Stärkste Ostsee-Sturmflut seit 2006

(Bild: Carsten Rehder)
Die stärkste Ostsee-Sturmflut seit zehn Jahren hat an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins Schäden in Millionenhöhe angerichtet. Die Schutzanlagen hielten aber den Naturgewalten am Mittwochabend stand, Menschen kamen nicht zu Schaden. Touristische Wahrzeichen, wie Rügens berühmte Kreidefelsen oder das Holstentor in Lübeck, blieben unversehrt.
Besonders getroffen wurden die Inseln Usedom und Rügen mit Abbrüchen an Steilküsten und Dünen. Die Seebrücke in Ahlbeck auf Usedom, bekannt aus dem Loriot-Film "Pappa ante portas", wurde leicht beschädigt. Schwerer traf es die Seebrücke von Koserow auf derselben Insel. Die Küstenstädte von Flensburg bis Stralsund kamen trotz sehr hoher Wasserstände glimpflich davon. Keller liefen voll, ebenso einige geparkte Autos. Überflutete Straßen waren gesperrt.
"Es war die stärkste Sturmflut seit 2006", sagte Jürgen Holfert, Leiter des Wasserstanddienstes Ostsee des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). An der Ostsee lagen vielerorts die Pegelstände am späten Mittwochabend zwischen 150 und 170 Zentimeter höher als üblich. In Lübeck wurden sogar 1,79 Meter und in Wismar 1,83 Meter gemessen. Nach dem Erreichen der Höchststände in der Nacht habe sich das Wasser im Vergleich zu früheren Sturmfluten nur langsam zurückgezogen, ergänzte BSH-Mitarbeiterin Ines Perlet.
Noch am Donnerstagmittag wurden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg vielerorts Wasserstände von etwa einem Meter über Normal gemessen. An einigen Küstenabschnitten stieg das Wasser sogar noch, etwa im Oderhaff und in der Darß-Zingster Boddenkette, wie Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) sagte. Grund sei, dass Wassermassen aus der Ostsee noch immer ins Landesinnere abfließen. Gefahren drohen dort aber offenbar nicht.
Soforthilfen
Backhaus kündigte zehn Millionen Euro Soforthilfen für die Beseitigung der Sturmflutfolgen in Mecklenburg-Vorpommern an. Mit einem Flugzeug soll am Freitag die gesamte Küste von Usedom bis zur Landesgrenze nach Schleswig-Holstein abgeflogen werden, um die Schäden zu dokumentieren.
Auf Rügen am Strand von Binz und Prora brach die Düne streckenweise in einer Tiefe von drei bis acht Metern ab, Strandaufgänge wurden im größeren Umfang zerstört worden, berichtete der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider. Der Kreidefelsen hielt stand. "Wir haben alles kontrolliert, es gibt keine Abbrüche", sagte Ingolf Stodian vom Nationalparkamt.
Auf Usedom hat die Sturmflut vor allem zwischen Zempin und Koserow größere Steilküstenabbrüche und Dünenabtragungen verursacht. "Wir haben vier bis fünf Meter Düne verloren", sagte der Koserower Bürgermeister René König bei NDR 1 Radio MV. Auch an der Seebrücke in Koserow habe es enorme Schäden gegeben. Der Binzer Bürgermeister Schneider geht allein in seinem Abschnitt von einem Schaden von etwa einer halben Million Euro aus. Er appellierte an das Land, den betroffenen Kommunen zu helfen. "Die Schäden sind extrem."
Kaum Schäden in Lübeck
Die Welterbe-Stadt Lübeck verzeichnete kaum mehr Schäden als bei einem durchschnittlichen Hochwasser. "Einige Häuser im Bereich Obertrave waren betroffen, aber das ist typisch." Das berühmte Holstentor blieb gerade noch von Wassereinbruch verschont, ebenso die höher gelegene Altstadt.
In Heiligenhafen schätzte Bürgermeister Heiko Müller bei einer Besichtigung den Schaden am Strand auf bis zu eine Million Euro. "Wir haben große Sandverluste im Dünenbereich." Aber der seit 2006 ausgebaute Hochwasserschutz habe sich bewährt. "Kein einziger Keller ist vollgelaufen, alles ist gut."
In der Welterbe-Stadt Wismar wurden mit einem Pegelstand von 1,83 Meter über Normal die höchsten Wasserstände während der Sturmflut gemessen. Dennoch gab es nach Einschätzung von Hafenkapitän Harald Forst nur geringe Schäden. Zahlreiche Straßen in Hafennähe standen unter Wasser, an manchen Stellen bis zu einem halben Meter. Im Hafenbereich der Altstadt liefen einige Keller voll, wie Stadtsprecher Marco Trunk sagte.
Hafenlokal beschädigt
Auch in Rostock wurden keine größeren Schäden verzeichnet. Ein Keller-Restaurant in Warnemünde lief aber voll Wasser, sagte ein Stadtsprecher. Die Fluten drangen in Häuser in Strandnähe ein wie bei Heikendorf oder Laboe (Kreis Plön). Teils drückte nach Polizeiangaben die Sturmflut an der Kieler Förde auch Boote auf Stege.
Die Hansestadt Stralsund, ebenso Unesco-Welterbe, meldete nur wenige Überschwemmungen. "Das Welterbe ist nicht in Mitleidenschaft gezogen worden", sagte ein Stadtsprecher. Es sei ein Glücksfall, dass Rügen vorgelagert wie ein Puffer gewirkt habe. Auch die Hochwasserschutzanlagen haben sich ausgezahlt. Seit Anfang der 1900er Jahren wurden allein in Mecklenburg-Vorpommern rund 400 Millionen Euro investiert, wie Minister Backhaus sagte.
Das für die Sturmflut verantwortliche Tief "Axel" ist inzwischen nach Russland weitergezogen. (dpa)