Hintergrund: LNG erreicht jetzt auch Passagierschifffahrt

Fragt man derzeit in Häfen und bei Reedereien nach Lösungen für den Antrieb der Zukunft, erhält man fast reflexartig eine Antwort, die sich auf drei Buchstaben reduzieren lässt: LNG ist der Treibstoff, auf den die Schifffahrtsbranche setzt.

Das verflüssigte Erdgas bietet mit Blick auf Emissionen und Umweltschutz die größte Schnittmenge. Bei der Technik steht die Branche aber vor großen Herausforderungen.

Die Reederei AIDA Cruises ist als erstes Unternehmen der Kreuzfahrtbranche das Wagnis eingegangen und hatte bereits 2012 bei der Vorstellung der „Hyperion“-Klasse die Einführung von LNG als Treibstoff angekündigt. An Bord der beiden Neubauten aus Japan wurde jeweils einer der neuen M46-Motoren der Baureihe MaK aus dem Hause Caterpillar eingebaut. Die „AIDAprima“ erhält drei der bewährten MaK-M43C-Motoren und einen M46C, der mit Gas und Marinediesel gefahren werden kann. LNG ist zunächst auch bei AIDA nur als Ergänzung gedacht.

„Bei diesen Schiffen wird LNG als Treibstoff aber nur im Hafen genutzt, als Alternative zum Landstrom. Für den Einsatz als Antriebsmotor haben wir noch keine Genehmigung. Die dafür notwendigen Tanks sind nicht an Bord“, sagt Monika Griefahn, die Umweltdirektorin von AIDA. In der Tat liegt das Problem nicht etwa bei der Technik. LNG wird bereits bei mehreren hundert Schiffen als Treibstoff verwendet. Die 218 Meter lange und 57565 BRZ große „Viking Grace“ der Viking Line ist bislang die größte Fähre mit Dual-Fuel-Motoren für LNG als Treibstoff. Für Kreuzfahrtschiffe war das Thema bislang tabu. Die Kombination von 3000 Passagieren, 1000 Crewmitgliedern und einer Fülle sonstiger Technik zusammen mit großen Gastanks im Rumpf hat bislang noch keine Klassifikationsgesellschaft genehmigt. Für die „Hyperion“-Klasse bei Mitsubishi begann die Planung 2010. Zu diesem Zeitpunkt war die Umstellung auf Marinediesel der Schlüssel für mehr Umweltschutz.

Seit 2012 verbreitet sich LNG als Treibstoff-Alternative auch für große Schiffe. „Das ist der Grund, weshalb wir bei der nächsten Schiffsklasse die Umstellung komplett auf LNG planen“, sagt Griefahn. Dies wird die „Helios“-Klasse sein. Die ersten beiden Neubauten wurden im Frühjahr bei der Meyer Werft in Papenburg geordert. Derzeit läuft das Auswahlverfahren für die Antriebsmotoren dieser Schiffe.

Der Rumpf der im Frühjahr 2019 und 2020 in Papenburg zur Auslieferung anstehenden Schiffe wird über 320 Meter lang sein – mit den nötigen Reserven für den Einbau der LNG-Tanks. Die Technologie dafür wird mit der Klassifikationsgesellschaft erarbeitet, heißt es. Ziel sei es, als Vorreiter der Branche mit einem bahnbrechenden Schiffsdesign erneut ein Zeichen für den Umweltschutz zu setzen, sagt Griefahn. Mit dem Konzept „Green Cruising“ wird AIDA als weltweit erste Kreuzfahrtreederei ihre neue Schiffsgeneration zu 100 Prozent mit LNG betreiben. Dadurch werden die Emissionen von Ruß partikeln und Schwefeloxiden vollständig vermieden.

Die Versorgungssicherheit wird derzeit erarbeitet. Bis 2019 will AIDA Cruises für die in Nordeuropa einzusetzenden Neubauten eine durchgängige In frastruktur haben. Inwieweit dabei Rotterdam als Versorgungshafen eine Rolle spielt, steht noch nicht fest. Schon heute sind bei den Westeuropa-Routen von AIDA mit Zeebrugge und Rotterdam zwei Häfen im Programm, die über große LNG-Anlagen verfügen. In Deutschland setzt AIDA auf einen zügigen Ausbau der LNG-Versorgung.

Bei den Neubauten ist die Einführung von LNG leicht machbar. Aber wie sieht es mit der Bestandsflotte aus? Die Klassifikationsgesellschaft DNV GL hat eine Studie erarbeitet. Die Experten der Gesellschaft haben die weltweite Kreuzfahrtflotte untersucht. Rund 300 größere Kreuzfahrtschiffe wurden in Betracht gezogen. Die Flotte der Schiffe mit einer Vermessung von unter 40.000 BRZ hat inzwischen ein Durchschnittsalter von 26 Jahren erreicht und nähert sich in den kommenden 14 Jahren dem Ende der Lebensdauer. Diese Schiffe können deshalb die Investitionen in eine Nachrüstung nicht mehr refinanzieren. Ganz anders bei den größeren Schiffen. Die Flotte der Schiffe, deren Raumgehalt zwischen 40.000 und 69.000 BRZ liegt, hat ein Durchschnittsalter von 19,2 Jahren. Bei diesen Schiffen, zu denen auch die 252 Meter lange „Sphinx“-Klasse mit der „AIDAdiva“ gehört, können Nachrüstungen noch während der Lebensdauer refinanziert werden. Bei der „Vista“-Klasse, den sogenannten Panmax-Schiffen der Kreuzfahrt, sehen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch besser aus. Die Schiffe mit 69.000 bis 93.000 BRZ haben derzeit ein Durchschnittsalter von 13,4 Jahren und sind daher mit Blick auf die restliche Lebensdauer noch ideal für eine Nachrüstung.

Etwa 55 Prozent der Einheiten der fahrenden Kreuzfahrtflotte eignen sich laut der Studie für die Nachrüstung. Diese Schiffe sind zwischen 40.000 und 143.000 BRZ groß und noch nicht älter als 19 Jahre. Die ideale Art der Nachrüstung für ein Schiff der „Vista“- oder „Sphinx“-Klasse wäre demnach der Einbau einer kompletten Mittelsektion.

Die Studie legte ein fiktives Schiff mit rund 277 Metern Länge und einem Antrieb aus vier MAN-Motoren des Typs 12V48/60 mit je 12.600 Kilowatt zugrunde. Der Einbau einer 23 Meter langen LNG- und Maschinenraum-Sektion würde das Schiff auf 300 Meter verlängern. Zusammen mit vier neuen MAN-Dual-Fuel-Motoren des Typs 12V51/60 würden auch große LNG-Tanks in der Sektion verbaut. Durch diese Version würde der Einbau einer neuen Struktur erfolgen, was gerade die Anpassung der Versorgungs- und Treibstoffsysteme erleichtert, da sie von Grund auf wie ein Neubau entstehen. Dieser fertige LNG-Block könnte in etwa 30 Tagen in den Rumpf des Schiffes eingebaut werden. Die Kosten für die etwa 5000 Tonnen schwere Sektion (3000 Tonnen davon Stahl) liegen laut Studie nach heutigen Preisen bei 75 Millionen US-Dollar. Der größte Anteil davon entfällt mit 21 Millionen Dollar auf die vier Motoren. Der Einbau der beiden LNG-Tanks für 1500 Kubikmeter LNG beansprucht acht Millionen Dollar in der Kalkulation. Zum Vergleich: Der Einbau von Scrubbern für die Umrüstung der vier alten Maschinen liegt bei 20 Millionen Dollar.

Laut Studie birgt die Verlängerung mit der LNG-Sektion aber einen wesentlichen Unterschied. Während die Nachrüstung mit den vier großen Scrubbern wertvollen Kabinenplatz im Schiff kostet, bringt die Verlängerung zusätzliche Kabinen. Die 23 Meter lange Sektion böte bei einem 1000-Kabinen-Schiff eine Steigerung um 120 Kabinen. Ein Punkt, der bei der Refinanzierung besonders zu beachten wäre. Dadurch sehen die Macher der DNV-GL-Studie die Refinanzierung der Investition im Vergleich zur Nutzung von Marine-Gasöl in vier bis acht Jahren. Im Vergleich zu den Scrubbern hätte sich die Verlängerung nach spätestens neun Jahren durch die zusätzlichen Einnahmen aus den Kabinen amortisiert.

Noch haben sich die Eigner der vier großen Reedereigruppen Carnival, Royal Caribbean, MSC und Genting (NCL) nicht festgelegt. Die Perspektive für die Verlängerung scheint aber vor allem für jene Schiffe lohnenswert, deren Einsatzgebiete etwa in Skandinavien, Westeuropa, Alaska oder der Karibik liegen. Dort sind die Umweltauflagen hoch. Ganz im Gegensatz zu Fahrtgebieten in Asien, Südamerika oder Nahost. In diesen Regionen ist die Versorgungsmöglichkeit mit LNG noch nicht so gut, wie in Norwegen oder Nordamerika.

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