„Wir wünschen uns mehr Klarheit“

Diskutierten im Hafen-Klub Hamburg (v. l.): Dr. Thomas Zengerly (Shell Deutschland Oil), Jürgen Wollschläger (Raffinerie Heide), Dr. Hermann J. Klein (Carnival Maritime), Harro Booth (ElbOil), Dr. Martin Wilhelmi (Moderator) und Christian Rychly (Hafen-Klub), Foto: Arndt

Die Veranstaltung stieß in der Branche auf großes Interesse, Foto: Arndt
Dass die Änderung der Schwefelbegrenzung in der Schifffahrt allen Beteiligten auf den Nägeln brennt, zeigte sich allein schon an der Teilnehmerzahl: 130 interessierte Branchenvertreter kamen am Montagabend in den Hafen-Klub Hamburg, um zu erfahren, inwieweit die maritime Industrie auf die in weniger als zehn Monaten in Kraft tretende IMO-2020-Richtlinie vorbereitet ist. Doch noch ist vielfach unklar, auf welchen umweltfreundlichen Treibstoff Reedereien und Charterer in Zukunft setzen wollen, wie sich bei der Abendveranstaltung zeigte.
„Wir wünschen uns mehr Klarheit, wohin die Reise geht“, sagte Jürgen Wollschläger von der Raffinerie Heide mit Blick auf die Flüssigtreibstoffe mit 0,5 und 3,5 Prozent Schwefelanteil sowie Marine Gas Oil. Entsprechende Signale aus dem Markt erwarte er aber erst im vierten Quartal dieses Jahres, also unmittelbar vor dem Stichtag 1. Januar 2020. Wollschläger gab zu bedenken, dass die Umstellung auf einen anderen Treibstoff auch eine Umstellung der Logistik nach sich ziehe – und die dauere ihre Zeit. Die Raffinerie Heide empfiehlt den Einsatz des 0,5er-Treibstoffs und wolle diesen auch selbst in den Markt bringen. Aber auch die 3,5-Prozent-Variante könne durch den Einsatz von Scrubbern kompatibel mit den neuen IMO-Vorgaben sein.
Während Wollschläger in verflüssigtem Erdgas (LNG) nur eine Brückentechnologie sieht, nennt Dr. Thomas Zengerly von Shell Deutschland Oil es die „auf absehbare Zeit sauberste Lösung für die Schifffahrt“. Insbesondere dann, wenn dem fossilen LNG künftig auch Bio-LNG beigemischt werden könne. LNG habe großes Potenzial, die Treibhausgasemissionen bei Schiffen zu senken, sagte er mit Blick auf die aktuelle Studie „Verflüssigtes Erdgas – Neue Energie für Schiff und Lkw?“, die Shell im Februar in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Technischen Universität Hamburg (TUHH) in Berlin vorgestellt hat.
Der LNG-Studie zufolge ist verflüssigtes Erdgas derzeit die einzige ernsthaft diskutierte und marktreife Alternative zu ölbasierten Schiffskraftstoffen. Entsprechend gehen die Autoren davon aus, dass der Bestand an LNG-Seeschiffen bis 2040 deutlich rascher als der Gesamtbestand wachsen wird. Vor allem bei Containerschiffen werde eine dynamische Entwicklung erwartet. Passagierschiffen wie Kreuzfahrtschiffen und Fähren käme eine Pionierfunktion zu.
LNG möglichst früh und möglichst breit zu nutzen empfiehlt auch Dr. Hermann J. Klein von Carnival Maritime, denn „eine bessere und sauberere Technologie gibt es heute nicht“. Die zum Konzern gehörende Reederei Aida gilt im Cruise-Bereich als Vorreiter in Sachen LNG: Die im Dezember 2018 in Dienst gestellte „Aidanova“ ist das weltweit erste Kreuzfahrtschiff mit Flüssiggasantrieb. „Das zweite Schiff mit LNG-Antrieb kommt im Herbst, acht weitere sind in der Pipeline“, sagte Klein. „Wir haben uns selbst Druck gemacht mit dem Ziel, die saubersten Kreuzfahrtschiffe der Welt zu betreiben“, berichtete der Manager, der die Einführung der neuen Schwefelobergrenze als absolut richtig bezeichnete – auch, wenn die Schifffahrt dadurch deutlich teuer werde.
Bestmöglich auf die neuen Richtlinien eingestellt seien alle Schiffsbetreiber, die Scrubber an Bord hätten und verschiedene Treibstoffe nutzen könnten, erklärte Klein. Um die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, müssten gegebenenfalls aber zunächst die Tanksysteme separiert werden. bek