Faktor „Glück“ ersetzt kein Großgerät

Am 3. Februar 2016 sorgte die Havarie des Großcontainerschiffs „CSCL Indian Ocean“ auf der Elbe in Höhe Grünendeich für einen Großeinsatz von diversen Spezialkräften.

Der Vorfall, ausgelöst durch einen gravierenden technischen Fehler in der Ruderanlage des Schiffes, gab auch den Anstoß für die Diskussion um die „Beherrschbarkeit“ von Havarien mit Mega-Carriern. Dr. Ulrich Malchow. Schifffahrtsexperte aus Hamburg, beschäftigt sich in einem aktuellen Beitrag für den THB mit der Frage, welche Lehren bis heute aus diesem Vorfall gezogen wurden.

„Auch wenn der Anblick spektakulär war, musste man ganz nüchtern feststellen: Weder die Größe des Schiffes noch die Gegebenheiten des Reviers waren ursächlich für den Havarieeintritt. Trotz seiner extremen Größe – 399 Meter Länge und rund 59 Meter Breite – war die 2015 gebaute „CSCL Indian Ocean“ (IMO 9695157) mit einem Tiefgang von weniger als 12 Metern im Prinzip tidenunabhängig unterwegs. Allerdings ist die Schiffsgröße nicht ohne Auswirkung auf die Bergungsbemühungen und Havariefolgen. Es war nur dem professionellen und umsichtigen Agieren der Lotsen und der Revierzentrale zu verdanken, dass der Havarist zum einen auf ebenen und weichem Grund relativ sicher fest kam und zum anderen auch ohne den Verkehr auf der Elbe empfindlich zu behindern.

Die Havarie war auch insofern glimpflich verlaufen, als dass auf eine Leichterung der Containerladung schlussendlich verzichtet werden konnte. Nur sehr glückliche Umstände – Springtide mit windbedingtem Wasserstau – haben bewirkt, dass die „CSCL Indian Ocean“ nur in „homöopathischer Dosis“ geleichtert werden musste. Heißt: Nur rund 6500 Tonnen, das heißt das gesamte Ballastwasser und fast alle Treibstoffvorräte, von ursprünglich rund 150.000 Tonnen Verdrängung. Sodann gelang es, auch nach umfangreichen Baggerarbeiten, mit gewaltigen 1000 Tonnen Pfahlzug den Havaristen schließlich wieder freizubekommen.

Es hatte allerdings nicht viel gefehlt und man hätte einen Teil der Containerladung doch leichtern müssen, wenn das Schiff nur etwas mehr Tiefgang gehabt hätte oder der Wasserstand zum Zeitpunkt der Strandung nur etwas höher gewesen wäre.

Mit dem Vorfall zeigte sich auch, dass man auf eine derartige Situation denkbar schlecht bis gar nicht vorbereitet gewesen wäre, da an der gesamten deutschen Küste kurzfristig kein geeignetes Bergungsgerät verfügbar ist, das die Container aus der 8. Lage an Deck eines derartigen Giganten hätte aufnehmen können. Zur Verdeutlichung: Die obersten Container hätten aus einer Höhe von rund 54 Meter gegriffen werden müssen. Das entspricht ungefähr der Durchfahrtshöhe der Hamburger Köhlbrandbrücke. Aber was hätte zum Havariezeitpunkt zur Verfügung gestanden? Die in Hamburg und Bremerhaven stationierten Schwimmkrane waren/sind im Hinblick auf Hakenhöhe oder Ausladung längst nicht ausreichend. Vielfach wurde der Einsatz von Offshore-Installationsschiffen diskutiert, die sich neben dem Havaristen auf ihren Beinen „hochjacken“ könnten und mit ihrem Schwergutkran sodann die Leichterung der Container vornehmen könnten. Dazu ist festzustellen: Einerseits sind diese Schiffe zumeist in langfristiger Beschäftigung, die nicht ohne weiteres spontan abgebrochen werden kann.

Andererseits haben die Installationsschiffe mit ihrem eigenen Tiefgang auch schon Probleme neben einem Grundlieger längsseits zu gehen. Vor dem „Hochjacken“ fordern die Versicherer dieser Schiffe zudem zuerst ein Bodengutachten ein, das noch vor dem Einsatz zu erstellen wäre.

Die vermutlich realistische Alternative wäre in dem – damaligen, konkreten Fall – die Anmietung einer größeren Hubinsel von einem Wasserbauunternehmen gewesen, für deren Einsatz kein Bodengutachten erforderlich ist. Auf eine solche Hubinsel wäre dann ein schwerer ebenfalls anzumietender Raupenkran gesetzt worden, der dann die Umschlagarbeiten ausgeführt hätte. Aber: Sowohl die Beschaffung als auch der Aufbau der entsprechenden Gerätschaften sowie die eigentliche Leichterung der Container wäre ein sehr langwieriger Prozess gewesen. Bei jedem Tidenwechsel steigt die Gefahr, dass das Schiff strukturellen Schaden nimmt, wenn es nicht absolut plan aufliegt.

Hans-Werner Monsees, Leiter des Deutschen Havariekommandos in Cuxhaven, hatte auf einer Tagung bereits lange vor der Havarie festgestellt, dass in einem konkreten Bergungsfall die ersten 36-48 Stunden entscheidend für den Bergungserfolg sind. Deshalb bedarf es speziellen Bergungsgeräts zum Leichtern von Großcontainerschiffen.

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) hatte die Havarie der „CSCL Indian Ocean“ auftragsgemäß analysiert. Sie ist in diesem Rahmen auch dazu gehalten, Empfehlungen auszusprechen und deren Umsetzung nach einem halben Jahr abzufragen. So mahnte die BSU unter anderem das Bundesverkehrsministerium an, die bestehenden Vorsorgekonzepte für die Havarien von Großschiffen weiter zu entwickeln.

Der Schwerpunkt sollte dabei auf das Löschen von Containern aus einer überdurchschnittlichen Höhe gelegt werden, heißt es dazu in dem BSU-Bericht.

Das Ergebnis der späteren Abfrage scheint allerdings dürftig gewesen zu sein. So konnte beispielsweise Dirk Dietrich, Diplom-Verkehrsingenieur und Nautiker von Haus aus, der bei der BSU mit der detaillierten Untersuchung des Vorfalls befasst war, dieser Tage in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA nur seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass man beim nächsten großen Unfall hoffentlich ein weiteres Mal ohne Großgerät auskommt.

Allerdings: Der stärkste Lastenhubschrauber der Welt, der „Sikorsky Skycrane“ aus den USA, hat eine Nutzlast von gerade einmal elf Tonnen. Container können aber standardmäßig bis zu 34 Tonnen wiegen. Es ist daher zu hoffen, dass beim Havariekommando die Leistungsfähigkeit und die Verfügbarkeit von geeignetem Fluggerät auch bekannt ist. Beim Havariekommando in Cuxhaven ist man sich der Sicherheitslücke bewusst, ohne jedoch Abhilfe in Aussicht zu stellen. Es wäre für eine private Firma zu teuer, einen Bergungskran zu unterhalten, der bei einer Auslage von 15 Metern mindestens 60 Meter hoch heben kann, heißt es.

Denkbar wäre ein ähnliches Konzept wie bei den beiden Notfallschleppern vor den deutschen Küsten, die der Bund für viel Geld rund um die Uhr langfristig in Charter hat, auch wenn sie selten zum Einsatz kommen.

Eine deutlich günstigere Alternative, um die Sicherheitslage zu verbessern wäre die „Port Feeder Barge“ (PFB), ein logistisches Konzept auf der Basis eines selbstfahrenden Pontons mit eigenem Kran für die Umladung und den Transport von Containern innerhalb des Hamburger Hafens. Eine solche Barge könnte soweit ertüchtigt werden, dass sie im Notfall auch als Bergungskran eingesetzt werden könnte.

Vor zwei Jahren hatten Hamburg und die gesamte Unterelbe-Region sehr viel Glück gehabt. Eine derartige Havarie kann sich jedoch jeden Tag wieder ereignen. Bereits 2017 lief das Fast-Schwesterschiff der „CSCL Indian Ocean“, die 2011 gebaute, 366 Meter lange und 51 Meter breite „CSCL Jupiter (IMO 9467263) auf der Schelde bei Antwerpen aus dem Ruder und fiel für längere Zeit trocken. Auch hier gab es ein „happy end“. Aber: Wie lange will man das Glück noch herausfordern?“ EHA

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