Fischereikrise wird auch Häfen beeinflussen

Die deutsche Fischereiwirtschaft, die zugleich prägend für die Lokal- und Regionalwirtschaft in den kleineren Häfen an Nord- und Ostsee ist, befindet sich in Alarmstimmung.

Grund dafür sind die auf EU-Ebene festgelegten neuen Fangquoten für den Dorsch. So dürfen die deutsche Ostsee-Fischer 2020 deutlich weniger Dorsch und Hering fangen als derzeit möglich. In der westlichen Ostsee werden die erlaubten Fangmengen für Hering um 65 und für Dorsch um 60 Prozent gesenkt, so der Beschluss der EU-Fischereiminister. Deutschland hatte sich zuvor gegen aus seiner Sicht übermäßige Senkungen der Fangquoten gewehrt.

Auch die sogenannten Freizeitangler werden sich stark einschränken müssen. Zahlreiche Fischereibetriebe haben sich auch auf diese besondere Zielgruppe ausgerichtet und bieten, gegen Entgelt, ihre Boote als schwimmende Angelplattformen an.

Ostseefischer in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein etwa befürchten tiefe Einschnitte und forderten daher am Dienstag unter anderem über den Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer e.V. staatliche Unterstützungsmaßnahmen.

Der Branchen-Dachverband, der Deutsche Fischerei-Verband (DFV) in Hamburg, befürchtet, dass „betriebliche Existenzen vernichtet und die Strukturen an Land, wie Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften an den Hafenstandorten, erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Der DFV: „Ohne Umstrukturierungen können sie nicht mehr überleben.“

Die einzelnen Betriebe stünden damit vor schweren Entscheidungen, wie sie in die Zukunft gehen. Der Verband: „Einige größere Schleppnetzfahrzeuge werden mit den geringen Quoten keine Perspektive mehr haben und ausscheiden. Andere werden versuchen, 2020 irgendwie zu überleben, weil sie für 2021 mit höheren Quoten rechnen.“

Der von Hamburg aus geführte Fachverband widerspricht auch entschieden Darstellungen, wonach sich etwa in der Ostsee viele Fischbestände in einem „alarmierenden Zustand“ befinden sollen. Der Verband verweist auf wissenschaftlich basierte Bestandsschätzungen, denen zufolge aktuell „nur drei von 15 Beständen“ in einer krisenhaften Situation seien. Davon seien zwei, nämlich der sogenannte Westhering und der Westdorsch „für die deutsche Fischerei existenziell wichtig“. Die übrigen Bestände seien, so der DFV weiter, mehr oder weniger natürlichen Schwankungen unterworfen. Dabei sei nicht eine aktuelle Überfischung ausschlaggebend, sondern „vielmehr eine Veränderung der natürlichen Bedingungen in der Ostsee“. Ein möglicher Einflussfaktor dabei: der Klimawandel. Der Verband weiter: „Die Fangsituation ist im Moment nicht schlecht. Es gibt ausgedehnte Echolot-Anzeigen von größeren Fischvorkommen.“

Der aus Malta stammende EU-Fischereikommissar Karmenu Vella erklärte indes nach dem Gipfel: „Viele baltische Fischbestände und Ökosysteme sind in einem alarmierenden Zustand.“ Es gebe Sorgen um die Umwelt, aber auch um an der Ostsee gelegene Gemeinden, die für ihren Lebensunterhalt auf diese Ökosysteme angewiesen seien. Vella räumte ein: „Es wird ernste kurzfristige Wirtschaftsfolgen für einige Fischer geben.“ Die Kommission werde daher Hilfsmöglichkeiten prüfen.

Kritik zu den Vereinbarungen kommt auch von der Umweltorganisation WWF. Die beschlossenen Fangmengen für die Ostseefischerei seien zu hoch. Angesichts der Klimakrise, die sich schon jetzt negativ auf die Dorsch- und Heringsbestände auswirke, seien die erlaubten Fangmengen ein riskantes Spiel für das Ökosystem und gefährdeten die Zukunft von Fischbeständen und Fischern, heißt es in einer WWF-Mitteilung vom Dienstag.

Nach Einschätzung des WWF werden die westlichen Fischbestände der Ostsee, die für die deutsche Fischerei interessant sind, stärker befischt als wissenschaftlich empfohlen. So wurde für den westlichen Hering eine Kürzung der Fangmenge um 65 Prozent ausgesprochen, die nach Ansicht der Umweltorganisation die Erosion der Bestände nicht verhindern werde. Hier sei ein Fangstopp notwendig. Beim westlichen Dorsch fordert der WWF eine Kürzung der Quote um 68 Prozent statt der beschlossenen 60 Prozent. EHA/dpa

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