BSU-Bericht mit Mängeln
Der BSU-Bericht über die Havarie der „Glory Amsterdam“ vom 6. März enthält erhebliche Mängel. Abgesehen von Wiederholungen über den Sprechfunkverkehr zwischen den beteiligten Akteuren, der misslungenen Schleppleinenübergabe und dem problematischen Absetzen des Boarding-Teams vermisst der sachkundige Nautiker und Bergungsexperte unmittelbar nach dem Festkommen des Schiffs elementar wichtige Angaben über Hochwasserstände/Tidehub und bordeigene Maßnahmen zur Tiefgangverringerung.
Am 29. Oktober 2017 kommt die „Glory Amsterdam“ gegen 18 Uhr fest – 36 Minuten nach dem örtlichen Hochwasser auf der 5-Meter-Tiefenlinie. Zur Hochwasserzeit um 17.24 Uhr betrug der Langeooger Pegelstand nach BSH-Angaben 6,80 Meter. Am 30. Oktober betrugen die Pegelstände zu den Hochwasserzeiten um 6.13 und 19.15 Uhr 6 Meter und 5,90 Meter. Der Tidehub Langeoog beträgt 2,69 Meter mit reduzierten Werten Richtung offene See.
Tiefgang der „Glory Amsterdam“: vorn 4,34 Meter, achtern 7,10 Meter, das heißt mit entsprechendem Umpumpen von Ballastwasser oder Treibstoff wäre ein mittlerer Tiefgang von 5,72 Metern zum Aufschwimmen des Havaristen erzielt worden. Dieser Tiefgang hätte allein mit dem Lenzen der halben Ballastwassermenge um mehr als einen Meter verringert werden können.
Vor dem Aufschwimmen des Frachters hätte allerdings eine Leinenverbindung mit der „Mellum“ (Tiefgang 5,75 Meter) hergestellt sein müssen, um ein weiteres landnahes Verdriften der „Glory Amsterdam“ zu vermeiden. Die „Nordic“ mit einem Tiefgang von sechs Metern ist offenbar am 29. Oktober abends entlassen worden, ebenso wie die drei Schlepper „Bugsier 9“, „Bugsier 10“ und Schlepper „Jade“(Tiefgang 5,87 Meter). Der 30. Oktober wäre für diese Operation optimal gewesen, da der Sturm inzwischen nachgelassen hatte und die noch vor Ort weilende „Mellum“ mit dem On-Scene-Commander an Bord (OSC) und einer Schleppkraft von rund 100 Tonnen Pfahlzug den Havaristen mühelos hätte aus der Gefahrenzone Richtung offene See verschleppen können. Bei der Schleppleinenübergabe (Länge maximal 1000 Meter) von der „Mellum“ auf den Havaristen hätte der inzwischen entlassene Seenotrettungskreuzer „Herrmann Marwede“ mit seinem relativ geringen Tiefgang von 2,80 Metern und seiner hohen Maschinenleistung von nahezu 9250 PS assistieren können. Dieser Bergungsplanung wurde allerdings nicht entsprochen, weil in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober ein Bergungsvertrag zwischen der Reederei der „Glory Amsterdam“ und der niederländischen Bergungsfirma geschlossen wurde.
Die Antwort auf vorstehende Ungereimtheiten ist im Bergungsrecht zu finden, denn der Berge- bzw. Hilfeleistungslohn wird nach dem Personal- und Geräteaufwand, aber auch unter Berücksichtigung des einzugehenden Berger-Risikos festgelegt. Im vorliegenden Fall wurde die Erwartung eines lukrativen Einsatzes natürlich erst mit dem verspäteten Eintreffen der beiden niederländischen Hochseeschlepper erfüllt. Das Havariekommendo hätte hier rechtzeitig eingreifen müssen; eine Verzögerung war angesichts der bedrohlichen Landnähe des Havaristen nach meiner Einschätzung nicht zu rechtfertigen.