See- und Luftfracht kämpfen mit globalen Überkapazitäten

Im Europa-Asien-Verkehr für Hapag-Lloyd im Einsatz: die „Antwerpen Express“ (13.000 TEU), Foto: Hasenpusch

Fliegender Leistungsträger für die Branche: die Boeing 777 in der Nur-Fracht-Variante , Foto: AeroLogic

Habben Jansen, Foto: Arndt

Peter Gerber, Oliver Detje und Rolf Habben Jansen (v.l.), Foto: Arndt
Wie in der Containerlinienfahrt gibt es auch in der globalen Luftfracht-Industrie einen deutlichen Transportkapazitäts überhang.
Das wurde am Donnerstagabend vergangener Woche auf einer Fachveranstaltung in Hamburg deutlich, die unter dem Leitsatz „Luftfracht meets Seefracht“ stand. Rund 100 Teilnehmer aus der Logistikbranche sowie Medienvertreter konnte Rolf Habben Jansen, Vorstandschef von Hapag-Lloyd (HL AG), in der Firmenzentrale am Ballindamm begrüßen. Als eines der weltweit führenden Unternehmen der Luftverkehrsindustrie war Lufthansa Cargo (LH Cargo) eingeladen worden, repräsentiert durch den Vorstandsvorsitzenden Peter Gerber. Moderiert wurde die mit Unterstützung der Plattform „Luftfahrt im Dialog“ realisierte Veranstaltung durch Oliver Detje, Verlagsleiter der DVV Media Group. An sogenannten „Nur-Frachtern“ stehen nach Einschätzung von Aircargo-Fachmann Gerber aktuell „mehr als 500 Maschinen“ herum. Während beschäftigungslose Schiffe vor allem in den Häfen oder in versteckten Buchten als Auflieger auf eine Anschlussbeschäftigung warten, würden Großflugzeuge zum Beispiel in abgelegenen Wüs tengebieten zwischengeparkt. Wie schnell und vor allem wie viele der mehr als 500 Frachtflieger kurz- und mittelfristig reaktiviert werden könnten, wollte Gerber nicht einschätzen. Ein wichtiger Grund: Der Lebenszyklus eines Flugzeugs, gerade einer Frachtmaschine, sei deutlich kürzer als der eines Seeschiffs. Damit nicht genug: Die Technologiesprünge in der Luftfahrt erfolgten wesentlich rasanter als in der Schifffahrt. Mit der Folge, dass Flugzeuge vergleichsweise schnell veralteten, was wiederum auch zulasten der Wirtschaftlichkeit gehe. Neben den reinen Nur-Frachtern würde Aircargo zudem in den speziellen Laderäumen der reinen Passagierflugzeuge – den sogenannten „Bellys“ – in Spezial-Luftfrachtcontainern transportiert, berichtete Gerber.
Wie die Seeschifffahrt erlebte auch die Luftfrachtbranche in den zurückliegenden 15 Jahren einen deutlichen Leistungssprung bei der reinen Nutzlast sowie bei den Flugzeugabmessungen. Das große Arbeitspferd in der globalen Luftfracht sei heute die Boeing B 777-F, auch „Triple 7“ genannt, berichtete Gerber. Sie habe klar die Nase vorn vor dem sogenannten Riesen-Airbus A 380. Der LH-Cargo-Chef geht davon aus, dass die Größenentwicklung bei den Flugzeugen damit bis auf weiteres abgeschlossen ist. Auch sein Dialogpartner, der gebürtige Niederländer Habben Jansen, sieht in der Containerlinienschifffahrt mit den aktuellen 20.000-TEU-Konzepten so etwas wie eine Leistungsobergrenze erreicht. Man dürfe auch nicht übersehen, dass sich mit den Großschiffen nicht nur Stückkostenvorteile ergeben, sondern auch operative Nachteile einstellten. „Nicht alle Häfen auf der Welt können diese Schiffe uneingeschränkt abfertigen, betonte Habben Jansen. Einmal mehr stellte er klar, dass sein Unternehmen noch keine Entscheidung zur Bestellung von Box-Carriern in der Größenordnung zwischen 18.000 und 20.000 TEU vorgenommen habe, sondern die Gesamtentwicklung weiter prüfe. Immerhin werde die Containerlinienschifffahrt mit einem Marktungleichgewicht be lastet. LH-Cargo-Chef Gerber berichtete, dass in der Luftverkehrsbranche beim Antrieb klar auf Zwei-Turbinen-Maschinen gesetzt werde, was mit der B 777 (siehe Foto) auch der Fall sei. Wie in der Seeschifffahrt profitiere auch die Luftverkehrsbranche vom niedrigen Öl- und damit Treibstoffpreis. An den Markt würden Treibstoff kostenveränderungen über Anpassungen in den entsprechenden Sonderzuschlägen „sehr schnell“, vergleichbar einem „BAF“ in der Seeschifffahrt, weitergegeben. Auf der anderen Seite würden niedrige Treibstoffpreise in der verladenden und transportierenden Wirtschaft entsprechende Begehrlichkeiten auch der reinen Frachtrate stimulieren, stellten Habben Jansen und Gerber übereinstimmend fest.
Dass die Luftverkehrsbranche größere Ladungsmengen auf Kosten der Seeschifffahrt gewinnen wird, schlossen sowohl Gerber als auch Habben Jansen aus. Luftfracht habe zwar einen klaren Zeitvorteil, doch habe dieser auch einen entsprechenden Preis. Zudem könnten wachsende Ladungsmengen wirtschaftlich – und auch ökologisch verträglich – nur mit dem Seeschiff transportiert werden. Gerber und Habben Jansen, die sich in dieser Konstel lation erstmals trafen, versprachen sich: „Wir werden den branchenübergreifenden Austausch fortsetzen. Denn wir können beide durchaus das eine oder andere voneinander lernen.“ EHA