„NMK darf keine Schaufenster-Aktion werden"

Wer als gebietsfremdes Unternehmen nautisch-technische Dienstleistungen mit eigenen Booten oder Schiffen in deutschen Häfen erbringen will, dem sollte künftig zur Auflage gemacht werden, dass dies unter deutsche Flagge geschieht.

Dafür spricht sich Christine Behle, Mitglied im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, vor dem Hintergrund der jetzt in Friedrichshafen durchgeführten 11. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) aus. Behle weiter: „Andere EU-Staaten machen das mit Erfolg.“

Bei allen diesen Maßnahmen ist aus Sicht der Gewerkschaft die Infrastruktur in den Häfen zur öffentlichen Daseinsvorsorge zu erklären. Behle weiter: „Als öffentliches Eigentum dürften die Häfen nicht privatisiert und so der demokratischen Kontrolle entzogen werden. Denn nur so bleibt die Möglichkeit erhalten, die Beschäftigten in den Mittelpunkt des digitalen Veränderungsprozesses zu stellen.“

Auch über diesen Aspekt hinaus bewertet Ver.di den Verlauf und das Arbeitsergebnis dieser erstmals im Binnenland abgehaltenen NMK überwiegend kritisch. Man müsse einmal mehr aufpassen, dass solche Konferenz-Formate nicht zu einer „reinen Schaufensterveranstaltung“ mutieren. Verärgert ist die Gewerkschaft beispielsweise darüber, dass aus ihrer Sicht die deutschen Reedereien nicht beim Thema Arbeitsplatzsicherung für deutsche Seeleute oder die Nachwuchsentwicklung in die Pflicht genommen wurden – auch nicht durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die die NMK eröffnet hatte.

Das Ver.di-Vorstandsmitglied erinnert daran, dass nach Erhebungen der Gewerkschaft die Zahl der deutschen Seeleute in den zurückliegenden Jahren um die Hälfte zurückging. „Und das trotz umfangreicher staatlicher Förderung.“

Für Behle heißt das: „Die Förderung der Schifffahrt muss künftig an Beschäftigungseffekte und Ausbildungsangebote gekoppelt werden. Dazu brauchen wir Mittel, um die Ausbildungsinhalte der Seefahrtsschulen und weiterer Bildungsträger an die Herausforderungen des digitalen Wandels anzupassen.“

Im Rahmen der Automatisierung und Digitalisierung müsse die Bundesregierung zudem die Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz ausweiten. Behle: „Der Wandel der Arbeitswelt kann nur mit den Beschäftigten gelingen.“ Die Gewerkschaft habe dazu bereits einen konkreten Beitrag geleistet, und zwar über einen neuartigen, auch hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung zukunftsweisenden Tarifvertrag.

Der klar ausformulierten Unzufriedenheit von Ver.di stehen überwiegend positive Äußerungen zweier wichtiger maritimer Fachorganisationen gegenüber. Das gilt zum Beispiel für den Verband Deutscher Reeder (VDR), dessen Präsident Alfred Hartmann das in Friedrichshafen Erreichte so bewertet: „In der Analyse der schwierigen Situation der deutschen Seeschifffahrt, insbesondere im Blick auf die Rahmenbedingungen für ihre Wettbewerbsfähigkeit, waren sich die Beteiligten einig. Die Kanzlerin hat Recht: Wir müssen kämpfen. Jetzt kommt es auf die zügige Umsetzung in konkretes politisches Handeln an.“

Hartmann sieht in dem Auftritt der Kanzlerin am Bodensee einmal mehr einen Beleg dafür, „wie gut sie sich in den maritimen Themen auskennt.“ Mit ihrer Feststellung etwa, dass die Politik die Pflicht habe, für vernünftige Rahmenbedingungen zu sorgen. Für den Reeder-Chef ist das auch „eine deutliche Aufforderung, die Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Standortes nicht nur zu sichern, sondern auszubauen.“ Doch genau dabei habe Deutschland nach Überzeugung seiner Reederschaft einen erheblichen Nachholbedarf.

Hartmann verweist dazu auf die wichtigen EU-Schifffahrtsnationen und direkte Nachbarn Dänemark oder die Niederlande. Diese Länder böten ihren Reedern heute Rahmenbedingungen, die deutlich besser seien als in Deutschland. Hartmann nennt in diesem Zusammenhang ein aktuelles und die deutschen Reeder mit großer Sorge erfüllendes Ärgernis: „Die plötzlich neu eingeforderte Versicherungssteuer.“ Sie sei ein aktuelles Beispiel dafür, „wie Deutschland ins Hintertreffen gerät. Denn nirgends in Europa werden Versicherungen im Zusammenhang mit Schifffahrtsaktivitäten so hoch besteuert wie in Deutschland. Viele Staaten kennen so eine Steuer überhaupt nicht.“

Wie im THB berichtet, hatte Bundeskanzlerin Merkel diesen steuerlichen Aspekt in der ihr eigenen Art auch angesprochen, ohne allerdings zu konkret zu werden. Vielmehr räumte sie ein, dass die deutsche Steuerverwaltung zwar „ein Wert an sich“ sei, doch hinsichtlich ihrer Flexibilität und auch Geschwindigkeit, wenn es um erkannten und definierten Korrekturbedarf geht, nicht immer durch Dynamik überzeuge.

Sorgen bereitet dem VDR auch, dass es deutsche Reeder immer schwerer hätten, Projektfinanzierungen mit heimischen Banken zu verwirklichen. Hartmann dazu: „Die drei wichtigsten Schiffsfinanzierer für die deutsche Flotte haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Damit ist es für deutsche Reeder schwierig, Investitionen in nachhaltige und effiziente Schiffe zu finanzieren.“ Sofern hier keine tragfähigen neuen Konzepte für den Standort gefunden würden, werde der deutsche Anteil an der Welthandelsflotte und auch bei den nachgelagerten Dienstleistungen signifikant sinken. Der Reeder-Präsident: „Wir werden uns dazu mit der Bundesregierung zusammensetzen, um Lösungen zu entwickeln.“

Frank Dreeke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und in dieser Funktion auf der 11. NMK ebenfalls stets in der vordersten Reihe wahrnehmbar, bewertet die maritime Großveranstaltung im Süden der Republik für den Hafenwirtschaft mit dem Prädikat „zufrieden.“ Für ihn zählt, dass „.die Systemrelevanz und die Leistungsstärke deutscher Seehäfen deutlich geworden sind.“ Damit sei klar, dass Deutschlands Häfen am Ende auch „den wirtschaftlichen Erfolg“ dieses Landes mit ermöglichten, weil der seewärtige Außenhandel verlässlich und mit hoher Qualität über die norddeutschen Häfen abgewickelt werden könne.

Was für den VDR die „Versicherungssteuer“ ist, das ist für die Hafenwirtschaft das Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer. Und das bereits seit vielen Jahren. Dreeke warnt: „Wir dürfen nicht schlechter aufgestellt sein als unsere Nachbarländer.“

Zudem drängt der ZDS einmal mehr, beflügelt durch den Schwung in Friedrichshafen, darauf, dass „die öffentliche Hand weiter auf hohem Niveau in die Verkehrs- und Digitalinfrastruktur investieren muss“. Zudem müssten der neue Bundesverkehrswegeplan, das Nationale Hafenkonzept und die Maritime Agenda konsequent umgesetzt und das erfolgreiche Forschungsförderungsprogramm IHATEC fortgeführt werden.

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann, für den es die erste Teilnahme als politischer Spitzenvertreter auf einer NMK war, sagte dem THB: „Das hat mir schon gefallen, das muss ich sagen.“ Er hätte sich jedoch gewünscht, dass bei dem für verschiedene Häfen so wichtigen Thema Senkung der Erneuerbare-Energien-Umlage schon mal „was passiert wäre“. Ansonsten aber wurden nach seiner Wahrnehmung „alle wichtigen Themenfelder adressiert. Von daher ist das Gesamtergebnis ganz gut“, stellte er fest. EHA

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben