Euler Hermes: Kein Ende der Konsolidierung in Sicht

Die „Hanjin Europe“ sitzt seit fast zwei Wochen in Hamburg fest und kann nicht auslaufen (Foto: Behling)
Hohe Verluste, steigende Risiken und Insolvenzen werden weiterhin das Bild in der internationalen Schifffahrt bestimmen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Branchenanalyse des Kreditversicherers Euler Hermes. Zwischen Januar und Mai 2016 seien die Insolvenzen in der Branche im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zehn Prozent gestiegen. Ein Ende der Konsolidierung sei nicht in Sicht. „Die Branche leidet weiterhin an Überkapazitäten, Fracht- und Charterraten sind auf einem Rekordtief bei einem gleichzeitig schwächelnden Welthandel“, sagte der Chefvolkswirt von Euler Hermes, Ludovic Subran. Die Containerschifffahrt sei mit ihrer größten Krise konfrontiert.
Der Wert des Welthandels werde im laufenden Jahr um zwei Prozent schrumpfen – nach einem Rückgang um zehn Prozent im Vorjahr. Gleichzeitig werden noch Riesen-Containerschiffe ausgeliefert, die zu den Boomzeiten der Branche bestellt wurden und die Überkapazitäten vergrößern. Trotz aller Allianzen, Fusionen und Bemühungen um niedrige Kosten würden einige Reedereien erhebliche Verluste schreiben. „Das geht bei einigen an die Substanz, vor allem, wenn über den langen Zeitraum der Krise die Puffer bereits aufgebraucht sind“, so Subran.
Mit Hanjin war erstmals eine namhafte Branchengröße auf Grund gelaufen. Die koreanische Reederei steht mit mehr als 600.000 TEU an verfügbarer Ladekapazität im Liner-Ranking auf Position 7. Allerdings hat Hanjin wie die ebenfalls angeschlagenen HMM und ZIM im Gegensatz zu den Mitwettbewerbern keine offenen Aufträge für Schiffsneubauten mehr, stellt die Nord/LB in ihrem jetzt veröffentlichten Marktbericht für die Containerschifffahrt fest. Das sei insbesondere vor dem Hintergrund zu bewerten, dass das Unternehmen somit auch nicht zu dem Kreis derjenigen gehörte, die Schiffe mit mehr als 18.000 TEU in Auftrag gegeben haben. Die Megafrachter spielen speziell bei der Zusammensetzung der neuen Allianzen eine gewichtige Rolle.
Ratenniveaus unter Druck
Ein Blick auf die Flottenverteilung von Hanjin Shipping verdeutlicht ein Dilemma. „Mit einem geringen Feederanteil von nur fünf Prozent verfügt das koreanische Unternehmen schwerpunktmäßig über Schiffsgrößen zwischen 3000 und 7500 TEU“, so die Nord/LB. Allein 46 Prozent der Schiffe beziehungsweise 38 Prozent der Kapazität lägen auf diesem Subsegment. Speziell in den Panamax-Größen mit 3000 bis 5300 TEU waren die Ratenniveaus zuletzt jedoch deutlich unter Druck. Auf die Kategorie 7500 bis 10.000 TEU entfallen bei Hanjin weitere 22 Prozent beziehungsweise 33 Prozent an Ladevolumina. Die restlichen 12 Prozent der Hanjin-Flotte bestehen aus Großcontainerschiffen mit Kapazitäten zwischen 10.000 und 13.000 TEU. „Offensichtlich ist die verfügbare Schiffstonnage auch so unattraktiv, dass eine Übernahme durch einen anderen Top-Liner nicht angedacht wurde“, resümiert die Nord/LB.
Die Hanjin-Flotte sei zwar bezogen auf die Schiffsgrößen unattraktiv. Von einer überalterten Flotte könne jedoch keine Rede sein. 21 der 97 Schiffe und damit 22 Prozent liefen vor 2007 vom Stapel. Kapazitätsseitig sind das sogar nur 15 Prozent der verfügbaren TEU, da es sich überwiegend um kleinere Schiffe handelt. 85 Prozent der Volumina sind auf 78 Prozent der Flotte verteilt, die in den vergangenen zehn Jahren gebaut wurden. Dementsprechend ist eine Marktbereinigung durch Abwrackung im Rahmen der Insolvenzaktivitäten bei Hanjin unwahrscheinlich. Die Tonnage wird überwiegend zunächst weiter im Markt bleiben, schätzt die Nord/LB.
Mit einem Charter-Anteil von 61 Prozent verfügt Hanjin über einen relativ geringen Flottenbestand im Eigenbesitz. Das muss aus Linersicht kein Nachteil sein, insbesondere in einem Umfeld mit sehr niedrigen Charterraten. Es belastet jedoch den ohnehin stark unter Druck stehenden Chartermarkt. So nennt die Nord/LB die Hanjin-Insolvenz „für diesen Markt äußerst negativ“. Ob die ausstehenden Raten bezahlt werden, sei fraglich. Zudem seien Anschlussverträge kaum zu erwarten. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Insolvenzantrags waren 59 Schiffe von Hanjin eingechartert. Davon entfallen etwas mehr als drei Viertel der Tonnage auf nur fünf Unternehmen. Neben Ciner (10,5 Prozent), NSB (12,0) und Danaos (13,7) sind Peter Döhle (19,0) und Seaspan (21,6) am stärksten betroffen. fab