„Erst musste etwas passieren, damit jetzt reagiert wird“

Die weiterhin nachwirkende Havarie eines der weltweit größten Containerschiffe auf der Elbe bei Lühesand lässt die Kritiker von Großcontainerschiffen kräftigen Rückenwind verspüren.

Der Kritik konzentriert sich dabei auf die Beherrschbarkeit der schwimmenden Stahlgiganten im Falle von Havarien, und zwar von der aktuellen, kontrolliert herbeigeführten Grundberührung – um noch größeren Schaden zu vermeiden – bis hin zu einem Großfeuer auf hoher See.

Für den Hamburger Schifffahrtsexperten Prof. Dr. Ulrich Malchow steht nicht erst seit dem Vorfall mit der „CSCL Indian Ocean“ fest: „An der gesamten deutschen Küste steht kein geeignetes Bergungsgerät zur Verfügung, um die Ladung von festgekommenen Containerschiffen wirkungsvoll zu leichtern. Grundsätzlich betrifft dies Containerschiffe aller Größen. Es tritt jedoch im Fall des jetzt havarierten Großschiffes besonders ekla tant zu Tage.“ Malchow, der im Centre of Maritime Studies der Hochschule Bremen wirkt, sagte dem THB: „Dieser Umstand ist seit Jahren bekannt. Wie immer gilt auch hier: Es muss erst etwas passieren, bevor eventuell reagiert wird.“

Pikant: Die Problematik von Havarien bei Mega-Carriern war erst wenige Tage vor dem Ereignis Thema eines Experten-Workshops im Rahmen des 54. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar. Der Blick der Fachleute war dabei auf das Vorgehen in einem Brandfall gerichtet. Denn die gesamte Feuerlöschtechnik verharre weiterhin auf einem Niveau wie vor vier Jahren, so der Tenor der Experten.

Wie Malchow weiter betonte, wären jetzt für den Containerumschlag geeignete Schwimmkrane mit hoher Umschlagleistung, geringem Tiefgang sowie ausreichender Höhe und Auslage erforderlich, die in der Lage wären, auch an solchen Großcontainerschiffen wie der „CSCL Indian Ocean“ arbeiten zu können. Malchow sagte weiter, dass ein Mega-Frachter wie der aktuelle Havarist aufgrund seiner großen Breite „aus Stabilitätsgründen kaum noch Ballastwasser benötigt“. Die Folge: „Daher muss eine Leichterung über die Ladung erfolgen.“

Indes gibt es nach Malchows Überzeugung „schon seit einigen Jahren“ eine technische Lösung. Sie trägt die Bezeichnung „Port Feeder Barge“. Sie könnte für derartige Havariefälle „auch ideal als Bergungsgerät eingesetzt werden“, da sie genau den Anforderungen entspreche. Die Umsetzung lasse aber weiter auf sich warten, da dem kommerziellen Einsatz im Hamburger Hafen bislang „noch operationelle Hürden“ entgegenstehen.

Unterdessen konzentrierten sich vor dem Wochenende die Arbeiten am Havaristen auf das Abpumpen von rund 2700 Tonnen Schweröl und Gasöl. Das federführende Havariekommando geht aktuell davon aus, die erhöhte Flut am Montag oder Dienstag für einen neuen Freischleppversuch nutzen zu können. Am heutigen Montag ist Neumond und damit Springtide, in der das Wasser 30 bis 40 Zentimeter höher aufläuft. Über das Havariegebiet wurde ein Flugverbot verhängt, um den ungehinderten Zugang für Einsatzfahrzeuge zu sichern. EHA/dpa

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