Flottenchef: Deutsche Marine am Limit

Die 143 Meter lange Fregatte „Sachsen“ ist am 20. Januar 2001 bei Blohm + Voss in Hamburg vom Stapel gelaufen, Foto: Bökhaus

Rainer Brinkmann kam 1976 zur Marine, Foto: PIZ Marine, Matthias Letzin
Die Aufgabenfülle der deutschen Marine wird nach Einschätzung von Vizeadmiral Rainer Brinkmann in Zukunft weiter wachsen.
„Dazu gehören der Schutz des maritimen Welthandels, die Landes- und Bündnisverteidigung und internationale Krisen“, sagte der Befehlshaber der Flotte der Deutschen Presse-Agentur in Kiel. „Ein Blick auf unseren Alltag zeigt, dass die Marine bereits heute bis an ihre Grenze belastet ist.“ Deutschland sei vom maritimen Raum extrem abhängig und müsse diese Tatsache mehr berücksichtigen.
„Der ungehinderte Güteraustausch über See ist Rückgrat und Achillesferse unserer Wirtschaft“, betonte Brinkmann. Mehr als 90 Prozent aller Waren weltweit gelangten per Schiff zum Endverbraucher.
Neben dem Schutz der Handelswege und der Freiheit der Meere leiste die Marine – „als weiteren maßgeblichen Auftrag“ – ihren Beitrag zur „Konfliktverhütung und Krisenvorsorge“ . Der 59-Jährige verwies auf die Flüchtlingrettung und Schleuserbekämpfung im Mittelmeer, den Nahost-Konflikt, Syrien und die Piraterie am Horn von Afrika. Im Kampf gegen den Islamischen Staat habe die deutsche Marine zweimal bereits längere Zeit den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ geschützt.
Auf die Frage, ob die deutsche Marine eigene Marschflugkörper von U-Booten oder Schiffen abschießen können sollte wie etwa die USA, antwortete Brinkmann: „Wir überprüfen ständig, welche Fähigkeiten die Marine in Zukunft benötigt.“ Künftig könnten die Fregatten der Klasse 124 ballistische Raketen schon im Weltraum orten. „Die Schiffe werden damit Teil des 360-Grad-Raketenschutzschildes der Nato.“
Die Gewährleistung der territorialen Integrität Deutschlands und seiner Bündnispartner gerät laut Brinkmann verstärkt in den Blick.
„Russlands Präsident Wladimir Putin zwingt uns mit seiner militärisch intonierten Machtpolitik in Südossetien, auf der Krim und in Syrien dazu.“ Die Ostsee sei „vom ehemaligen Aufmarschgebiet des Warschauer Paktes und späteren Spielwiese der Freundschaft zur strategischen Trasse der Unterstützung unserer Partner etwa im Baltikum“ geworden.
Im Vergleich zu den Zeiten des Kalten Krieges sei die Marine auf ein Drittel gestutzt. Mit den fliegerischen Einheiten habe die Marine noch 50 Einheiten, von denen aber wegen des Zy klus Instandsetzung, Ausbildung und Einsatz immer nur ein Drittel operativ verfügbar sei.
„Wir haben auch Personalprobleme, uns fehlen vor allem Elektroniker und IT-Spezialisten“, sagte Brinkmann. Notwendig sei eine auf die Marine abgestimmte Personalwerbung. „Wir stehen mit der Wirtschaft in einem harten Konkurrenzkampf um die besten Köpfe, und da bedarf es der Anreize. Wir müssen attraktive Rahmenbedingungen gerade für den Dienst an Bord schaffen.“ Die Marine hat derzeit 12.000 Kräfte.
Als notwendig bewertete Brinkmann die Trendwende, dass erstmals seit 1990 die deutschen Streitkräfte wieder wachsen. Auch die Marine werde gestärkt, um ihre gewachsenen Aufgaben erfüllen zu können. „Das sehen wir heute schon in diversen maritimen Rüstungsprojek ten.“
Der Vizeadmiral verwies auf zwei weitere U-Boote (insgesamt dann acht), die Indienstellung der ersten Fregatte F 125 in diesem Jahr und die Modernisierung des „Rückgrates unsere Flotte“, die Fregatten der Klassen 123 und 124. Noch vor der Bundestagswahl am 24. September solle es zu einem Vertragsabschluss für ein zweites Los der Korvette K 130 kommen. Wohl erst nach der Wahl dürfte dagegen der Vertrag für das Mehrzweckkampfschiff 180 geschlossen werden. Es soll weltweit operieren und militärisch unterschiedlichste Aufgaben erfüllen können. Ab 2019 wird die Hubschrauberflotte mit dem „Sea Lion“ erneuert und der in die Jahre gekommene „Sea King“ ausgemustert. Ebenfalls 2019 kommen die ersten größeren Drohnen an Bord der Korvetten. Etwa ab 2020 sei die Anschaffung neuer Tanker vorgesehen.
Fregatte "Sachsen" muss in die Werft
Nach fast vier Monaten auf See ist die Fregatte „Sachsen“ jetzt in ihren Heimathafen Wilhelmshaven zurückgekehrt. Das Marineschiff war seit dem 12. Dezember im Einsatz in der Ägäis. Dort sollte es in Richtung Europa auslaufende Migrantenboote an die türkischen Behörden melden. Die Besatzung habe alle Aufgaben hervorragend erfüllt, lobte Kommandant Ole Paffenholz seine Crew. Die „Sachsen“ hatte seit dem Auslaufen am 12. Dezember als Flaggschiff eines ständigen Nato-Verbandes (Standing Nato Maritime Group 2) vor der türkischen Küste patrouilliert und dort die niederländische Fregatte „De Ruyter“ als Flaggschiff des Nato-Geschwaders abgelöst. Mehrere Marineschiffe meldeten dort Flüchtlingsboote an die türkischen Behörden und arbeiteten mit türkischen und griechischen Stellen sowie mit der europäischen Grenzschutzagentur zusammen.
Nun folgt eine Werftvorbereitungszeit mit anschließendem Aufenthalt in der Neuen Jadewerft in Wilhelmshaven, die ab Mai bis in den September terminiert ist. Anschließend stehen Testfahrten in der Nordsee sowie zwei Manöver vor Schottland auf dem Programm. FBi/db/lno