„Die See ist gewaltiger als der Mensch“

Wilma Landmann mit den Original-Namensschildern des DGzRS-Kreuzers in Termunterzijl

Der Seenotretter Hinrich Pick (l.) mit einem Modell der „Adolph Bermpohl“. Er fand das in der Nordsee treibende Boot

Fotos: DGzRS, P. Neumann,
Jeder Seenotretter weiß: Kein Einsatz ist frei von Risiken. Jede noch so moderne Technik kann den unvorstellbaren Gewalten der See unterliegen.
Der Öffentlichkeit schmerzlich bewusst wurde dies beim Unglück der „Adolph Bermpohl“ am 23. Februar 1967, vor 50 Jahren. Damals verloren drei zuvor gerettete niederländische Fischer und vier Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ihr Leben.
Wilma Landman (71) streicht im Hafen von Termunterzijl über das Namensschild des Schiffes, auf dem sie ihren Ehemann Jakob Vos damals in Sicherheit wähnte. Die Seenotretter haben die Originalschilder des Seenotrettungskreuzers „Adolph Bermpohl“ und ihres Tochterbootes „Vegesack“ an den Ort gebracht, an den der Fischkutter „Burgemeester van Kampen“ nie zurückkehrte.
Der Kutter geriet am 23. Fe bruar 1967 im Orkan vor Helgoland in Seenot. Zwar retteten die vier Seenotretter der „Adolph Bermpohl“ die drei Fischer. Doch vor der Rückkehr in den sicheren Hafen kamen alle sieben ums Leben: die Fischer Jakob Vos (28), Schelto Westerhuis (27) und Rommert Bijma (32) sowie die Seenotretter Vormann Paul Denker (54), Hans-Jürgen Kratschke (27), Otto Schülke (53) und Günter Kuchenbecker (38).
Sieben DGzRS-Einheiten waren an diesem Tag im Einsatz, auch die erst anderthalb Jahre zuvor in Dienst gestellte „Adolph Bermpohl“. Mit starkem Wasser einbruch hatte die „Burgemeester van Kampen“ nördlich von Helgoland „Mayday“ gefunkt. Nichts deutete während und nach der Rettung mit dem Tochterboot „Vegesack“ im Funkverkehr auf das bevorstehende Unheil hin. Die erfahrenen Seenotretter meisterten die Lage in der fürchterlich tosenden See mit beeindruckender, unerschütterlicher Ruhe. Sie meldeten die erfolgreiche Rettung der Fischer und hoben den Seenotfall auf.
Vermutlich jedoch war die Verfassung der Schiffbrüchigen derart schlecht, dass sie es wagen mussten, die Fischer, entgegen der ursprünglichen Absicht, von der „Vegesack“ auf die „Adolph Bermpohl“ zu übernehmen. Nur auf dem Seenotrettungskreuzer selbst war eine Versorgung in geheizten Räumen möglich. Dabei muss eine fürchterliche Grundsee die beiden Schiffe überrollt haben, die die Männer in die Tiefe riss und das Tochterboot unter dem Seenotrettungskreuzer begrub. Die Küstenfunkstellen riefen die „Adolph Bermpohl“ ununterbrochen. Es kam keine Antwort mehr.
In der Morgendämmerung fand der Helgoland-Versorger „Atlantis“ den beschädigten, aber auf ebenem Kiel treibenden Seenotrettungskreuzer südlich von Helgoland. „Diese Momente neben dem dunklen Schiff, ohne zu wissen, ob nicht doch noch einer schwer verletzt drin liegt, das ist mit die schlimmste Erinnerung, die ich habe“, sagt Hinrich Pick (75), damals Steuermann der „Atlantis“. Ein Frachter fand am nächsten Tag das kieloben treibende Tochterboot. Beide Schiffe waren menschenleer. In der Seeamtsverhandlung wurde festgestellt, dass die erfahrenen Seenotretter keine Chance hatten. Die Rettungseinheiten seien außergewöhnlichsten Beanspruchungen gewachsen, aber: „Hier war die Natur gewaltiger als der Mensch.“
2016 wurde in Termunterzijl ein Denkmal für alle auf See gebliebenen Fischer aufgestellt. Darauf sind auch die Namen der vier deutschen Seenotretter zu lesen. pk
Gedenken
Am heutigen Donnerstag findet in der St.-Nicolai-Kirche auf Helgoland eine Gedenkandacht der Seenotretter statt. Beginn ist um 14 Uhr, so dass für Besucher die An- und Abreise per Fährschiff möglich ist.
Die Seenotretter der dgzrs
Die DGzRS ist zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hält sie rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote auf 54 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten einsatzbereit – rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2000 Einsätze, koordiniert von der Seenotleitung Bremen der DGzRS (MRCC = Maritime Rescue Co-ordination Centre). Die gesamte unabhängige und eigenverantwortliche Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen finanziert, ohne Steuergelder. Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen mehr als 84.000 Menschen aus Seenot gerettet oder vor drohenden Gefahren bewahrt. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident.