„Hafenverschlickung eine äußerst bedenkliche Sache“

Prägen das Gesicht der Hamburger Speditions- und Logistikwirtschaft und sind dessen Stimme: die Mitglieder des VHSp-Vorstandes zum traditionellen Gruppenfoto am Abend des Neujahrsessens vereint. 1. Reihe (v.l.): Thomas Hoyer, Gert Tews, Johan P. Schryver und Stefan Saß. 2. Reihe: Axel Heik, Willem van der Schalk, Axel Plaß, Friederich Wendt und Dierk Schulz. 3. Reihe: Reiner Heiken, Wolfgang Przybisch und Björn Kitzinger, Foto: VHSp

Im Hafen vereint (v.l.): Norman Zurke (UVHH), Carola Zehle (Carl Tiedemann GmbH & Co. KG) und Johann Killinger (Buss Group)

„Spedis“ unter sich (v.l.): Johan P. Schryver (VHSp) und Frank Huster (DSLV) als After-Dinner-Speaker

Schryver

Lachten auch unaufgefordert (v.l.): Niels Harnack (China Shipping Agency), Oliver Detje (DVV Media Group) und Thomas Lütje (Hamburger Hafen und Logistik AG)

Neues Jahr, alte und neue Kontakte: Viele der Gäste nutzten das Event zum direkten Übermitteln der besten Wünsche, Fotos: Arndt

Gepflegte Tafelfreuden im historischen Gesamtumfeld
Die stark auf den Hafen ausgerichtete Hamburger Speditions- und Logistikwirtschaft sorgt sich wegen der zunehmenden Verschlickung von wichtigen Hafenbereichen immer stärker um die Erreichbarkeit des größten deutschen Universalhafens.
Das stellte Johan P. Schryver, Vorsitzer des Vereins Hamburger Spediteure (VHSp), am Mittwochabend in den Räumlichkeiten des Übersee-Clubs fest. „Äußerst bedenklich ist die Entwicklung schon“, sagte Schryver.
VHSp-Geschäftsführer Stefan Saß hatte kurz zuvor die rund 190 geladenen Gäs te aus Wirtschaft, Fachverbänden, Politik und Verwaltung begrüßt. „Wir können nunmehr mit Fug und Recht von einer Traditionsveranstaltung sprechen“, sagte Saß. Immerhin wurde zu diesem Essen bereits zum 20. Mal in Folge eingeladen. Der SPD-Grünen-Senat wurde durch den Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde, Dr. Rolf Bösinger, repräsentiert.
After-Dinner-Speaker des Abends war Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV (Deutsche Speditions- und Logistikverband).
Schryver forderte den Senat auf, die schlickbedingten Erreichbarkeitsdefizite schnellstens zu beheben und dabei auch die aktive Unterstützung durch Hamburgs Nachbarländer einzufordern, die ihrerseits in einer besonderen Art und Weise vom Wohlergehen des Hamburger Hafens abhängen. Schryver wörtlich: „Es kann doch nicht sein, dass mit unseren Nachbarländern keine langfristig gütliche und fest vereinbarte Einigung über die Ablagerung erzielt werden konnte beziehungsweise kann und wir nun die Misere hier ausbaden müssen.“ Und weiter: „Müssten unsere Nachbarn nicht auch an einem funktionierenden Hafen ohne Einschränkungen interessiert sein?“ Was dann noch erforderlich sei, sei die entsprechende Zustimmung durch die Naturschutzverbände.
Wie der THB am Rande der Veranstaltung erfuhr, hat der VHSp inzwischen für den Februar einen mehrstündigen Gesprächstermin bei der Wirtschaftsbehörde erhalten, bei dem neben Senator Frank Horch auch dessen Staatsräte Dr. Rolf Bösinger und Andreas Rieckhof teilnehmen werden. Die Schlickthematik ist dabei eines der Top-Themen.
Mit einem nachdenklichen Blick schaut Hamburgs Speditions- und Logistikwirtschaft indes auch auf die Entwicklungen in China. Schließlich ist das Reich der Mitte für gut ein Drittel des gesamten Container umschlags im Hamburger Hafen verantwortlich. Wenn jetzt zur noch nicht vollzogenen Fahrrinnenanpassung der Elbe sowie dem akuten Schlickproblem auch noch Einbrüche im Europa-China-Seeverkehr als Folge gesamtwirtschaftlicher Probleme in China hinzukommen, „könnte das dazu führen, dass Hamburg seine herausragende Stellung im internationalen Wettbewerb einbüßt.“ Schryver mahnend: „Und wir wollen doch nicht zum Feederhafen werden.“ Was die Entwicklung in der globalen Schifffahrt betrifft, so bleibe diese weiterhin angespannt – immerhin sieben Jahre nach dem Ausbruch der Banken- und Weltwirtschaftskrise. Die Speditionswirtschaft bedaure, dass trotz „hier und da“ vorgenommener Kapazitätsanpassungen „Angebot und Nachfrage immer noch weit auseinanderdriften“. Die Reedereiwirtschaft bestelle ungebrochen „große und größte Einheiten, weil sie günstig im Preis und Verbrauch sind“. Das Ganze erfolge aber zu einer Zeit, „wo keiner diese Einheiten wirklich braucht“. Hinzu komme, dass die XXL-Frachter nur auf „ganz wenigen Routen wirtschaftlich eingesetzt werden können“.
Als Spediteur könne er nur einmal mehr betonen, dass auch aus seiner Sicht „ein stabiles Niveau bei Charter- und Frachtraten für uns alle – Spediteure, Schiffsmakler, Reeder und auch für die verladende Wirtschaft – mittel- beziehungsweise langfristig von existenzieller Bedeutung ist“. Dieses wichtige Ziel lasse sich aber nur dann erreichen, „wenn endlich Vernunft einkehrt und nicht jeden Tag von Frachtratenänderungen gesprochen wird, aber am nächsten Morgen schon wieder alles Makulatur ist“.
Eine andere Baustelle mit noch nicht absehbaren Spätfolgen ist aus Sicht des VHSp-Vorsitzers der weitere Werdegang der HSH Nordbank, immerhin bis zum Ausbruch der Schifffahrtskrise die mit Abstand größte Schiffsfinanzierungs-Bank der Welt. Schryver wies darauf hin, dass die beiden Großgesellschafter dieser Bank, Hamburg und Schleswig-Holstein, „durch die Kreditgarantien ein immens großes finanzielles Risiko tragen, wenn sich nicht kurzfristig die Schifffahrtskrise zum Guten wendet“. Am Ende könnte dann aber doch „die Kosten für die Sanierung – wie immer – der Steuerzahler tragen“.
Zu den großen gesamtgesellschaftlichen und damit auch wirtschaftlichen Her ausforderungen über den Verkehrsbereich hinaus gehört für Schryver die Meis terung der Flüchtlingsproblematik. Der VHSp-Chef: „Die Wirtschaft, ja wir alle sind gefordert, so weit wie möglich Unterstützung in Form von Praktika, Ausbildungsverträgen und Arbeitsplätzen zu offerieren.“ Dabei sei er sich darüber im Klaren, dass „gerade die Ausbildung vieler Flüchtlinge zu wünschen übrig lässt und es deshalb schwierig ist, in nennenswertem Umfang Arbeitsplätze zu besetzen“. DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster ging in seiner launigen Rede unter anderem auf die großen Veränderungen in der deutschen Verbandslandschaft der Verkehrswirtschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten ein. Vor allem die Schaffung des gemeinsamen EU-Binnenmarktes bis zum Jahr 1992 habe zu großen Veränderungen in den bis dato etablierten Verbandsstrukturen geführt, und zwar Modalitäten-übergreifend. Auf der anderen Seite hätten gerade diese Fachverbände einen entscheidenden Anteil daran gehabt, dass diese Art der Kulturrevolution – allen vor an das Verschwinden eines verbindlichen Festpreis-Rahmens – unterm Strich so erfolgreich gemeis tert werden konnte. Starke Verbände seien unverzichtbar, zumal in einem immer globaler aufgestellten Verkehrsmarkt, so Huster. EHA