To be or not to be … digital?

Längst ist die Digitalisierung für die maritime Wirtschaft zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Im Zuge des mit ihr einhergehenden Transformationsprozesses werden neue Verfahren vorangetrieben, die die Entwicklung und Produktion, aber auch den Schiffsbetrieb und die Hafenlogistik, zu erheblichen Effizienzsteigerungen führen sollen.

Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die verbesserte Erhebung und Zusammenführung aller relevanten Daten – sei es für die Navigation, den Schiffsbetrieb und die Ladung, oder für den möglichst reibungslosen und sicheren Weitertransport der Waren ins Hinterland. Aber auch die Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI), die digitale Energiesteuerung in den Häfen und optimierte Informations- und Kommunikationstechnologien stehen ganz oben auf der digitalen Agenda der Marktteilnehmer.

„Die Digitalisierung ist der entscheidende Treiber für Innovationen für die Prozesse und Systeme in der maritimen Transportkette. Sie wird das Zusammenwirken der Partner in der maritimen Logistik, die im Hafenumschlag und Transport eingesetzten technischen Systeme und Geräte sowie die Aufgaben und Arbeitsweisen der Menschen in den nächsten Jahren in erheblichem Maße verändern“, ist sich Prof. Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) sicher. Das Spektrum der dafür eingesetzten Technologien reiche dabei vom Internet der Dinge über mobiles und Cloud Computing, bis hin zu autonomen Systemen. Die größten Veränderungen und Verbesserungen für die Abläufe in den maritimen Transportketten erwarte er jedoch hinsichtlich der Konnektivität und des Einsatzes von KI.

Als Paradebeispiel im Themenfeld Konnektivität führt Jahn das IHATEC Projekt „Mission – Manage Information Seamlessly in Ports and Hinterlands“ an, das das CML in Zusammenarbeit mit der Lübecker Hafen-Gesellschaft, Lufthansa Industry Solutions sowie der Universität Lübeck entwickelt. Es solle zukünftig zu einer verbesserten Vernetzung aller beteiligten Akteure über Unternehmensgrenzen hinweg führen und sei bereits vielversprechend angelaufen. Die Technologiebasis für das Projekt bilden neutrale und offene Informationsmanagement-Anwendungen, durch die die Akteure, basierend auf vereinbarten Regeln, cybersicher und diskriminierungsfrei vernetzt werden. Die Datensouveränität und -haltung bleibt dabei in der Verantwortung der einzelnen Teilnehmer, die definieren können, wem sie welche Daten in welcher Form verfügbar machen. „Dabei können die Akteure selbst Dienste und Anwendungen betreiben, wodurch sich neben der Steigerung des Vernetzungsgrades auch Chancen für neue Geschäftsmodelle ergeben“, so Jahn.

Zum Thema „Künstliche Intelligenz“ hat er überdies gleich zwei erfolgversprechende Projekte in petto, bei denen die eingesetzten digitalen Technologien hilfreich für eine zielführende Auswertung großer Datenmengen seien. Diese gäben nachfolgend einen besseren Einblick in logistische, wirtschaftliche und technische Zusammenhänge und würden so helfen, die Arbeitsabläufe in den Häfen und in der Schifffahrt zu optimieren. So wurde im Rahmen von „Vestvind“, zusammen mit der Trenz AG, einem Anbieter von maritimen IT-Dienstleistungen mit Sitz in Bremen, ein Vorhersagemodell für Schiffsankünfte für deutsche Seehäfen entwickelt. Dadurch können die geschätzten Ankunftszeiten der Meeresriesen bis zu 72 Stunden vor Einlaufen zuverlässig vorausgesagt werden. Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen. Weitere sollen auf der Erfahrungsbasis angestoßen werden, bei denen die mittels KI generierten Informationen über die Schiffsbewegungen (zum Beispiel AIS- und Wetterdaten) so ausgewertet werden sollen, dass sie auch Aufschluss über Schiffsemissionen geben können. In ähnlicher Weise erfolgt das Vorgehen auch im CML-Projekt „Lkw Wartezeit prognose“. Hier wird KI genutzt, um Lkw-Wartezeiten an logistischen Knotenpunkten und Schiffsankunftszeiten im Hafen miteinander zu kombinieren. Die so gesammelten Daten können dann den Unternehmen an die Hand gegeben werden, um deren Lkw-Disposition zu verbessern. Soll heißen, dank dieses Tools sind sie nun besser und schneller in der Lage, auf Störungen bei der Lkw-Abfertigung, im Verkehrsfluss (zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall oder einer defekten Ampelanlage) sowie auf Verzögerungen im Schiffsanlauf zu reagieren. Diese Technologie wurde bereits erfolgreich für ein Leercontainer-Depot in Hamburg umgesetzt.

„Wir sind auf einem guten Weg, aber wir haben dabei erst einen kleinen Teil zurückgelegt. Denn mit den verschiedenen Ansätzen und den angestoßenen Projekten werden die immensen Potenziale der Digitalisierung erst ansatzweise genutzt“, fasst Jahn den aktuellen Status zusammen.

Wie weit die maritime Wirtschaft in Sachen Digitalisierung ist, das hängt für Jan Schmahl, Managing Director OOCL East and North Europe, maßgeblich von der Perspektive ab, die man einnimmt. „Mit dem elektronischen Datenaustausch via EDI sind wir nach aktuellem Maßstab auf einem guten Level. Aber im Prinzip stehen wir vor einer komplett zerklüfteten Landschaft, wenn es darum geht, den Anforderungen von morgen Rechnung zu tragen und alle Stakeholder vereinheitlicht in die Datenübermittlung einzubinden“, erläutert Schmahl. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat die in Hong Kong ansässige Reederei bereits im November vergangenen Jahres, gemeinsam mit weiteren Partnern, das Global Shipping Business Network (GSBN) ins Leben gerufen. Weiter konkretisiert hat sich diese Initiative im Juli dieses Jahres mit dem Abschluss eines GSBN Services Agreements durch die Unternehmen CMA CGM, COSCO Shipping Lines und COSCO Shipping Ports, Hapag-Lloyd, Hutchison Ports, OOCL, Port of Qingdao, PSA International und Shanghai International Port mit dem führenden IT-Dienstleister CargoSmart. Gemeinsam will man eine digitale Basis schaffen, die darauf abzielt, alle Beteiligten, einschließlich Spediteuren, Terminalbetreibern, Zollbehörden, Verladern und Logistikdienstleistern, miteinander zu verbinden, um „Innovationen und digitale Veränderungen in der Lieferkette zu ermöglichen“. Die Mitglieder des Konsortiums beabsichtigen dabei auf der Basis der Blockchain-Technologie eine Plattform und Standards zu etablieren, die den nahtlosen Austausch von Dokumenten und Daten über alle Phasen des Transportlebenszyklus hinweg erleichtern. „Momentan hat jeder Hafen, jeder Terminal und jeder Carrier eine individuell gestaltete Schnittstelle, um die für ihn relevanten Daten zu verarbeiten. Jetzt geht es darum, diese Schnittstellen zu vereinheitlichen, um nicht auf unterschiedlichen Landstraßen, sondern auf einer großen Datenautobahn in Richtung Digitalisierung zu steuern“, so Schmahl.

Auch DFDS hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen Teilnehmer an der Supply Chain über eine automatisierte und standardisierte Datenübermittlung noch effektiver miteinander zu vernetzen. Vor diesem Hintergrund hat die dänische Reederei die Digitalisierung als eine der vier tragenden Säulen der hauseigenen Strategie „Win 23“ definiert. Mit dieser will man sich bis zum Jahr 2023 erfolgreich für zukünftige Herausforderungen aufstellen. Doch schon jetzt sieht Gert Jakobsen, Vice President DFDS Group, sein Unternehmen gut vorbereitet: „Online-Bookings mit einem automatischen Preisangebot sind bei uns schon Wirklichkeit. Genauso, wie eine automatische Buchungsplattform für Lkw über den Ärmelkanal oder eine digitale Lösung mit der der Kunde sicherstellen kann, dass seine Frachteinheiten unter den ersten sind, die für die gewünschte Destination verladen werden.“ Außerdem sei DFDS Teil eines aktuellen Digitalisierungsprojektes mit Volvo in Göteborg. In dessen Zuge würde man darauf hinarbeiten, den dortigen Terminal so vorzubereiten, dass man möglichst bald mit autonomen Fahrzeugen kommunizieren könne. „Die fahrerlosen Lkw sind schon am Horizont zu sehen und werden schneller kommen als die autonomen Schiffe“, ist sich Jakobsen sicher. Deshalb sei es auch eine der Hauptaufgaben der Häfen und Terminals, sich auf diese Entwicklung vorzubereiten. „Wichtig ist für alle Digitalisierungsprozesse, dass die Verantwortlichen auf die gesamte Supply Chain schauen und nicht nur Teillösungen entwickeln“, so Jakobsen.  bre

Hinweis: Eine ausführlichere Fassung dieses Artikels ist auch in der Dezember-Ausgabe des LOGISTICS PILOT zu finden

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