„Es ist wichtig, an einem Strang zu ziehen“

Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der Solidarität. So beurteilt Kapitänin Carola Rackete die aktuelle Lage im Mittelmeer, wenn es um die Rettung von Menschen in Seenot geht.

„Wir brauchen Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, sagte sie am Freitagabend in ihrer Kapitänsrede beim 55. Bremer Kapitänstag, nach der sich die mehr als 300 anwesenden Gäste in der Oberen Rathaushalle von ihren Stühlen erhoben und stürmischen Beifall spendeten. Es müsse dringend sichere Fluchtwege geben und die Seenotrettung wieder von staatlicher Seite übernommen werden, betonte die ehemalige Sea-Watch-Kapitänin.

Seenotrettung mache ihr keinen Spaß, sagte Rackete. Aber sie sehe sich in der Verantwortung, zu handeln. „Ich bitte Sie, ebenfalls zu handeln“, rief sie ihren Zuhörern zu, die dies zumindest in finanzieller Hinsicht umgehend taten: Bei der traditionellen Spendensammlung, die in diesem Jahr nicht nur an die Bremer Seemannsmission, sondern auch an private Seenotrettungs-Initiativen ging, kam die Rekordsumme von 30.443 Euro zusammen.

Navigare necesse est. Seefahrt tut not. „Diese alte Weisheit ist heute in besonders vielfältiger Weise aktueller denn je“, sagte Bremens neuer Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) in seinem Grußwort zum Kapitänstag und fügte hinzu: „Ich glaube, wir tun gut daran, dies immer wieder ins Gedächtnis der Menschen zu rufen.“ Dies könnte und sollte ein Signal sein, dass vom Kapitänstag ausgeht, erklärte Bovenschulte, der Carola Rackete seinen uneingeschränkten Respekt zollte. „Diese klare Haltung, für seine Ideale einzustehen, Hilfe zu leisten, die Menschenliebe zum Mittelpunkt des Handelns zu machen, völlig unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft und für all das auch persönliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen: Dies sollte uns allen ein Vorbild sein“, sagte Bremens Bürgermeister.

Einen engen Schulterschluss demonstrierten beim 55. Kapitänstag auch die beiden bedeutendsten Hafenstandorte Deutschlands. „Hamburg und Bremen, das mögen ja auf manchen Feldern auch Konkurrenten sein, aber vor allem sind wir eines: gute Partner“, sagte Bovenschulte – und sein Hamburger Amts- und Parteikollege Dr. Peter Tschentscher pflichtete ihm bei: „Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Bremen ist etwas Besonderes“, sagte der gebürtige Bremer, der als Ehrengast an der Veranstaltung teilgenommen hatte. „Es ist wichtig, dass Hamburg und Bremen an einem Strang ziehen“, betonte Bürgermeister Tschentscher und nannte die EEG-Umlage auf Landstrom, die Einfuhrumsatzsteuer sowie die LNG-Infrastruktur als Beispiele für städteübergreifende Anstrengungen. Die Konkurrenz sei ohnehin in Rotterdam und Antwerpen zu finden, sagte er. Mit der nun begonnenen Elbvertiefung versuche Hamburg, wieder Boden gutzumachen.

Einen freiwilligen Abschied in die zweite Reihe verkündete derweil Hans-Joachim Schnitger – es war sein letzter Kapitänstag nach 13 Jahren als Präsident der Bremischen Hafenvertretung (BHV). Neuer Mann an der Spitze der Interessenvertretung ist Patric Drewes, sein bisheriger Vize.

Detthold Aden, früherer Vorstandsvorsitzender der BLG Logistics Group, würdigte Schnitgers jahrelangen Einsatz für die Belange der bremischen Hafen- und Logistikunternehmen in einer Laudatio. Und auch Bürgermeister Bovenschulte lobte BHV-Präsident Schnitger als prägende Persönlichkeit der Hafenwirtschaft und dankte ihm für sein starkes Engagement. Beste Wünsche gingen zudem an den langjährigen BHV-Geschäftsführer Klaus Platz, der krankheitsbedingt nicht am Kapitänstag teilnehmen konnte.

Bevor sich Schnitger verabschiedete – er ist künftig Ehrenpräsident der BHV – redete er noch einmal Tacheles. An Bürgermeister Bovenschulte und seinen Senat gewandt sagte er, dass die BHV ein kritischer Partner sein werde. Die neue Konstellation auf der Regierungsbank sei für die Hafenwirtschaft überraschend gewesen. Kritisch äußerte sich Schnitger dazu, dass das Fünf-Punkte-Programm, welches die BHV im Vorfeld der Wahl aufgestellt hatte, von der neuen Regierung bisher nicht gewürdigt worden sei. „Es entstand bei uns der Eindruck, dass daran kein Interesse besteht.“ Ferner hätte man sich bei der BHV Schnitger zufolge gewünscht, dass die Bereiche Verkehr, Häfen und Wirtschaft in einem Ressort zusammengefasst worden wären. bek/sr

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