Firmen fürchten Einbrüche bei hartem Brexit

Das größte Geschäftsrisiko sind nach Ansicht von 83 Prozent der Befragten zusätzliche Handelsbeschränkungen, Grafik: IHK Nord
Im Falle eines harten Brexits befürchten fast zwei Drittel der norddeutschen Firmen mit engen Verbindungen nach Großbritannien eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. Sollte es aber doch noch zum Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union kommen, sinkt diese Zahl auf 14 Prozent. Das geht aus einer Umfrage der IHK Nord hervor, an der im Oktober 571 Firmen teilgenommen hatten. Generell fühlten sich 49 Prozent der Befragten gut oder sehr gut auf den Brexit vorbereitet.
„Die im Vereinigten Königreich aktiven Unternehmen aus dem norddeutschen Raum brauchen für ihre Investitionen und Geschäftsaktivitäten langfristige Rechtssicherheit und möglichst wenig neue Bürokratie“, erklärte die IHK Nord-Vorsitzende Janina Marahrens-Hashagen. Denn das größte Risiko für die Geschäfte sind nach Ansicht von 83 Prozent der Befragten zusätzliche Handelsbeschränkungen. Danach folgten Rechtsunsicherheiten (39 Prozent), Wechselkursschwankungen (38 Prozent), eine sinkende Nachfrage (35 Prozent) und regulatorische Unterschiede (33 Prozent).
Entsprechend wünschen sich 85 Prozent der Befragten mit Blick auf die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen einen freien Warenverkehr. 83 Prozent plädierten dafür, die zusätzliche Bürokratie nach dem Brexit gering zu halten. 51 Prozent forderten eine zügige Umsetzung der finalen Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen. Einen freien Kapitalverkehr verlangten den Angaben zufolge 45 Prozent der Unternehmen.
Das britische Oberhaus hat indes dem umstrittenen Binnenmarktgesetz, mit dem die Regierung das bereits gültige Brexit-Abkommen aushebeln will, abermals eine klare Abfuhr erteilt. Das House of Lords stimmte am späten Montagabend in London mit großer Mehrheit gegen die entscheidenden Klauseln. Die Regierung kündigte an, trotzdem daran festzuhalten.
Das Gesetz könnte Sonderregeln für den britischen Landesteil Nordirland im Brexit-Abkommen zunichtemachen, die eine harte Grenze zum EU-Staat Irland verhindern sollen. Die britische Regierung spricht von einem „Sicherheitsnetz“. Die Opposition und die EU-Kommission sind hingegen der Meinung, dass damit der Vertrag gebrochen wird. Deshalb läuft ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Austrittsabkommens.
Zum Jahreswechsel endet die Brexit-Übergangsphase. London und Brüssel ringen derzeit noch immer um einen Handelspakt. Ohne Vertrag drohen von nächstem Jahr an Zölle und andere Handelshürden. Die wirtschaftlichen Belastungen sind angesichts der Corona-Krise jedoch ohnehin schon enorm.
Die Zeit für die Verhandlungen wird extrem knapp, da ein Vertrag auch noch ratifiziert werden müsste. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte kürzlich angedeutet, dass eine Entscheidung rund um das kommende Wochenende fallen könnte – aber zugleich betont, dass sein Land auch auf einen No-Deal-Brexit sehr gut vorbereitet sei. bek/dpa