Corona: Seeleute nicht zu Gefangenen machen

Ohne sie fährt kein Schiff, wird keine Tonne Ladung bewegt: Seeleute auf einem Containerfrachter. Die Crews leiden unter den Covid-19-Folgen, Foto: Arndt

„Die Politik muss den Menschen an Bord endlich wirksam helfen", so Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche, Foto: Seemannsclub Duckdalben
Wenn an diesem Donnerstag weltweit der „Tag der Seefahrer“ begangen wird, dann machen sich Reederverbände, Gewerkschaften, die Politik und auch die Kirchen lautstark bemerkbar.
Sie nehmen den Tag zum Anlass, um eindringlich auf die Notlage von zehntausenden von Seeleuten hinzuweisen, deren persönliche Bewegungsfreiheit als Folge der Corona-Pandemie seit Monaten nicht nur stark eingeschränkt ist, sondern die zum Teil auch unmöglich gemacht wurde.
Die besonderen Einschränkungen, die etwa unter anderem mit dem Hinweis auf Quarantäne-Notwendigkeiten verfügt wurden, machen sich vor allem beim normalen Crew-Tausch bemerkbar.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass jeden Monat normalerweise 200.000 Seeleute von Bord gehen, weil ihre Verträge auslaufen oder weil Urlaubsansprüche eingelöst, Weiterbildungen angetreten und andere Anlässe das planmäßige Von-Bord-Gehen erfordern. „Dieses System ist nun bereits seit einem Vierteljahr infolge der Corona-Pandemie außer Kraft“, kritisiert VDR-Präsident Alfred Hartmann, der selbst Chef einer mittelständischen Reederei ist. Er weist darauf hin, dass „für einen Crew-Wechsel ein Hafen erlauben muss, dass Seeleute von oder an Bord eines Schiffes gehen können“. Zudem bedürfe es eines Fluges in die Heimatländer der Seeleute von einem Airport in räumlicher Nähe zum Seehafen. Und: „Die Seeleute müssen auch in ihren Heimatstaat einreisen dürfen“, betont Hartmann weiter. Doch die Aktionskette gehe noch weiter. Damit die Besatzungen der Schiffe wieder ihre Sollstärke erreichen können, müssen die Ersatzkräfte auch problemlos an Bord gelangen können. Auch das bringen Corona-Schutzbestimmungen derzeit erheblich durcheinander. In einigen Häfen, etwa in Europa, aber auch in Hongkong oder Singapur sei das inzwischen wieder möglich. Hartmann: „Aber lassen wir uns nicht täuschen: Nach wie vor sind geglückte Crew-Wechsel die Ausnahme, bei weitem nicht die Regel.“
Nach Auffassung des VDR hat die internationale Schifffahrtsbranche in den zurückliegenden Monaten „mit vereinten Kräften und auch gemeinsam mit den Gewerkschaften“ alles getan, um die Situation des Bordpersonals zu verbessern. Hartmann weiter: „Mithilfe der IMO haben wir etwa allen Staaten weltweit schon vor Wochen ein detailliertes Verfahren an die Hand gegeben, durch das auch in Corona-Zeiten Crew-Wechsel sicher möglich sind. Diese Lösung kostet kein Geld und ist einfach umzusetzen.“ Für ihn ist daher klar: „Das Problem sind nicht die Reeder, sondern Regierungen, die diese Verfahren nicht umsetzen.“
Der Verband fordert daher vor dem Hintergrund des „Tag des Seefahrers“ erneut, „die Reisebeschränkungen endlich aufzuheben und Crew-Wechsel zu ermöglichen. Seeleute sind systemrelevant.“ Der VDR befürchtet, dass ohne eine rasche Veränderung „Logistikketten reißen werden, weil Schiffe nicht weiterfahren können“. Für den Fall sei dann „auch der Nachschub für uns alle gefährdet, etwa mit Lebensmitteln, Rohstoffen oder Medikamenten“.
Für Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, ist die „Politik gefordert, für die Menschen an Bord der Schiffe zu sorgen“. Sie ruft die Bundesregierung dazu auf, ihre außenpolitischen Kontakte mit dem Ziel zu nutzen, um so „die restriktiven Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen so weit zu lockern, dass sichere Landgänge und Wechsel der Crews möglich werden“. EHA