Hamburg trifft China-Schwäche

In Hamburg hängt viel an China: So stammen die meisten Container-Brücken der verschiedenen Terminals (hier: CTA der HHLA) vom Weltmarktführer ZPMC aus Shanghai. Jeder dritte Container hat China-Bezug, Foto: Arndt

HHM-Vorstand Ingo Egloff, Foto: T .Jann

HPA-Chef Jens Meier , Foto: T. Jann

HHM-Vorstand Axel Mattern, Foto: T. Jann
Auch für den Hamburger Hafen wird das Jahr 2020 als Folge der Corona-Krise als ein besonders herausforderndes in die Geschichte eingehen. Nachdem zuvor der Container-Umschlag-Marktführer im Elbe-Hafen, die HHLA, die Eckwerte für das erste Quartal präsentiert hatte, folgte am Freitag die Hafen Hamburg Marketing-Organisation (HHM) mit dem Gesamtblick auf Deutschlands größten Universalhafen.
War HHM im Januar bis Anfang Februar noch durchaus zuversichtlich für den Umschlagverlauf in den ersten drei Monaten, ließ sich diese Einschätzung bis zum Ende des ersten Drei-Monats-Zeitraums so nicht mehr aufrechterhalten. Die Umschlag-Gesamtleistung, die für Hamburg auch und besonders durch die Asien-Verkehre geprägt wird – und hier wiederum durch den Seegüterverkehr mit China – geriet bis Ende März massiv unter Druck. Damit nicht genug: Diese Entwicklung setzte sich auch im zweiten Quartal fort, dessen weiterer Verlauf auch durch die Folgen des umfassenden „Lockdowns“ in vielen Staaten rund um den Globus mit beeinflusst wird.
Die beiden HHM-Vorstände Axel Mattern und Ingo Egloff präsentierten das Zahlenwerk für den aktuellen Berichtszeitraum gemeinsam mit Jens Meier, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority (HPA), am Freitag. Auch diese Presse-Veranstaltung wurde dabei – wie inzwischen fast alle – im digitalen Rahmen durchgeführt.
Bis Ende März gingen im Hamburger Hafen insgesamt 31,9 Millionen Tonnen Stück- und Massengüter über die Kaikanten. Das entspricht einem Rückgang um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresvergleichs-Zeitraum. Der Containerumschlag pendelte sich auf 2,2 Millionen TEU ein, was einem Rückgang von 6,6 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2019 entspricht. Bemerkenswert aus Sicht des HHM-Vorstands: „Der Container-Hinterlandverkehr hält sich vergleichsweise stabil.“ Anders sieht es beim seegestützten Transhipment aus, das nach Beurteilung des HHM-Führungsduos „den Nachfragerückgang deutlicher spürt“. Axel Mattern weiter: „Das Runterfahren der chinesischen Wirtschaft und die als Folge einsetzenden Blank Sailings in der Schifffahrt haben auch in Hamburg zu geringeren Umschlagmengen geführt.“
Für den HHM-Vorstand ist es dabei keinesfalls selbstverständlich, dass die Umschlag- und Logistik-Abläufe in Europas Hafen Nummer 3 auch in Zeiten von Corona voll umfänglich stattfinden konnten. In vielen anderen Branchen, auch bei der Industrie oder im Groß- und Außenhandel, war das eben nicht so der Fall. Mattern und Egloff nutzten die Presse-Präsentation, um sowohl den Hafen-, Umschlag-, Lager-, Logistik- und Transportbetrieben sowie ihren Mitarbeitern dafür ausdrücklich zu danken. „Wir gehen davon aus, dass der Hamburger Hafen mit seinen Beschäftigten und gut aufgestellten Unternehmen auch diese Krise erfolgreich meistern wird“, ergänzte Mattern.
Was die einzelnen Fahrtgebiete und Gütersegmente betrifft, bot sich für den zurückliegenden Berichtszeitraum dieses Bild: Im seeseitigen Containerverkehr mit China, bekanntlich Hamburgs wichtigstem Handelspartner, wurden im ersten Quartal insgesamt 579.400 TEU über die verschiedenen Terminals bewegt. Das entspricht einem Verlust von 14,6 Prozent. „Der Rückgang beim seeseitigen Güterumschlag mit China ist im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Corona-krise zu erklären“, erläuterte Mattern.
Den zweiten Platz in der Rangfolge der wichtigsten Verkehrsteilmärkte belegten die USA. Für dieses Fahrtgebiet errechneten die Fachleute bei HHM einen Gesamtumschlag von insgesamt 146.100 TEU. Bemerkenswert: Das entspricht einem Zuwachs von 20,7 Prozent. Mattern präzisierte: „Diese auffällig gute Entwicklung der USA-Containerverkehre ist auf vier, Anfang 2019 in Hamburg neu gestartete Transatlantikdienste zurückzuführen. Diese konnten sich sehr gut entwickeln und sorgten für größere Umschlagmengen, vor allem im Containerverkehr mit den Ostküstenhäfen der USA.“
Was den Bereich „Durchfrachten“ betrifft, hat der Hamburger Hafen indes sehr wohl die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht nur verspürt, sondern auch durch konkrete Mengenverluste messbar erlebt. Der Ladungsmengen-Rückgang im Transhipmentbereich beläuft sich auf gut 10,8 Prozent. Als Gesamtergebnis verbleiben für den Berichtszeitraum damit 772.000 TEU.
Der Container-Seehafen-Hinterlandverkehr, getragen im Wesentlichen durch die Verkehrsträger Bahn, Lkw und Binnenschiff, weist im ersten Quartal eine Gesamtmenge von 1,4 Millionen TEU auf. Das entspricht einem Rückgang von vier Prozent. Der für den Hamburger Hafen sehr bedeutende Schienengüterverkehr erreichte bis Ende März rund 11,9 Millionen Tonnen. Das bedeutet einen Rückgang von 4,3 Prozent. Auf der Schiene wurden im ersten Quartal insgesamt 663.000 TEU transportiert. Das sind 4,6 Prozent weniger als vor einem Jahr um diese Zeit.
Auch die Seeverkehre zwischen Hamburg und dem südostasiatischen Stadtstaat Singapur – zugleich eines der herausragenden globalen, maritimen Zentren – konnte im Berichtszeitraum mengenmäßig zulegen. Mit rund 111.000 TEU weist der Containerverkehr einen Zuwachs von 10,5 Prozent aus. Matterns Vermutung: „Diese Entwicklung dürfte mit einer Verlagerung der Transhipment-Verkehre aus Ländern des asiatischen Raums nach Singapur zu erklären sein.“
Eine ganz wichtige Rolle beim Schienengüterverkehr spielte erneut die Hafenbahn. Zu deren Netz haben derzeit knapp 160 Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine entsprechende Netz-Zulassung. HPA-Chef Meier sagte: „Trotz vorübergehend rückläufiger Containertransporte durch die Corona-Krise konnte die Hafenbahn im ersten Quartal 2020 eine stabile Auslastung vorweisen. Mehr noch: Sie konnte mit dieser Menge sogar das Niveau von 2018 übertreffen.“ Für Meier ist diese Leistung ebenfalls „keinesfalls selbstverständlich“. Einmal mehr zeige sich, wie richtig es gewesen sei, in den zurückliegenden Jahren umfassend in den Ausbau sowie die Erneuerung und Modernisierung der Hafenbahn investiert zu haben. Deren Netz umfasst rund 300 Kilometer Schienenwege.
Keine Einschätzung können sowohl HHM als auch HPA für den weiteren Verlauf des Jahres beim Umschlag geben. Alles werde entscheidend durch den weiteren Verlauf der Corona-Krise, vor allem aber auch durch die Frage, wie schnell sich wieder so etwas wie eine Erholung der Weltwirtschaft einstellt, bestimmt. Einmal mehr gilt auch für den Hamburger Hafen: Auf Sicht fahren.
Indes legte das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden Zahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland im ersten Quartal vor. Danach bestätigt auch das Bundesamt, dass „die Corona-Pandemie die deutsche Wirtschaft stark trifft“.
Obwohl die Ausbreitung des Coronavirus die Wirtschaftsleistung im Januar und Februar nicht wesentlich beeinträchtigte, seien die Auswirkungen der Pandemie bereits für das erste Quartal 2020 gravierend: Das BIP sei gegenüber dem vierten Quartal 2019 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 2,2 Prozent gesunken. Die Statistiker weiter: „Das war der stärkste Rückgang seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und der zweitstärkste Rückgang seit der deutschen Vereinigung.“ Lediglich im ersten Quartal 2009 war der Rückgang mit minus 4,7 Prozent zum Vorquartal noch stärker ausgefallen. EHA