Weitere Flächen für schwere Brocken

Am Mukraner Offshore-Terminal werden Komponenten für Windparks auf See verschifft , Foto: Mukran Port

In Mukran werden aktuell Jackets für den Offshore-Windpark „Wikinger“ endmontiert, Foto: Thomas Schwandt
An der Ostküste von Rügen hat sich ein in der deutschen Hafenszene beispielloser Wandel vollzogen. Der vor 30 Jahren in Sassnitz-Mukran eröffnete Fährhafen emanzipierte sich inzwischen weitgehend vom Fährgeschäft.
Deutschlands östlichster Tiefwasserhafen im Sassnitzer Ortsteil Mukran fokussiert sich verstärkt darauf, Industrie- und Schwergüter zu verschiffen. Untermauert wurde der Wandel unlängst mit dem Baubeginn für einen weiteren Schwerlastkai im nördlichen Bereich des Hafens. An dem 95 Meter langen Kai des Liegeplatzes 10 wird sich eine 4500 Quadratmeter große Logistikfläche anschließen, die pro Qua dratmeter 20 Tonnen Gewicht aufnehmen kann. Unmittelbar dahinter erstreckt sich ein 12 Hektar großes Gewerbegebiet, aus dem Industrie- und Schwergüter direkt zur Schiffsverladung gelangen.
„Der Ausbau von unseren Schwerlastkapazitäten ist erforderlich geworden, weil unter anderem die Nachfrage zum Umschlag von Offshore-Komponenten ungebrochen ist“, benennt Harm Sievers, Geschäftsführer der Fährhafen Sassnitz GmbH, einen maßgeblichen Treiber der Entwicklung hin zu einem universellen Hafen und weg vom Fährgeschäft.
Erste Anzeichen für diesen gravierenden Strukturwandel hat es laut Sievers bereits 2004 gegeben. Da sei schon absehbar gewesen, dass „in Zukunft der Fährhafen nicht auskömmlich zu betreiben sein würde“. Insbesondere mit der in jenem Jahr erfolgten EU-Osterweiterung geriet der Fährhafen ins Hintertreffen. Zudem verlagerten sich die Güterströme gen Osten auf die Straße beziehungsweise auf polnische Häfen. Der „Knick“ folgte in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09. Von da an ging das „labile Fährgeschäft“ in Mukran dramatisch zurück. Entfielen zu besten Zeiten 95 Prozent des jährlichen Umsatzes am traditionsreichen Standort – seit 107 Jahren existiert die „Königslinie“ zwischen Sassnitz und Trelleborg in Südschweden – auf das Fährgeschäft, stürzte der Anteil inzwischen auf unter zehn Prozent ab. Seit Herbst 2014 verkehrt auf der „Königslinie“ nur noch eine Fähre der schwedischen Stena Line. Zugleich hatte Stena Line entschieden, alle Güterwaggons, die das Unternehmen zwischen Deutschland und Trelleborg transportiert, ausschließlich über den Seehafen Rostock abzufertigen. Auch die Russland-Destination nach Ust-Luga beschränkt sich mittlerweile auf sporadische Anläufe der Fähre „Petersburg“, die von der russischen Reederei Black Sea Ferry & Investments LLC eingesetzt wird.Auf diesen Bedeutungsverlust als Fährdestination hat die Fährhafen Sassnitz GmbH in der Außendarstellung reagiert. Seit Mai dieses Jahres agiert der einstige Fährhafen auf dem Markt als Mukran Port. Er empfiehlt sich insbesondere als Basis- und Servicehafen für die Offshore Windenergie. Geografisch liegt der Port besonders günstig, offeriert kurze Wege zu entstehenden und geplanten Windparks vor der Küste Vorpommerns. Rechtzeitig vor dem Baustart für den Offshore-Windpark „Baltic 2“ nordöstlich Rügens war im Südteil des Hafens ein erstes Schwerlast-Terminal entstanden. Das sechs Hek tar große Offshore-Terminal ist ausgelegt für Schwerlasten bis 50 Tonnen pro Quadratmeter und verfügt über 410 Meter Kailänge. Die tonnenschweren Komponenten für die Windkraftanlagen von „Baltic 2“ wurden auf dem Areal gelagert und vormontiert. Aktuell werden mit den Offshore Windparks „Wikinger“ und „Arkona“ zwei Projekte nahezu parallel über Mukran realisiert. Ein Umstand, der den Hafen zusätzlich zum Ausbau von Liegeplatz 10 motiviert hat. Der neue Schwerlastkai soll 2017, spätestens Anfang 2018 fertiggestellt sein. Dann könne der Hafen noch flexibler die Herausforderungen gleich mehrerer Projekte bewältigen, hebt Sievers hervor.
Doch wie einst der Hafen einseitig auf den Fährverkehr zugeschnitten war, möchte Sievers eine neue „Monokultur“ vermeiden. Deshalb werde die Offshore Windenergie „in der weiteren industriellen Entwicklung des Standortes“ lediglich einen Bereich abbilden. Sievers setzt vor allem auf In dus trie gü ter, die vorzugsweise auch vor Ort produziert werden. Erste Erfahrungen sammelte Mukran mit Stahlrohren für die Ostsee-Gaspipeline „Nordstream 1“. Diese wurden auf dem Hafengelände mit Beton ummantelt und zwischengelagert. „Das war die Initialzündung“, resümiert Sievers.
Im Hafen produzierende Unternehmen haben in Mukran den Vorteil, dass sie Rohstoffe und Zulieferteile per Schiff anlanden und gefertigte Industriegüter ebenso auf dem Seeweg abtransportieren können. So wurden in jüngster Vergangenheit vor Ort von der Strabag-Tochter Mobil Baustoffe 120.000 Tübbing-Betonelemente für den Ausbau des Kopenhagener U-Bahnnetzes hergestellt. Die türkische MIR Holding entschied sich unlängst, ihre Firmentochter Deutsche Bogenn GmbH in Mukran anzusiedeln. Im Werk, das derzeit errichtet wird, sollen Kunststoffrohre produziert werden. Gestartet wurde kürzlich auch die Herstellung von drei jeweils 40 Meter breiten und 20 Meter hohen Schleusentoren für den Nord-Ostsee-Kanal.
Ende August dieses Jahres zog Mukran Port einen weiteren „dicken Brocken“ an Land. Im Hafen werden ab 2017 wieder Rohre mit Beton ummantelt. Diesmal für die Ostsee-Gaspipeline „Nordstream 2“. Das malaysische Unternehmen Wasco Coatings wird in Mukran 90.000 Rohre ummanteln und lagern. Den zahlreichen Projekten sieht Sievers gelassen entgegen. Mukran Port hat sich in der Unternehmensstruktur längst auf die neuen Geschäftsfelder eingestellt. So wurde die Anzahl der Mitarbeiter auf 60 verdoppelt und eine neue Abteilung Hafenlogistik/Qualität gegründet. Dort arbeiten vor allem Ingenieure, die die Integration aller Hafenbereiche vor antreiben sollen. Ziel ist es, den Ex-Fährhafen zum multifunktionalen „Alleskönner“ zu transformieren.
Mukran Port
Die Fährhafen Sassnitz GmbH agiert seit Mai 2016 als Mukran Port. Dies verdeutlicht den Strukturwandel vom Fährhafen zum universellen Hafen. Mukran Port verfügt über 250 Hektar Industrieansiedlungsfläche und ist der östlichste Tiefwasserhafen Deutschlands. Er profiliert sich vor allem als Basis- und Servicehafen für die Offshore Industrie. Der jährliche Güterumschlag beträgt rund zwei Millionen Tonnen. Es bestehen reduzierte Fährdienste nach Trelleborg (Schweden) und Ust-Luga (Russland) sowie saisonal nach Rønne (Dänemark). Als einziger Hafen in Mitteleuropa ist Mukran Port in der Lage, russische Breitspurwaggons abzufertigen.