Liebherr sorgt für frischen Wind im Hafen

Im Herzen des Hamburger Hafens, auf Steinwerder, geht jetzt ein bedeutendes Industrievorhaben, das in dieser Form dank der direkten Lage am seeschifftiefen Wasser an diesem exponierten Standort realisiert wird, seiner Vollendung entgegen.

Am 6. September wird der Industriekonzern Liebherr, der erst vor wenigen Tagen einen der größten schienengeführten Portalkrane der Welt in Rostock in Betrieb nahm (Investitionssumme: 45 Millionen Euro), nun das neue Service- und Logistikzentrum für Großgeräte eröffnen.

Im Sommer 2017 wurde der Plan der Liebherr-MCCtec Vertriebs- und Service GmbH für das in dieser Form in einem nordwesteuropäischen Hafen einmalige Zentrum erstmals angekündigt. Am 19. Juni 2018 erfolgte der symbolische Spatenstich für das 20-Millionen-Euro-Projekt an dem auch Hamburgs ehemaliger Hafen- und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) mitwirkte.

Als Fläche stellte die stadteigene Hafenverwaltung HPA ein echtes Premium-Grundstück im Hafenbecken Kuhwerder Hafen zur Verfügung. Es ist Ur-Hafengebiet, das bis zu seiner Grundsanierung Teile der sogenannten „70-er-Schuppenstrecke“ beherbergte. Umschlag- und Lagerhallen, die nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut wurden und die zuletzt zu einem größeren Teil unter anderem durch die Hamburger Buss-Gruppe genutzt wurden. Die alten Schuppen sind Geschichte und nur noch auf Bildern nachweisbar. Das Areal wurde nach dem Abriss der Altanlagen, bevor es in Teilen für das Liebherr-Projekt bebaut werden konnte, noch einmal gründlich nach Weltkrieg-2-Kampfmitteln durchsucht. Der Aufwand, den Hamburg heute in Hafensanierungsgebieten weiterhin betreibt, ist gerechtfertigt: Gleich mehrere Bombenblindgänger unterschiedlicher Gefährdung wurden durch Spezialfirmen für die Kampfmittelsuche gefunden und durch Feuerwerker der Hamburger Feuerwehr erfolgreich entschärft. Wohlgemerkt: Diese Bombenreste lagen auch zu dem Punkt bereits im Boden, als in den frühen 1950er und 1960er Jahren die kriegszerstörten Flächen neu bebaut wurden. Kein Einzelfall im Hamburger Hafen, in dem Experten noch ungezählte Bombenblindgänger vermuten, die mit jedem Jahr als Folge von Korrosion noch ein Stück gefährlicher werden.

Das Liebherr-Areal liegt strategisch äußerst günstig: Es ist multimodal angeschlossen – Seeschiff, Binnenschiff, Bahn und Lkw – und grenzt zudem auf Rufabstand unter anderem an das Areal der zur Bremer Lürssen-Gruppe gehörenden Traditionswerft Blohm + Voss. Die überlegt indes, ob sie künftig im Zuge der bereits eingeleiteten Umstrukturierung überhaupt noch alle ihre Flächen benötigt.

„Der Neubau war notwendig geworden, weil der Platz am bisherigen Standort am Neuländer Baggerteich in Harburg nicht mehr ausgereicht hat“, begründet Markus Schmidle die Umzugs- und Investitionsentscheidung. Er ist Geschäftsführer der Liebherr-MCCtec GmbH im österreichischen Nenzing. Das Firmenkürzel MCCtec steht für Maritime, Cargo, Construction Technology. In den Fertigungswerken in Rostock, Nenzing, Sunderland (Großbritannien) und Killarney (Irland) werden zumeist Hafenmobilkrane, Offshore- und Schiffskrane sowie Reach stacker produziert.

Die Vertriebs- und Servicetochter von Liebherr-MCCtec hat sich das „alte“ Areal in Harburg bis heute mit den Servicekollegen vom Liebherr-Geschäftsbereich Erdbewegung geteilt. Sie betreuen klassische Baumaschinen wie Hydraulikbagger, Radlader sowie Planier- und Laderaupen. Künftig wird dafür mehr Raum zur Verfügung stehen, da das Team Erdbewegung nicht in den Kuhwerder Hafen umsiedelt.

Liebherr hat mit den kalkulierten 20 Millionen Euro Projektvolumen seinen Budgetrahmen gut eingehalten. Schmidle freut sich und ist gewiss: „Die ideale Lage unmittelbar an der Kaikante ermöglicht es, unser Leistungsportfolio zu erweitern. Neben der technischen Betreuung der maritimen Krane sowie auch von Baumaschinen aus den Produktbereichen Seilbagger, Raupenkrane und Spezialtiefbaugeräte soll der Reparatursektor erweitert und zusätzlich mit dem sogenannten Re-Manufacturing von gebrauchter Gerätetechnik ein neues Geschäftsmodell etabliert werden. Der Hamburger Hafen im Allgemeinen und der neue Komplex im Besonderen böten gemeinsam ideale logistische Voraussetzungen für die Etablierung eines Zentrums für solche Miet- und Rücknahmegeräte sowie die Ausführung von komplexen Reparaturaufträgen an Geräten, die vor allem über den Seeweg direkt nach Hamburg gebracht, dort umgeschlagen, repariert und im Bedarfsfall dann wieder per Schiff zu den Kunden transportiert werden können. Mit der Lage an der Kaikante hat der Liebherr-Konzern beste Erfahrungen: Das aus kleinen Anfängen entstandene und zu seiner heutigen beachtlichen Größe entwickelte Produktionswerk im Rostocker Überseehafen verdankt einen Teil seines Erfolges eben auch dieser Direktlage an der Kaikante, weil es auf diese Weise keine Logistikprobleme mit Großgeräten gibt. Schmidle weiter: „Wir können jetzt klassische Wartungsarbeiten an Schiffskranen direkt an Bord der Spezialschiffe durchführen, die im Kuhwerder Hafen festmachen.“

Am neuen Standort auf Steinwerder sind in den zurückliegenden Monaten auf einer Fläche von 44.000 Quadratmetern eine Werkstatt mit 2160 Quadratmetern, ein Lager (1080 Quadratmeter) und ein Bürogebäude (3750 Quadratmeter) entstanden. Geschäftsführer Schmidle geht davon aus, dass hier einmal rund 100 Mitarbeiter beschäftigt sein werden. Mit der Generalperspektive: weitere Mitarbeiter, wenn die Geschäftsentwicklung entsprechend verläuft. Die Zahl von bis zu 20 weiteren Jobs schwebt dabei im Raum.

Alle Kunden in Deutschland werden vom neuen „Servicepoint“ im Norden aus betreut. Einen Schwerpunkt in den verschiedenen Produktsegmenten gebe es nicht, sagt Schmidle. „Es ist eine unserer Stärken, breit aufgestellt zu sein. So können wir flexibel und schnell auf Veränderungen am Markt reagieren.“ Gegenwärtig gehe es in der Offshore-Industrie „etwas ruhig“ zu, dafür laufe es bei Baumaschinen „äußerst gut“, schätzt er ein.

Für die Hamburger Wirtschaftsbehörde, aber auch die HPA, steht die Liebherr-Investition ein bisschen wie eine Blaupause für weitere Ansiedlungen. Denn der ehemalige „Mittlere Freihafen“ – den Freihafen-Status gibt seit Ende 2012 nicht mehr – wird gewissermaßen das, was in Rotterdam die „Maasvlakte 2“ darstellt. Eine im Zuge der laufenden Generalsanierung dieses zentral gelegenen Hafenteils hervorragende strategische Flächenreserve. Hier soll künftig nicht mehr „nur“ reiner Umschlag erfolgen, sondern auch und gerade industrielle Wertschöpfung, die aber nur durch die Lage der Unternehmen am seeschifftiefen Wasser so erfolgen kann. An der Neuausrichtung dieses Herzstücks des Hamburger Hafens wird indes seit mehr als zehn Jahren bereits gearbeitet. Es gab verschiedene Wettbewerbe, über die neue Nutzungskonzepte ermittelt werden sollten. Das mit mäßigem Erfolg. Zur Erinnerung: Es gab vor dem Ausbruch der Schifffahrts- und Bankenkrise 2008/2009 für diesen Bereich des Hafens ursprünglich den Plan, hier einen weiteren Containerterminal zu bauen, den „Container Terminal Steinwerder“ (CTS). Doch der Einbruch beim Containerumschlag fegte dieses Vorhaben ebenso vom Tisch wie eine weitere Überlegung, aus dem „CTS“ einen „Central Terminal Steinwerder“ zu entwickeln. Ein großes Terminal areal mit dem klaren Fokus auf „Umschlag und daran gegliederte Wertschöpfung“. Auch diese Idee ist inzwischen in großen Teilen in den Schubladen verschwunden.

Was nun kommen soll, darüber herrscht in großen Teilen der Hamburger Hafenwirtschaft noch Rätselraten. Doch es soll viele Gespräche hinter den berühmten verschlossenen Türen geben, heißt es. Indes ist die alte Nachkriegsbebauung der Hafenbecken in diesem Bereich weitgehend beseitigt worden. Die Kampfmittelsondierung läuft im Hintergrund weiter. Ob vor den Bürgerschaftswahlen im Februar 2020 noch große Vorhaben präsentiert werden, das ist eine Frage, die sich viele Firmen im Elbe-Hafen zwar stellen, auch und gerade jetzt, wo der Hafen dank der angelaufenen Elbvertiefung beim Umschlag wieder an Schwung und Zuversicht gewinnt. \Das ist aber auch klar: Ein Vorhaben wie das von Liebherr war so noch vor zehn Jahren überhaupt kein Thema. Es war genau so wenig ein Thema wie der Bau eines weiteren Kreuzfahrtterminals, des „Cruise Terminals Steinwerder“. Er liegt am Kaiser-Wilhelm-Hafen-Becken, das direkt an den Kuhwerder Hafen angrenzt.

Auch wenn es so offiziell niemand ausspricht, die Phantasie es doch als Idee zulässt. Indem sich der Liebherr-Konzern mit dem aktuell gewählten Standort direkt an den Anfang der wie eine Kaizunge ausgestalteten Fläche am Kuhwerder Hafen gesetzt hat, gäbe es theoretisch interessante Erweiterungsmöglichkeiten gewissermaßen in den Hafen hinein. In jedem Fall wird die Ansiedlung auch durch die Hafenwirtschaft mit Interesse begleitet. Denn wer primär reparieren will, der braucht ja eigentlich auch Fachleute für Umschlag, Lagerhaltung und sonstige Logistik. Tätigkeit, für die es im Hamburger Hafen und in seinem Umfeld verschiedene Spezialdienstleister gibt. EHA/schw

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