Hebewerk Scharnebeck wird zum Nadelöhr des Nordens
Der mehr als 40 Jahre alte Elbe-Seitenkanal (ESK) muss beschleunigt ertüchtigt werden, um als leistungsstarkes Infrastrukturglied im Seehafenhinterlandverkehr langfristig nutzbar und attraktiv zu bleiben.
Dafür macht sich ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft und auch Umweltverbänden stark, das am Donnerstag in Hamburg sein Anliegen am Rande der Wirtschaftsministerkonferenz vorstellte. Kernstück dieser Ertüchtigungsoffensive, die sich aktuell in einem gemeinsam unterzeichneten Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) manifestiert, ist dabei die Erneuerung des Schiffshebewerkes in Scharnebeck bei Lüneburg. Als dieses mit dem ESK seiner Bestimmung übergeben wurde, war es „state of the art“ und konnte problemlos alle gängigen kleineren und damals bereits erwarteten größeren Binnenschiffe aufnehmen. Inzwischen hat es jedoch seine Leistungsgrenze überschritten.
Gerade die heute üblichen Schubverbände zum Beispiel mit Containern müssen zeit- und kostenaufwendig getrennt und wieder zusammengestellt werden. Statt der heute verfügbaren 100 Meter langen Tröge sollen diese künftig bis zu 225 Meter messen.
Zudem stieg die Gütermenge in den zurückliegenden Jahren beständig an. Mit gut elf Millionen Tonnen wurde 2014 ein Allzeithoch registriert. Doch auch das kennzeichnet das sogenannte Aufstiegsbauwerk: Immer wieder sorgen technischen Störungen für Betriebsausfälle, die die Binnenschifffahrt und die verladende Wirtschaft empfindlich treffen. Der Bund entschloss sich daher zu einer umfangreichen Sanierung der beiden Schiffströge (Ost- und Westtrog). Doch das allein reicht nach Überzeugung etwa von Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch und seinem Ressortkollegen aus Niedersachsen, Olaf Lies, nicht mehr aus: „Ein Ersatzbau muss her“, lautet ihre konkrete Forderung. „Wir treten dafür ein, dass der Ersatzbau in den vordringlichen Bedarf im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) aufgenommen wird“, sagte Horch gestern im Hamburger Rathaus. Der große Infrastrukturrahmenplan soll zum Jahresende stehen. Und was bis dahin nicht mit einer entsprechend hohen Prioritätsstufe versehen wird, dessen Realisierung rückt in immer weitere Ferne. Geht es nur nach dem Bund, dann soll ein neues Schiffshebewerk – bislang war auch wiederholt die Rede von einem Ergänzungsbauwerk – auch vor dem Hintergrund der laufenden Sanierung erst um 2052 fertig sein. Doch das ist Lies und Horch, aber auch den Wirtschaftsverbänden, repräsentiert durch die Handelskammer Hamburg sowie die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg, sowie den beiden Umweltorganisationen BUND und WWF zu spät. Minis ter Lies: „Statt 2052 muss es aus unserer Sicht heißen: 2025.“
Er verweist darauf, dass „die niedersächsischen Wirtschaftsregionen Wolfsburg, Salzgitter, Braunschweig und Hannover auf einen leis tungsfähigen Wasserstraßentransport sowohl für Massengüter als auch für Container angewiesen sind“. Wenn jetzt nicht schnell gehandelt werde, dann werde sich Scharnebeck in den nächsten Jahren „zum absoluten Nadelöhr in Norddeutschland entwickeln“. Und auch Horch ist in Sorge: „Hamburg braucht als drittgrößter deutscher Binnenhafen und größter deutscher Seehafen leistungsfähige Hinterlandanbindungen, um das Wachstum der kommenden Jahre zu bewältigen.“ Die Baukosten für einen Neubau belaufen sich nach aktuellen Berechnungen auf gut 260 Millionen Euro.
Auch das ist für Horch und Lies ein wichtiges Argument für die Aufnahme in den vordringlichen Bedarf: Aufgrund seiner Bedeutung für den europäischen Binnenschiffsverkehr könnte der Neubau auch seitens der EU nicht unerheblich bezuschusst werden, und zwar im Rahmen des TEN-Programms für besonders wichtige EU-Infrastruktur. Das heißt, im günstigsten Fall könnte das Projekt aus Brüssel kofinanziert werden, deutete Lies an.
Der niedersächsische Ressortschef verwies ergänzend darauf hin, dass in den kommenden Jahren verschiedene Impulse zur Stärkung der Binnenschifffahrt im gesamten norddeutschen Wasserstraßennetz gegeben werden, so zum Beispiel über die Fertigstellung des sogenannten Stichkanals Salzgitter. EHA