Cruise-Reeder müssen jetzt liefern

Meilenstein in der Geschichte der weltweiten Kreuzschifffahrt: Die neue „AIDAnova“ wird als erster Luxusliner von vornherein nur mit LNG betrieben, Foto: Meyer Werft
Die weltweite Kreuzfahrt-Industrie ist in der Masse noch weit davon entfernt, ihrem selbst zelebrierten Anspruch, eine umweltbewusste Branche zu sein, auch tatsächlich zu entsprechen. Sie muss liefern.
Diesen Rückschluss lässt das am Dienstag in Hamburg vorgestellte „Kreuzfahrt-Ranking“ des Umweltverbandes Nabu zusammenfassen. Es wurde in den zurückliegenden Wochen zum achtenmal in Folge erstellt. 76 moderne Kreuzfahrtschiffe wurden von den Experten vor allem im Hinblick auf saubere und damit umweltfreundliche Antriebstechnik hin unter die Lupe genommen.
Aus dieser Gruppe erkannten die Nabu-Experten lediglich für die „AIDAnova“ der in Rostock ansässigen Reederei Aida Cruises eine „saubere“ Technologie an. Symbolhaft verlieh der Nabu „grüne Schiffspropeller“ für saubere Technik. „Rote Propeller“ erhielten hingegen all jene Schiffe und Reedereien, die es aus Sicht des Verbandes beim Umweltschutz über Lippenbekenntnisse nicht weit hinauskämen.
Der jüngste Neubau der Kussmundflotte sollte planmäßig am Dienstagabend und damit deutlich nach THB-Redaktionsschluss auf der Papenburger Meyer Werft ausgedockt werden. Die „AIDAnova“ wird als erstes Kreuzfahrtschiff der Welt mit Flüssiggas (LNG) betrieben“, betonte Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Nabu-Bundesverband in Berlin.
Der neue Aida-Luxusliner, der noch ein Schwesterschiff bekommen wird, ist mit mehr als 2600 Passagierkabinen ausgerüstet. Nach den Restarbeiten und verschiedenen obligatorischen Probefahrten soll der Gigant dann Mitte November an die Reederei übergeben werden.
LNG sei zwar emissionsärmer als Dieselkraftstoff, doch der Nabu weist auch darauf hin, dass Flüssigerdgas in der Umweltbilanz von der Förderung bis zur Verbrennung her nicht unbedingt wesentlich vorteilhafter sei.
„Wir sehen die Branche am Scheideweg“, führte Dietmar Oeliger weiter aus. Reedereien wie besagte Aida Cruises aber auch die zum TUI-Konzern gehörende Hapag-Lloyd Cruises aus Deutschland gäben derzeit in Sachen „umweltfreundliche Antriebe“ den Takt vor. Bei den anderen Branchengrößen sehe es jedoch eher ernüchternd aus, findet der Nabu. „Jetzt sind auch die Wettbewerber gefragt, deutlich mehr in diesem Bereich zu investierten“, meint Oeliger.
Insgesamt sind nach Einschätzung des Nabu immer noch zu viele Schiffe ohne moderne Abgastechnik oder emissionsarmen Treibstoff unterwegs. Es sei ein Skandal, dass 2018 noch Schiffe auf den Markt kämen, die auf Schweröl ausgelegt seien.
Vor diesem Hintergrund müsse auch und gerade seitens der Politik mehr Druck auf die Cruise-Industrie aufgebaut werden, forderte Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim Nabu in Hamburg. Dabei sprach er sich sogar für einen radikalen Schritt aus: „Ein Einfahrverbot für dreckige Schiffe ab 2020 in den Häfen.“
Und auch Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller meinte, dass „mehr Hafenstädte und besonders schützenswerte Regionen endlich Einfahrverbote für schmutzige Kreuzfahrtschiffe verhängen“. Dass ein solcher Schritt umsetzbar sei, zeige Norwegen. So wolle die Regierung in Oslo verschiedene Fjorde, darunter zum Beispiel den weltberühmten Geiranger-Fjord in wenigen Jahren für Dreckschleudern vollständig dicht machen.
Siegert meinte weiter , dass „die Reeder ausreichend Zeit hatten, sich zu entscheiden, ob sie wirkungsvolle Abgastechnik an Bord installieren, saubereren Kraftstoff verbrennen oder sich extern mit Landstrom versorgen lassen.“ Nach seiner Überzeugung mangle es nicht an Möglichkeiten, „sondern am Willen der politischen Entscheider, der Kreuzfahrtbranche etwas abzufordern“, unterstrich er. Denn die enormen gesundheitlichen Gefahren von Schiffsemissionen seien nicht länger tragbar.
Der Branchenverband Clia machte indes deutlich, dass er auch bei diesem Ranking einen „wissenschaftlichen und nachvollziehbaren Ansatz“ erneut nicht erkennen könne. Der Verband betonte in seiner Stellungnahme, dass der Einsatz von Schweröl ohne entsprechende Filter an Bord in der Nord- und Ostsee bereits seit Einführung der SECA-Zonen im Januar 2015 verboten sei. Der Grenzwert für den Schwefelanteil im Treibstoff betrage für dieses Seegebiet 0,1 Prozent. Bis heute sei kein Verstoß durch ein Kreuzfahrtschiff dagegen festgestellt worden. Außerdem lasse die International Maritime Organization (IMO) vom 1. Januar 2020 an nur noch Treibstoffe zu, die maximal ein Siebtel des Schwefelgehalts von derzeit zulässigen Treibstoffen enthalten. Der Branchenverband ergänzte zudem, dass Kreuzfahrtschiffe weniger als ein Prozent der weltweiten Handelsflotte ausmachten.
Nach Clia-Angaben sind derzeit 111 (2017: 99) der weltweit eingesetzten 253 Kreuzfahrtschiffe der Verbandsmitglieder mit Systemen zur Abgas-Nachbehandlung ausgestattet. Mehr als jeder vierte Euro, den die Reedereien 2017 in Europa ausgaben, sei in den Schiffbau und in die Instandhaltung der Kreuzfahrtschiffe gesteckt worden. In Summe waren das 5,63 Milliarden Euro. EHA/dpa