Box-Carrier bedrängen Mehrzweck-Frachter

Aufmerksam verfolgten die Teilnehmer die Fachvorträge

Musterbeispiel für „junge“ Tonnage im Multi-Purpose-Segment: der 2013 in China gebaute, 37.511 Tonnen tragende Mehrzweckfrachter „Green Moutain“ bei der Abfertigung am Süd-West Terminal in Hamburg (Fotos: Arndt)

Lucius Bunk
In das wertschöpfungsintensive Projektladungs- und Schwergutgeschäft drängen zunehmend auch die Betreiber von Bulker-Flotten, Containerlinienreeder oder auch Betreiber von ConRo- und RoRo-Frachtern.
Auf diese Marktentwicklung wiesen Schifffahrtsexperten am Montag auf dem „Via Bremen-Fachforum Projektlogistik“ in der Weserstadt hin. Es wurde zum dritten Mal in Folge durch die Hafen-Marketing-Organisation ausgerichtet und zog rund 120 Fachleute aus ganz Deutschland, im Besonderen aus dem breit gefächerten Logistik-Cluster, aber auch aus der verladenden Wirtschaft sowie dem IT-Sektor, der Forschung sowie Verwaltung in das „Haus der Bürger schaft“.
Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner stellte in seinem Grußwort klar, dass der Zwei-Häfen-Stadtstaat seine bereits erarbeitete und national wie international anerkannte Kompetenz auf dem Gebiet der Schwer- und Projektladung weiter ausbauen wolle: „Bremen hat ein großes Interesse daran, dass wir dieses Segment weiter stärken.“ Der Senat und die nachgeordnete Verwaltung wollen ihren Teil dazu beitragen, dass das auch gelingt, das heißt, für optimale Rahmenbedingungen sorgen. Der Senator wies beispielhaft auf straffe, schnelle und transparente Verfahren zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen im straßenseitigen Vor- oder Nachlauf hin. Da habe man in den zurückliegenden drei Jahren nach seiner Überzeugung bereits einiges zum Positiven bewegt. Doch dieser Prozess müsse fortgeschrieben werden. So gehe es zum Beispiel auch darum, die Bremer Polizei von ihren Begleitschutz-Aufgaben bei Großraum- und Schwerguttransporten (GST) zu entlasten. Güntner spielte damit auf den im Frühjahr 2016 gestarteten Pilotversuch im Nachbarland Niedersachsen an, wo Fachkräfte aus der Speditions- und Logistikindus trie für das Segment GST zu „Hilfspolizisten“ weiterqualifiziert werden. Sie entlasten die Polizei bereits sehr wirksam (THB 11. Januar 2017). Zu den besonderen Qualitäten der Fachveranstaltung gehört die gute inhaltliche Mischung aus Beiträgen von klassischen Schwergut- und Projektladungs-Dienstleistern und ihrem potenziellen Kundenkreis aus der Indus trie.
Lucius Bunk, Geschäftsführer bei der Briese Schifffahrts GmbH & Co. KG aus Leer, vermittelte ein aktuelles Stimmungsbild dieses Spezialsegments, vor dem die „nunmehr im 9. Jahr währende internationale Schifffahrtskrise“ ebenfalls nicht haltmache. Auch hier wurde im Vorfeld des Krisenjahres eine Vielzahl von Mehrzweckfrachtern, aber auch speziellen Schwergutschiffen bestellt. Zum einen in der Annahme eines sich weiter fortsetzenden Wachstumskurses in dieser Sparte, zum anderen wegen einer gewissen Überalterung der Flotte oder auch aufgrund von steigenden Anforderungen an das Leistungsvermögen von Kranen. Letzteres wiederum eine Folge von hohen Einzelstückgewichten der zu verschiffenden Komponenten aus dem Bereich Industriegü ter.
Inzwischen seien die im Vorkrisen-Zeitraum bestellten Schiffe weitgehend ausgeliefert und in Fahrt gebracht worden und müssten beschäftigt werden. Doch das gestaltet sich immer herausfordernder. So führe beispielsweise der bereits seit mehreren Jahren stattfindende Verfall der Energiepreise, allen voran bei Öl und Gas, dazu, dass die Energie-Unternehmen ihre Investitionen in die Erkundung und Erschließung neuer Energie zonen, on- wie auch offshore, deutlich zurückdrehten. Mit der Folge, dass entsprechende Verladungen von Großgerät und anderen, schwergewichtigen und überdimensionalen Gütern ebenfalls wegbleiben. Und auch das spüren die Projekt- und Schwergut-Reeder: Betreiber von Bulkern oder auch Containerfrachtern versuchen, Ladungsmengen zu generieren, Letzteres vor allem über den Preis. Und der spiele bei internationalen Ausschreibungen der Industrie eine immer größere Rolle. Bunk: „Damit geht am Ende wohl ein Teil des Marktes für die mit Mehrzweck- und Schwergutschiffen im Markt tätigen Reedereien erst mal verloren.“ Zu diesem Trend gehört auch, dass die verladende Industrie jetzt verstärkt versucht, ihre Erzeugnisse wieder zu „verkleinern“, heißt modul artig so zu bauen, dass sie Container-affin sind.
Hinsichtlich der Flottenentwicklung im Mehrzweck- und Schwergutfrachter-Segment wirke es sich derzeit immerhin leicht entspannend aus, dass praktisch keine Neubestellungen erfolgen. Bunk: „Doch die vielen jüngeren Schiffe sind jetzt erst mal im Markt und wollen beschäftigt werden.“
Was die Reederei-Vielfalt in diesem Segment angeht, erwartet Bunk auch hier, wie zum Beispiel in der Containerschifffahrt, so etwas wie eine Konsolidierung. Die Briese-Gruppe sieht er dabei sowohl hinsichtlich ihres Umfangs, der Leistungsklasse der Schiffe – in der Flottendisposition befinden sich dauerhaft knapp 140 Einheiten, eigene Schiffe wie auch eingecharterte Tonnage – als auch hinsichtlich der Marktstrategie gut positioniert. Dabei wirke sich das inzwischen ausgestaltete weltweite Netzwerk sehr positiv aus.
Auch daran ließ Bunk keinen Zweifel: Eine in der Mehrzweck- und Schwergutschifffahrt dringend erforderliche Markterholung, vor allem auskömmliche Frachtraten, scheint zweifelhaft für 2017. Hier wirken sich neben den genannten Faktoren wie Energiepreisentwicklung sicherlich auch politische Entwicklungen aus. Wie werde es mit der Globalisierung vor dem Hintergrund einer künftigen Regierung der USA unter Führung eines Präsidenten Donald Trump – „Trump-Faktor“ – weitergehen, die als größte Volkswirtschaft der Erde zunächst die eigene Industrie stärken wolle? Wie gehe es in Asien weiter, wo eine deutliche „Nachfragedelle“, vor allem in China, spürbar sei? Das alles strahle auf dieses Segment aus, so Bunk.
Kein Thema ist für das von ihm geführte Unternehmen die Verlängerung der Wertschöpfungskette dahingehend, dass die Reederei auch Vor- und Nachlauftransporte der Ladung übernimmt. Das überlasse man vorzugsweise der Logistik- und Speditionsindustrie oder auch der verladenden Wirtschaft.
Weitere Beiträge zur Veranstaltung folgen in den kommenden THB-Ausgaben. EHA