Sorgen um maritimen Standort Hamburg

Trotz Rückschlägen in der Vergangenheit hat der Standort Hamburg weiterhin gute Perspektiven, Foto: Arndt
Die Ereignisse der zurückliegenden Monate, vor allem der Insolvenzantrag der Reederei Rickmers Group, geben Anlass zur Sorge um den Schifffahrtsstandort Hamburg.
„Wir sind jetzt jahrelang schon auf einem Weg, dass wir viel maritime Kompetenz und viel maritime Aktivität verlieren“, bedauerte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) den dramatischen Schritt des 1996 von Bertram Rickmers gegründeten Unternehmens (THB 2. Juni 2017).
Der Hafen und die Schifffahrt sind immer noch Eckpfeiler der Hamburger Wirtschaft, doch die andauernde Branchenkrise geht auch an der Hansestadt nicht spurlos vorbei. Die Entwicklungen sind eindeutig, wie auch die Zahlen belegen. In seinen besten Jahren schlug der Hafen knapp zehn Millionen TEU um. Heute scheint sich das Volumen bei weniger als neun Millionen Standardcontainern einzupendeln. Der früher prognostizierte Jahresumschlag von 20 Millionen TEU gilt derzeit in der Branche als unrealistisch.
Und auch abseits der Terminals musste der Standort in der Vergangenheit Einbußen verkraften, das Vertrauen in die Schifffahrt ist sichtlich geschwächt. Banken fassen die Schiffsfinanzierung nur noch mit spitzen Fingern an. Wichtige Institute wie die Commerzbank oder die Deutsche Bank haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Die HSH Nordbank, einst größte Schiffsbank der Welt, sitzt auf 12 Milliarden Euro an alten Schiffskrediten und muss verkauft werden.
Die Traditionsreederei Hamburg Süd wurde bereits veräußert. Der Oetker-Konzern gab das Schifffahrtsgeschäft an den dänischen Marktführer Maersk Line ab.
Solche Akquisitionen, genauso wie Konsolidierungen und Insolvenzen, werden sich mittelfristig auch auf die Ausbildungsmöglichkeiten auswirken. Heute werden in Hamburg noch rund 60 Prozent aller deutschen Schifffahrtskaufleute ausgebildet. Diese Zahl könnte bald sinken; nach THB-Informationen gibt es dafür bereits erste Anzeichen.
Und auch der Werftensektor spürt die Auswirkungen der vergangenen Jahre. Die Hansestadt gehörte einst zu den Zentren des deutschen Schiffbaus, Blohm+
Voss zählte zu den Vorreitern. Doch die Werft wurde im vergangenen Jahr an die Bremer Lürssen-Gruppe verkauft. Neubauten sollen hier nicht mehr entstehen, rund ein Drittel der Arbeitsplätze sollen abgebaut und das Gelände verkleinert werden. Bei Sietas lief das letzte Containerschiff 2009 vom Stapel. Nach der Insolvenz übernahm die russische Open JSC Pella Group das Unternehmen. „Keine weiteren relevanten Schwächungen“ wünschte sich Horch in seiner Reaktion auf die Rickmers-Insolvenz. Und es gibt Hoffnung.Für die Werften liegt sie in Reparaturen sowie im Marine- und Spezialschiffbau. Bei den Reedereien zählt Hapag-Lloyd nach wie vor zu den fünf größten in der Containerschifffahrt. Und der Hafen gilt – trotz ausbleibender Elbvertiefung – wegen einer starken Hinterlandanbindung, beispielhaften Projekten in der Digitalisierung und hoher Zuverlässigkeit ungebrochen als Tor zur Welt – und in den wichtigen deutschen Markt. Hamburg hat weiterhin alle Chancen als maritimer Standort. Und international genießt die Hansestadt nach wie vor großes Vertrauen, wie zuletzt eine Studie der norwegischen Menon Economics belegte (THB 16. Mai 2017). ger/lno