Barkassenbetreiber mit Existenzängsten

„Flottenmanöver“ in der Hamburger Speicherstadt: Rund 20 Barkassen formierten sich zu einem Protestverband, Foto: UVHH
Sie machen einen Teil des besonderen Flairs des Hamburger Hafens aus: die „kleinen“ und „großen“ Hafenrundfahrten mit Barkassen und anderen Ausflugsschiffen.
Doch gerade bei der sogenannten „Kleinen Hafenrundfahrt“, deren Kerngebiet die inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Speicherstadt betrifft, könnte sich künftig erhebliche Einschränkungen für die Barkassenbetreiber und damit auch für die Touristen ergeben. Der Grund: Die Ende des 19. Jahrhunderts gebaute Speicherstadt, deren sämtliche Gebäude und auch Kaimauer unter anderem auch auf Tausenden von langen Holzpfählen gegründet sind, muss in den nächsten Jahren aufwendig saniert werden. Zum einen nagt der Zahn der Zeit an den zum Teil fast 130 Jahre alten Gebäuden und Kaifronten. Zum anderen offenbaren sich immer deutlicher auch Kriegsfolgeschäden aufgrund von Bombennahtreffern auch in diesem Teil des Hafens.
Die Stadt, konkret der Landesbetrieb Immobilien (LIG) im Zusammenwirken mit der Hamburg Port Authority (HPA), wollen das in dieser Form größte, in sich geschlossene Lagerspeicher-Areal ab 2020 aufwendig sanieren. Geschätzte Kosten: rund 200 Millionen Euro.
Während die Finanzierungsfrage als beantwortet gilt, bereitet ein Teil des geplanten Sanierungskonzeptes den Barkassenreedern, darunter vor allem klein- und mittelständische Betriebe, Sorgen. Ein Grund: Die LIG will zur besseren Abstützung der zum Teil stark in Mitleidenschaft gezogenen Gebäudestrukturen die zwischen den verschiedenen Baugruppen angelegten, auch durch den Tidenstrom beeinflussten Fleete und Kanäle von der Sohle her verstärken. Heißt: Die Fleetsohle soll um einen Meter aufgeschüttet werden. Was für den unbedarften Beobachter unkritisch wirkt, stellt für die Barkassenfirmen genau das entscheidende Problem dar. Denn einen Meter mehr Grund heißt auch, dass das Zeitfenster, innerhalb dessen die Barkassen mit ausreichend Wasser unter dem Kiel die Speicherstadt-Wasserarme befahren und auch noch unter die verschiedenen Brückenbauwerke hindurchkommen können, deutlich reduziert wird.
Das wiederum schlägt sofort auf die Wirtschaftlichkeit der bei Hamburg-Touristen äußerst beliebten Speicherstadt-Touren durch, weil weniger gefahren werden kann. Zur Einordnung: Alle Anbieter zusammengenommen, ergeben sich pro Saison-Tag im Schnitt bis zu 140 Touren unter Einbeziehung der aus rotem Backstein gebauten Speicherstadt. „Im ungünstigsten Fall, wenn beispielsweise Ebbe und Flut früh morgens oder spät abends liegen und die Wetterlage zusätzlich den Wasserstand beeinflusst, können keine Gästefahrten in die Speicherstadt angeboten werden“, betont der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH), der auch die Inte ressen der verschiedenen Hafenschifffahrtsunternehmen vertritt.
Um auf die derzeit nicht vollständig absehbaren Folgen hinzuweisen, organisierten die Betriebe am Mittwochmorgen einen Protestkorso aus 20 Barkassen durch die Speicherstadt. Ihre zentrale Botschaft: „Für die Rundfahrtbetreiber ist diese Situation existenzbedrohend. Hamburg würde eine Touristenattraktion verlieren und das für die Fremdenverkehrswirtschaft wichtige Weltkulturerbe entwerten.“ Zugleich haben sie ein umfangreiches Forderungspapier erstellt, das ebenfalls am Mittwoch präsentiert wurde. Ein Grund für den Termin: Am Mittwoch debattierte die Hamburger Bürgerschaft auf Antrag der CDU über die Zukunft des Hafens als Ganzes, der auch beim Seegüterumschlag immer stärker Schlagseite bekommt. Die Halbjahreszahlen werden heute Morgen (Donnerstag) vorgestellt, allerdings nur im kleinen Rahmen und nicht mehr wie in den Vorjahren in Gestalt größerer Pressekonferenzen.
Für die Barkasssen-Betreiber kommt es darauf an, dass das Sanierungskonzept für die Speicherstadt so angepasst wird, dass es ihre Geschäftsgrundlage nicht zerstört.
Und das sind die zentralen Eckpunkte des Papiers:
■ Die Fleetsohlenanhebung beträgt auf mindestens einer Rundfahrtroute weniger als einen Meter,
■ die neue Wassertiefe muss unterhalten werden, das heißt etwaige Mindertiefen müssen umgehend beseitigt werden,
■ es muss ein umfassendes Umbauprogramm für die gerade auf dieses besondere Einsatzgebiet zugeschnittenen Barkassen aufgelegt werden. Durch die technischen Anpassungen soll die Höhe der Barkassen abgesenkt werden,
■ zudem soll sich Hamburg beim Bund dafür einsetzen, dass die Bauvorschriften für Schiffe so geändert werden, dass Neubauten mit niedrigeren Fixpunkthöhen wieder möglich werden
■ und in der Speicherstadt sollen moderne Pegelanzeigen angebracht werden, die dem Schiffsführer sofort anzeigen, ob Passagen möglich sind.
Gerade das co-finanzierte Nachrüstprogramm ist aus Sicht der Betriebe von großer Bedeutung. Denn die Unternehmen hatten in den zurückliegenden Jahren auch aufgrund von neuen EU-Vorschriften hinsichtlich der Sinksicherheit der Barkassen bei Havarien Millionenbeträge investieren müssen. Damit nicht genug: Es entstanden zu den markanten Bestandsschiffen zahlreiche neue Hafenboote, für die noch Restfinanzierungen laufen. Es geht also um den Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit der Firmen, von denen viele klassische Familienbetriebe sind. EHA