Adieu Seefahrt: Dr. Oetker minimiert das Risiko
Großer Befreiungsschlag, Strategie-Wechsel oder Strukturwandel im Hause Dr. Oetker? Alles trifft zu und dennoch: Welche Folgen der Verkauf der Schifffahrtssparte für das Familienunternehmen haben wird, ist noch offen.
Denn der Streit zwischen den Gesellschaftern ist noch immer nicht gelöst. Wer den Konzern nach dem Ausscheiden von Richard Oetker im neuen Jahr führen soll, beschäftigt nach wie vor den Beirat von Dr. Oetker. Das Aufsichtsgremium, bestückt mit mehrheitlich familienfremden Managern, hat zwar mit der Trennung von der Reederei Hamburg Süd ein Sorgenkind weniger. Die Personal-Fragen aber stehen noch auf der Tagesordnung. Die nächste Sitzung zu dem Thema ist noch im Dezember.
Beim Treffen Ende November ging es um das Reederei-Geschäft. Nach über 80 Jahren trennt sich Dr. Oetker von einer Sparte, die zuletzt zwar an Umsatz zulegte, unterm Strich bei der weltweiten Krise der Container-Schifffahrt aber zu viele Ressourcen und finanzielle Mittel gebunden hat. Experten sprechen von einer "mörderischen Konsolidierung" der Branche. Hamburg Süd, das kommuniziert Dr. Oetker in der Pressemitteilung zum Verkauf an den dänischen Konkurrenten Maersk ganz offen, hätte zu viel Kapital bedurft. "Dies würde zudem den Risikoausgleich innerhalb der Oetker-Gruppe empfindlich stören", heißt in der Mitteilung. Auf Deutsch: Ein weiteres Festhalten an Hamburg Süd hätte den ganzen Konzern in Schieflage bringen können.
Also weg mit dem Klotz am Bein und mit dem Erlös die streitbare nächste Generation auszahlen und damit loswerden? Falsch, sagen Unternehmenskreise. Bei dem Streit um die Nachfolge geht es nicht ums Geld. "Sonst würden die sich nicht so erbittert um die Posten streiten", heißt es im Bielefelder Umfeld.
Einstimmige Entscheidung
Das, was jetzt vom dänischen Käufer an Dr. Oetker überwiesen wird, soll wieder investiert werden. Zur genauen Summe schweigen beide Seiten. Die dänische Jyske Bank spekuliert über einen Kaufpreis von drei Milliarden Dollar (2,82 Milliarden Euro). Die Verkaufs-Entscheidung sei gemeinsam im Kreis der Gesellschafter getroffen worden - einstimmig. Dabei ist der Schritt besonders August Oetker sicher nicht leicht gefallen. Der heutige Beirats-Vorsitzende, bis 2010 Konzernchef, hat das Kaufmanns-Handwerk in der Reederei gelernt.
Jetzt zu verkaufen sei aber richtig, sagen Konzern-Beobachter. Oetker-Sprecher Jörg Schillinger verweist auf die ökonomischen Gründe, warum die Bielefelder in den 1930er-Jahren als Investor in Hamburg Süd investiert haben. "Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Geschäft dann richtig durchgestartet", sagt Schillinger. Von diesen Erfolgen sei die Branche aber heute meilenweit entfernt.
Ottmar Gast, Sprecher der Geschäftsführung bei Hamburg Süd und Mitglied der Konzernleitung bei Dr. Oetker, scheidet Ende 2017 aus Altersgründen aus. Im Herbst 2017 wird Gast 65. Wenn die Kartellbehörden mitspielen, kann er Hamburg Süd dann passend zum Ruhestand an seinen Nachfolger übergeben.
Offene Personalfragen
Hier sind die Personalien somit klar. Offen ist, wie es im Beirat und an der Konzernspitze weitergeht. Rudolf-August Oetker, der Enkel des Firmengründers, hinterließ bei seinem Tod 2007 acht Erben aus drei Ehen. Seine Kinder erblickten von 1940 bis 1979 das Licht der Welt. Ende 2016 muss Richard Oetker, das vierte Kind aus zweiter Ehe, die Konzernleitung laut Statut mit 65 Jahren aufgeben. Bereits 2010, als er das Ruder übernahm, waren sich die Familienstämme nicht einig. Im September vermeldete Dr. Oetker, dass Richard Oetker länger als gedacht in neuer Konstellation im Unternehmen bleibt. In der Sparte Nahrungsmittel behält er den Vorsitz der Geschäftsführung - unbefristet.
Beobachter sehen darin eine Stärkung der Lebensmittelsparte und einen Schachzug im Generationenstreit. Für eine mögliche Neuausrichtung des Konzerns könnte Richard Oetker die Milliarden aus dem Verkauf der Reederei gut gebrauchen. Der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Georg Schreyögg hält die Trennung von Hamburg Süd deshalb für sinnvoll. "Unter Experten gilt Oetker schon seit Jahren als Exot. Die verschiedenen Geschäftsbereiche haben einfach viel zu wenig miteinander zu tun", sagt der Betriebswirtschafts-Professor an der Freien Universität Berlin. "Aus Gründen der Risikostreuung kann ein Mischkonzern ja vielleicht sinnvoll sein. Bei 50 Prozent Umsatz einer einzigen Sparte muss Dr. Oetker aber einfach zu viel Kapital auf eine Karte setzen." (dpa)