Kohle-„Aus“ trifft auch Häfen und Logistik

Neun Jahre nach dem auf höchster politischer Ebene beschlossenen, beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft als Energiequelle, treibt die aktuelle CDU/CSU-SPD geführte Bundesregierung das Ende der Verstromung aus Stein- und Braunkohle voran und setzt damit mittel- und langfristig auf umweltverträglichere Energiequellen.

Einbezogen in dieses umfassende Ausstiegsszenario, das auch von den verschiedenen Regierungen in den Bundesländern mit unterschiedlicher Intensität begleitet und unterstützt wird, und das bis spätestens 2038 republikweit umgesetzt werden soll, sind dabei auch vergleichsweise „junge“ Kraftwerke.

Die Energiewirtschaft ihrerseits ist bestrebt, für diesen politisch gewollten Ausstieg entsprechend hohe, staatliche Kompensationen zu erhalten. Mit Erfolg, wie seit Dienstag dieser Woche bekannt ist. Denn die staatliche Bundesnetzagentur hat an dem Tag sowohl die Höhe als auch die Zuordnung der Stilllegungsprämien für insgesamt elf Kraftwerksblöcke bekanntgegeben. Die Betreiber der Anlagen erhalten damit insgesamt rund 317 Millionen Euro.

Eine Prämie erhält demzufolge unter anderem der größte deutsche Stromerzeuger RWE für zwei Steinkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen (NRW). Der schwedische Energiekon-zern Vattenfall hat einen Zuschlag für die beiden Blöcke seines Kraftwerks Moorburg in Hamburg erhalten, das erst 2015 in Betrieb ging und für das besonders aufwändige Umweltschutzmaßnahmen umgesetzt wurden. Auch die großen Steinkohleverstromer Uniper und Steag sind mit Geboten für Kraftwerke in NRW zum Zuge gekommen.

Im Zuge des deutschen Kohleausstiegs-Szenarios wurden zudem mit den Braunkohlebetreibern RWE und Leag feste Abschaltdaten und Entschädigungssummen ausgehandelt. Für die Steinkohle, wo es viele verschiedene Kraftwerksbetreiber gibt, entschied man sich für das Ausschreibungs-Modell. In den kommenden Jahren plant die Bundesnetzagentur weitere Ausschreibungen.

Das vorzeitige „Aus“ für das Kraftwerk in Moorburg wird vor allem vom „Grünen“-Umweltsenator der Elb-Hansestadt, Jens Kerstan, als großer Erfolg gelobt. Für ihn war die Anlage „von Anfang an überdimensioniert, unwirtschaftlich und aus der Zeit gefallen“. Für den attraktiven Standort soll es indes eine energiebezogene Anschlussnutzung geben. Kerstan dazu: „Moorburg ist wegen seiner Lage und Anbindung an Leitungen und Transportwege ein idealer Standort für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Hier kann Elektrolyse aus erneuerbarem Strom und Bereitstellung von grünem Wasserstoff für die Sektorkoppelung im großen Stil stattfinden.“ Auch am zweitgrößten Hafenstandort in Bremen soll für die Kohle-Verstromung der „Ausschalter“ betätigt werden. Das „Kohlekraftwerk Hafen“, das von der Stadtwerke Bremen AG (SWB AG) betrieben wird, soll ebenfalls 2021, spätestens zur Jahresmitte, vom Netz gehen. Auch dafür wird es eine Entschädigungszahlung geben, über deren Höhe bislang allerdings Stillschweigen bewahrt wird. Laut SWB sinken mit der Abschaltung die CO2-Emissionen in Bremen um rund 1,5 Millionen Tonnen jährlich. Das entspreche rund zehn Prozent der bremischen Gesamtemissionen. Einen forcierten Ausstieg aus der Kohle-Verstromung vor Ort hatte der Rot-Rot-Grüne Senat in Bremen so oder so in seinem Koalitionsvertrag aus dem Frühjahr 2019 verankert.

Während der nunmehr in Fahrt kommende nationale Kohleausstiegs-Prozess von Umweltpolitikern und -verbänden wie etwa dem Nabu oder BUND klar begrüßt wird, mischen sich in diese Begeisterung aus der Wirtschaft und Industrie kritische Töne.

Jüngst hat das der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) in einem eigenen Positionspapier zum Ausdruck gebracht. Titel: „Von Kohle zu Wasserstoff – Seehäfen in der Energiewende.“ Darin heißt es unter anderem: „Der als Beitrag zum Klimaschutz notwendige Kohleausstieg und die verstärkte Nutzung anderer Energieträger bedeuten für die Seehafenbetriebe eine Entwertung des Kapitalstocks beziehungsweise Anlagevermögens sowie massive strukturelle Veränderungen.“

Für den ZDS ist es nicht nachvollzieh- und auch nicht hinnehmbar, dass „die Hafenbetriebe bisher bei den Entschädigungszahlungen und sonstigen Ausgleichsmaßnahmen nicht vom Gesetzgeber miteinbezogen“ wurden. Das gelte im Übrigen auch für „Verkehre von Nebenprodukten der Kohleverstromung wie synthetische Gipse (REA-Gips), die mit der Abschaltung der Kohlekraftwerke der Seehafenwirtschaft als Umschlaggut und der Bauindustrie als Rohstoff nicht mehr zur Verfügung stehen werden“. Heißt für den ZDS: „Um die Menge an durch den beschleunigten Kohleausstieg wegbrechende Verkehre von Kohle und Nebenprodukten zu kompensieren, werden beträchtliche Zusatz- und Neuinvestitionen durch die Seehafenbetriebe erforderlich, denn es müssen, wo möglich, alternative Umschlaggüter erschlossen werden.“ EHA/dpa

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