Fast alles hängt von China ab

Ob in Arztpraxen oder in Betrieben: Überall warnen Plakate vor der Ausbreitung des Coronavirus, Foto: Arndt
Sechs Wochen – so lange dauert durchschnittlich der Transport von China nach Europa auf dem Seeweg. Doch wegen der Coronavirus-Krise standen in dem für die deutsche Wirtschaft so enorm wichtigen Produktionsland die Fabriken still. Nun schlagen die Auswirkungen voll durch. Mit Verzögerung fehlt es plötzlich in vielen Industriezweigen an Vorprodukten, Teilen oder kompletten Erzeugnissen, das stößt die betroffenen Unternehmen in eine tiefe Krise.
Maschinenbau
Seit Jahresbeginn schrumpfte der Außenhandel mit China um elf Prozent. Dennoch ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt das Land, aus dem die meisten Importe nach Deutschland gekommen sind. Insbesondere der deutsche Maschinenbau hängt davon ab. Wegen der zu erwartenden Engpässe schraubte die Branche ihre Erwartungen an das laufende Jahr zurück. So rechnet der Verband des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA) mit einem Produktionsminus von fünf Prozent. Die Krise werfe die Branche „spürbar zurück“, sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. Selbst wenn sich die Lage im zweiten Halbjahr entspanne, könne man die Rückgänge nicht mehr wettmachen. Bereits zuvor hatte die Branche unter globalen Handelsstreitigkeiten, der abflauenden Weltkonjunktur und dem Strukturwandel in der Autoindustrie gelitten.
Autoindustrie
Ohnehin sind die Autobauer die Schlüsselindustrie für fast alle jetzt betroffenen Wirtschaftszweige. Dabei blicken Daimler, VW, BMW & Co. selbst besorgt nach China. Zwar laufe dort die Produktion an allen Standorten, teilte eine Audi-Sprecherin mit. Es sei aber abzusehen, dass sich die Lage verschärfen werde. Erst vorgestern legte BMW seine neuesten Zahlen vor. So stieg der Umsatz erstmals auf mehr als 100 Milliarden Euro. Doch angesichts der Coronavirus-Pandemie gehen Analysten davon aus, dass sich der Erfolg nicht wiederholen lässt.
Von der Entwicklung hängt auch die Zukunft der Chemieindustrie ab, die für die Autobauer Lacke und Kunststoffe verarbeitet. Bisher hatte der Verband der Chemischen Industrie (VDI) mit einem minimalen Plus bei Umsatz und Produktion um 0,5 Prozent gerechnet. Dieses Ziel sehe man nun gefährdet, hieß es. Die Talfahrt betreffe nicht nur die Chemiesparte, auch der Pharmabereich leide. Hier drohten vor allem Engpässe in der Lieferkette. Bereits in der vergangenen Woche hatte Indien, wo neben China die meisten Medikamente produziert werden, die Ausfuhr 26 gängiger Wirkstoffe begrenzt.
Chemie
Deshalb forderte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ein Umdenken in der Wirtschaft. Zwar gebe es keine Alternative zur Globalisierung, betonte BDI-Präsident Dieter Kempf. „Trotzdem wird manches Unternehmen jetzt seine Logistikketten hinterfragen und sich kritisch damit auseinandersetzen, ob es vernünftig ist, immer nur einen und dann den billigsten Zulieferer auszuwählen.“
Elektro
Stark abhängig von Zulieferern aus China ist auch die Elektroindustrie. Für 52 Milliarden Euro wurden 2019 Güter aus China nach Europa transportiert. Ab April erwarte man nun starke Engpässe, teilte der Zentralverband der Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) mit. Aber man arbeite aktuell an Strategien, um die Warenverfügbarkeit noch abzusichern. jki