Ex-Minister kritisiert hohen Schuldenerlass für Reeder

Der Schuldenerlass in Höhe von gut 800 Millionen Euro, den die HSH Nordbank norddeutschen Reedereien gewährt hat, sorgt weiter für Wirbel.

Allein dem Hamburger Reeder Dr. Bernd Kortüm, geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutschen Vermögen Holding, sind fällige Schiffskredite mit einer Gesamtsumme von mehr als einer halben Milliarde Euro erlassen worden (THB 7. und 10. November 2016). Jetzt hat Schleswig-Holsteins früherer Wirtschaftsminister Dr. Werner Marnette erneut heftige Kritik an dem Vorgang geübt. In einem dem THB vorliegenden „Öffentlichen Schreiben“ an Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig, empört sich der 71-Jährige, der aus Protest gegen die HSH-Politik der schleswig-holsteinischen Landesregierung 2009 als Wirtschaftsminister zurückgetreten war: „Dieser überraschende Schuldenerlass steht im Widerspruch zur Vereinbarung mit der EU-Kommission im Oktober 2015 und zu den Parlamentsentscheidungen (16,2 Milliarden Euro Kreditermächtigungen) im Dezember 2015, da eine solche Maßnahme explizit nicht vorgesehen war.“

Diese sei auch nicht Gegenstand der Parlamentsvorlage und sei somit gegenüber den Parlamenten verheimlicht worden, obwohl die Verhandlungen darüber bereits vor Oktober 2015 begonnen worden seien. Das Misstrauen gegenüber der HSH Nordbank sei daher berechtigt, weil in der gegenwärtig kritischen Situation der Bank zu befürchten sei, dass weitere überraschende und den Bürger zusätzlich belastende Schritte der Bank folgen werden. Diese Furcht sei begründet, weil der Vorstand der HSH Nordbank offensichtlich keine Rücksicht auf die Interessen der Bürger zu nehmen scheint oder sogar gehalten sei, diese nicht nehmen zu müssen, schreibt Marnette.

Der Unternehmensberater und frühere Vorstandsvorsitzende der Norddeutschen Affinerie (heute Aurubis) bezeichnet die zu erwartenden Gesamtbelastungen als Desaster. „Denn von den 98 Milliarden Euro Gesamtkrediten in der HSH-Bilanz des Jahres 2015 waren 25 Milliarden Euro schlecht und knapp 19 Milliarden Euro sogar faul. Das heißt, das gesamte Kreditrisiko liegt bei über 44 Milliarden Euro. Marnette geht „bei vorsichtiger Betrachtung“ ab 2018 von einer Gesamtbelastung für die beiden Bundesländer von mindestens 25 Milliarden Euro aus.

Verschuldungskapazität ausgeschöpft

Gemessen an den Landeshaushalten (zusammen 22,9 Milliarden Euro) und den bereits bestehenden Gesamtschulden (zusammen 67,8 Milliarden Euro) könnten Hamburg und Schleswig-Holstein derart hohe Belastungen aus der HSH Nordbank ohnehin nicht tragen, da die Verschuldungskapazität längst ausgeschöpft sei. „Die katastrophalen Konsequenzen für Investitionen und Ausgaben zur Zukunftssicherung beider Länder dürften Ihnen bekannt sein“, heißt es wörtlich in dem Schreiben an Scholz und Albig weiter.

Zudem lasse die Ertrags- und Ergebnisentwicklung der HSH Nordbank keine Gesundung erwarten, da alle Rettungsmaßnahmen gescheitert seien und die Ertrags-/Ergebnislage der HSH Nordbank weiterhin erschütternd sei, so Marnette.

Zugleich wirft er den Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein vor „gegenüber der Öffentlichkeit quasi einen ,Normalbetrieb‘ vorzutäuschen, aber in Wirklichkeit eine Abwicklung der HSH Nordbank auf Raten zu verfolgen.“

"Konkursverschleppung"

„Ich nenne dies Konkursverschleppung, denn es gibt hinreichende Gründe dafür, dass die HSH Nordbank bereits Ende 2015 erneut zumindest konkursgefährdet war. Durch diese Verschleppung geht jegliche Transparenz über die Finanz- und Ertragslage der Bank verloren, was schwere Fehlentscheidungen, wie der Schuldenerlass für einzelne Reeder, erst möglich macht. Zugleich stellt sich die Frage, ob dieser Schuldenerlass durch die EU-Entscheidung wettbewerbsrechtlich überhaupt zulässig ist“, schreibt Marnette wörtlich. Er bietet Scholz und Albig „nochmals“ an, seine Überlegungen auch hinsichtlich der Dringlichkeit einer geordneten Abwicklung zu erläutern. Zugleich bat er um Verständnis, „dass ich dieses Schreiben der Öffentlichkeit gegenüber bekannt mache, nachdem Sie mir auf persönlich-vertrauliche Anschreiben wiederholt nicht geantwortet haben.“

Um welche weiteren Reeder es sich außer Kortüm bei dem Schuldenerlass handelt, ist noch nicht bekannt. Dafür sorgte auch ein privates Geschäft des Hamburgers für heftige Kritik: Der 74-Jährige hatte sich nach dem 547 Millionen-Euro-Geschenk eine neue Luxus-Segelyacht zugelegt. Die edle „Alithia“ ist 40 Meter lang, hat Platz für zwölf Personen und sechs Besatzungsmitglieder in fünf Kabinen sowie einer luxuriösen Lounge. Das 2002 bei Abeking & Rasmussen gebaute Schiff mit einem 49 Meter hohen Mast aus Kohlenstofffaser und einem 600 PS starken Motor wurde im Spätsommer nach Angaben von „www.boatinternational.com“ für fast neun Millionen Euro angeboten. „Ich habe auf dem Höhepunkt der Schifffahrtskrise ein deutlich teureres, jüngeres Schiff verkauft und mir nun ein wesentlich billigeres und älteres Schiff zugelegt“, zitiert der „Spiegel“ den Hamburger Reeder und Schiffsfinanzierer, der von 2004 bis Juni 2015 auch dem Beirat der HSH Nordbank angehörte. Der bekannte Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate nannte das Verhalten von Kortüm „schamlos“. Der Jurist und Marnette hatten als Gäste kürzlich auf Einladung der FDP-nahen Dr. Emilie Kiep-Altenloh-Stiftung auch zu der zentralen Frage des Diskussionsabends „HSH Nordbank – Lektion gelernt?“ Stellung genommen.

Für Aufsehen hatte am 30.Juni dieses Jahres auch eine geheimnisvolle Rettungsaktion für die kriselnde Bank gesorgt, die Hamburg und Schleswig-Holstein gehört. Die Länder übernahmen notleidende Kredite für 256 Schiffe und bezahlten dafür 2,4 Milliarden Euro (THB 1. Juli 2016). Über die neuen Eigentümer und um welche Schiffe es sich konkret handelt, ist einmal mehr Stillschweigen vereinbart worden. Bekannt wurde immerhin, das es sich um 160 Containerfrachter, 46 Tanker, 25 Massengutcarrier und 25 „sonstige“ Schiffe handelt. Diese sind im Schnitt neun Jahre alt. Den weiteren Informationen zufolge sind weniger als zehn Prozent der Containerfrachter zwischen 4000 und 12.000 TEU groß. Die Mehrzahl der Schiffe hat eine Kapazität von 1000 bis 4000 TEU und ist damit derzeit besonders schwer zu verkaufen.

Kruse übt Kritik

Anlässlich der Struktur des von der hsh portfoliomanagement AöR gekauften Schiffsportfolios sagte der parlamentarische Geschäftsführer und wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse: „Es ist unbegreiflich, dass über die einzelnen Schiffe noch nicht einmal gegenüber der Bürgerschaft Auskunft erteilt wurde. Bürgermeister Olaf Scholz verzockt als Staatsreeder die Steuergelder der Hamburger und realisiert neue Schulden in Milliardenhöhe. Diese Politik der zusätzlichen Schulden ist verantwortungslos.“ FBi

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