Ohne „VGM“ bleibt die Box auf dem Terminal stehen

Was hängt am Spreader? Verlässliche Angaben zum Gesamtgewicht einer Box sind für die Sicherheit unverzichtbar, Fotos: Arndt

Volles Haus: Über 320 Teilnehmer verfolgten aufmerksam die Fachtagung in Hamburg

Die Abkürzung „VGM“ beschäftigt die verladende und transportierende Wirtschaft: Die „Verified Gross Mass“ – das „verifizierte Bruttogewicht“ – wird vom 1. Juli an weltweit zwingend vorgeschrieben, damit der Container auch verladen werden kann.
Das war die zentrale Botschaft einer Fachtagung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zu Wochenbeginn in Hamburg. Das Thema „Bruttomassebestimmung von Frachtcontainern“ zog dabei rund 320 Vertreter aus der Seehafenverkehrswirtschaft an, darunter zahlreiche Mitarbeiter der operativen Ebene, also klassische „Praktiker“. Tagungsleiter Achim Wehrmann, Unterabteilungsleiter Schifffahrt im BMVI, hatte für die Veranstaltung Referenten gewonnen, die die Thematik aus ihren spezifischen Blickwinkeln beleuchteten, so zum Beispiel die Sichtweise einer Reederei, eines Terminalbetreibers oder der verladenden Wirtschaft.
Wie die Verwaltung mit dieser neuen, in das SOLAS-Abkommen eingebetteten Verpflichtung umgehen wird, stellte dabei Thomas Cre rar, Projektmanager bei der Dienststelle „Schiffssicherheit“ der BG Verkehr in Hamburg, dar.
Die rechtsverbindliche und zeitgenau zu erfolgende Angabe des Bruttomassegewichts ist aus Sicht der Reedereiwirtschaft keine bloße Zahlenliebhaberei, sondern ein entscheidender Beitrag zu mehr Sicherheit an Bord von Seeschiffen, aber auch bei den anderen Gliedern der heute sehr komplex zusammengesetzten Transport- und Logistikketten. Das deutlich zu machen, lag im Besonderen den beiden Vertretern der Reederei MSC, Franziska Golgrabe und Hubert Hoffmann, am Herzen. Sie hielten ihren Vortrag im Rahmen einer anschaulich gestalteten Gesamtpräsentation. Wie groß der Handlungsdruck ist, belegte Hoffmann mit einem recht aktuellen Unglücksfall an Bord eines Containerschiffes im Hafen von Jebel Ali (Dubai). Hier stürzte eine komplette, an Oberdeck gestaute Containerreihe in sich zusammen und dann ins Wasser, nachdem der Abschlusscontainer auf dieser insgesamt acht Lagen hohen Reihe abgesetzt worden war. Das Bittere im Nachhinein: „Im Zuge der Unfallermittlungen zeigte sich, dass der Container nicht, wie in den Frachtdokumenten angegeben, acht Tonnen wog, sondern über 20 Tonnen“, berichtete Hoffmann unter dem vernehmbaren Entsetzen zahlreicher Tagungsteilnehmer. Mit anderen Worten: „Das, was am 1. Juli passieren soll, dient einzig und allein der Sicherheit.“ Kritisch setzten sich die beiden Reedereivertreter mit der Tatsache auseinander, dass erst an der Schnittstelle Seehafen-Terminal/Containerschiff definitive Klarheit über das Gesamtgewicht eines Containers vorliegen soll. Im Zeitalter intermodaler Transportketten müssten eigentlich auch die anderen Verkehrsträger genau wissen, mit welchen Bruttogewichten sie unterwegs sind, so die Referenten.
Das „VGM“ sei wichtig, um darauf eine verlässliche Stauplanung für das Schiff aufzubauen, die einen sicheren Seetransport gewährleistet. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die verbrieften Masseangaben rechtzeitig bei der Reederei vorliegen. Wobei für den Carrier „rechtzeitig“ bedeutet: „Spätestens 24 Stunden vor der Verladung im Hafen.“ Verschiedene Wortbeiträge und Nachfragen aus dem Kreis der Tagungsteilnehmer zeigten, dass diese Zeitpunktfrage ganz offenkundig für viele Transportkettenbeteiligten von großer Wichtigkeit ist.
Die beiden Reedereivertreter legten auch die verschiedenen Meldemöglichkeiten für MSC dar. Demnach können die Daten sowohl als Teil der Buchung, als Buchungs-Update oder mit den Shipping Instructions per Eingabe auf der MSC-Website sowie in anderen elektronischen Formatierungen (xml, csv, txt, EDI etc.) übertragen werden. Auch eine Übermittlung durch den beauftragten Wiegebetrieb oder über die Buchungsplattform Inttra solle möglich sein. Das stehe in jedem Fall fest: „Ohne
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VGM
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können wir einen Container nicht verladen.“
Auch ein Terminalbetreiber wie die HHLA (Hamburger Hafen und Logistik AG) hat sich in den zurückliegenden Monaten mit großem Ressourceneinsatz auf das für die Weltcontainerschifffahrt wichtige Datum 1. Juli 2016 vorbereitet, betonte Birgit Schwarz, Projektmanagerin bei der HHLA. Auch sie stellte klar: „Kein Container soll ohne ein
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VGM
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auf das Schiff gehen.“ Wie bei den Reedereien soll in enger Abstimmung mit den verschiedenen Carriern die Stauplanung beim Terminal dienst leis ter erfolgen. Die frühzeitige Verfügbarkeit der VGM-Daten müsse daher gewährleistet sein. Ein Wiegeprozess im Einflussbereich des Terminals müsse angesichts der großen Containermengen – über die drei Hamburger HHLA-Terminals gehen im Jahr rund 6,5 Millionen TEU – auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Für Last-Minute-Boxen stünden auf den beiden großen Terminals am Burchardkai (CTB) und in Altenwerder (CTA) zwar Waagen zur Verfügung, doch deren Kapazitäten seien begrenzt. Immerhin: Die Hamburg Port Authority (HPA) plant einen neuen Lkw-Großparkplatz im Bereich „Dradenau“, wo ebenfalls eine Waage installiert werden soll. Die Einhaltung der neuen Bestimmungen wird in jedem Fall durch die Verwaltung, hier: die BG Verkehr, kontrolliert. Dabei werde man jedoch mit Augenmaß vorgehen, schließlich müssten Störungen des internationalen Warenverkehrs vermieden werden, so der Tenor. Auch das brachte die Hamburger Tagung: Schon jetzt wird zu einem späteren Zeitpunkt an eine Folgeveranstaltung gedacht, auf der dann erste Erfahrungen ausgetauscht werden sollen. EHA