat billigt das Abkommen zum Panamakanal.
1904: Das Ingenieurkorps des US-Heeres beginnt mit dem Kanalbau.
15. August 1914: Die „USS Ancon“ passiert als erstes Schiff den Kanal.
14. – 23. August 1928: US-Abenteurer Richard Halliburton schwimmt durch den Panamakanal und zahlt mit 36 Cent die niedrigste jemals entrichtete Passagegebühr.
12. Mai 1963: Nach der In stallation von Lampen am Culebra Cut und den Schleusen nimmt der Kanal den 24-Stunden-Betrieb auf.
9. Januar 1964: Bei Protesten gegen die US-Verwaltung des Kanals kommen 22 Panamaer und vier US-Bürger ums Leben.
29. Februar 1968: Betriebsamster Tag in der Geschichte des Panamakanals: 65 Schiffe passieren die Wasserstraße innerhalb von 24 Stunden.
7. September 1977: Unterzeichnung des Torrijos-Carter-Vertrags. Das Abkommen sieht die Gründung einer binationalen Verwaltung vor und schreibt die endgültige Übergabe des Kanals an Panama für 1999 fest.
22. Juni 1979: Das Tragflügelboot „Pegasus“ der US-Marine durchquert in zwei Stunden und 41 Minuten als schnellstes Schiff den Kanal.
1. Oktober 1979: Der Torrijos-Carter-Vertrag tritt in Kraft. Panama erlangt die Souveränität über sein gesamtes Staatsgebiet zurück.
20. Dezember 1989: Um den in Drogengeschäfte verwickelten Machthaber Manuel Noriega zu stürzen, marschieren US-Truppen in Panama ein. Der Verkehr im Kanal wird für über 29 Stunden eingestellt.
1994: Die Kanalverwaltung ACP wird geschaffen. Sie ist unabhängig, überweist aber einen großen Teil ihrer Einnahmen an die Staatskasse.
31. Dezember 1999: Die USA übergeben die Kanalverwaltung an Panama.
22. Oktober 2006: Ein Volksentscheid zur Erweiterung des Kanals wird mit großer Mehrheit angenommen.
3. September 2007: Beginn des Kanalausbaus.
Februar 2014: Wegen eines Streits um Zusatzkosten zwischen der Kanalverwaltung und der Baufirma GUPC werden die Arbeiten für zwei Wochen eingestellt.
15. August 2014: Der Panamakanal feiert 100. Geburtstag.
1. Juli 2015: Die Tests der neuen Kanal-Schleusentore beginnen. dpa/FBi