Neues Hinterland-Konzept hat viele Gewinner

Zwei-Wege-Logistikkonzept: Massengutwaggons aus Österreich, die mit Containern beladen sind, auf dem Eurokombi-Terminal in Hamburg. In den Boxen befinden sich Stahlerzeugnisse, Foto: HHM/Eurokombi
Die traditionell sehr ausgeprägten Verkehrsbeziehungen zwischen dem Hamburger Hafen und Österreich bekommen einen weiteren, wichtigen Impuls.
Wie Hafen Hamburg Marketing (HHM) am Mittwoch bekannt gab, hat der Stahl- und Industriekonzern Voestalpine aus Linz ein neues Logistik-Konzept für Bahnverkehre mit unterschiedlichen Gütern von und nach Hamburg umgesetzt. Systempartner sind dabei das österreichische Speditionsunternehmen ILG Innovative Logistics Group und die Firma Logistik Service GmbH (Log Serv). Dabei handelt es sich um eine 100-Prozent-Tochter der Voestalpine. Deren Kerngeschäft stellt die Logistik dar.
Voestalpine transportiert mit Export-Stahlladung bestückte 20-Fuß-Standard-Container nunmehr in sogenannten „Offenen Hochbordgüterwaggons“ statt auf Container-Tragwagen aus der Alpenrepublik nach Hamburg. Die in technischer Hinsicht eher sehr einfach gehaltenen offenen Güterwagen sind bei vielen Bahngesellschaften in Europa vorhanden und laufen unter der technischen Bezeichnung „Eaos“. Die nutzbare Ladelänge innerhalb des Bord-Rahmens beträgt knapp 13 Meter, so dass in solche Waggons entweder zwei 20-Fuß-Container oder ein 40-Füßer verladen werden können. Die Waggons können mit bis zu 85 Tonnen beladen werden. Die Ladungssicherung von zwei Containern innerhalb des Waggons erfolgt im Bodenbereich über eine einfache, aber hoch wirksame Holzkonstruktion. Die Stahlladung selbst ist im Container gegen entsprechende physikalische Kräfte bereits optimal gesichert, was ja für den Seetransport unbedingt gefordert wird.
Normalerweise sind die „Offenen Hochbordwaggons“ für den Transport von klassischen Massengütern geeignet, also zum Beispiel Kohle oder auch Holz. Voestalpine nutzt diese Hochbordwaggons bereits für den Vortransport von Import-Kohle, aber auch von Erzen, die im Hamburger Hafen gelöscht und für die Stahlerzeugung als Rohstoffe benötigt werden.
Durch die nunmehr erfolgende Nutzung der gleichen Waggons für den Transport von Export-Ladung in Containern nach Hamburg können gleich mehrere positive Kosten-, Umwelt- und Logistik-Effekte erzielt werden: Zum einen wird das Rollmaterial optimal ausgelastet. Es werden „Leertransporte“ vermieden und damit wertvolle Trassen auf den sowieso schon stark frequentierten Nord-Süd-Achsen eingespart. Am Ende können über eine solche Logistiklösung auch Logistikosten wirksam gesenkt werden, was wiederum der Gesamtkalkulation etwa von Stahl-Exporten zugutekommt. Bekanntlich ist der internationale Stahlmarkt sehr hart umkämpft.
Die jetzt ausgearbeitete Logistik-Lösung zugunsten von Voestalpine ist nach THB-Recherchen auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Der Hafen Hamburg gewinnt jetzt nämlich Ladungsmengen zurück, die Voestalpine mehr als 25 Jahre lang über Rotterdam geroutet hatte, auch und gerade aufgrund von logistischen Vorteilen.
Der Vorlauf vom Maashafen nach Österreich erfolgte seit 1993 über den Wasserweg, und zwar über den Rhein beziehungsweise im weiteren Verlauf über den (Rhein-)Main-Donau-Kanal. Dieser wurde im September 1992 eingeweiht und eröffnete Rotterdam neue Märkte in Europa. Dieser Logistikweg funktionierte eigentlich sehr gut. Doch seit einigen Jahren wird die Binnenschifffahrt auf dem Rhein und darüber hinaus zunehmend mit erheblichen Wasserstandsschwankungen als Folge des Klimawandels konfrontiert. Vor allem Niedrigwasser ist ein wachsendes Problem, das man auch in Rotterdam mit großer Sorge verfolgt. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung: Logistikketten gerade für die Massengut-affinen Industrien entlang der Rhein-Schiene wurden empfindlich gestört, so dass sich die dortigen Wirtschaftsunternehmen nach alternativen Wegen umsehen mussten und weiterhin umschauen. Der Verkehrsträger Bahn ist dabei für die Industrie der große Hoffnungsträger.
Und genau mit diesem Trumpf kann der Hamburger Hafen jetzt ins Rennen gehen. Denn der Elbe-Hafen gilt weiterhin als größter und aufkommensstärkster Eisenbahnhafen in der EU. Aktuell haben bei der Hamburg Port Authority (HPA), in deren Zuständigkeitsbereich das Bahnnetz im Hafen fällt, 164 Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine entsprechende Zugangslizenz erhalten.
Der Waren- und Güterverkehr mit Österreich und dem Hamburger Hafen ist stark durch den Verkehrsträger Bahn geprägt. Im Wechselverkehr mit Österreich wurden 2019 nach HHM-Angaben rund 312.000 TEU auf der Schiene transportiert. Alexander Till, HHM-Repräsentanzleiter in Wien, zum THB: „Seit Beginn der Containerisierung ist der Hamburger Hafen der wichtigste Hafen für die Wirtschaft in Österreich.“
Die von Voestalpine beladenen, über Hamburg gerouteten 20-Fuß-Container, die mit Stahlerzeugnissen wie Coils oder Blechen beladen sind, werden vorzugsweise per Schiff nach China oder auch Südafrika weitertransportiert. Insgesamt werden 68 Container auf jedem Ganzzug mit den Hochbordwaggons transportiert. Der Zug verkehrt dabei einmal pro Woche zwischen Linz und Hamburg.
Im Hamburger Hafen erfolgt die Abfertigung der Containerverkehre am Terminal von Eurokombi, der in vergleichsweise kurzem Abstand zum Massengut-Terminal Hansaport liegt. Dort werden die Waggons dann mit Kohle beladen und auf die Rückreise nach Österreich geschickt. EHA