LNG: Kippt Wilhelmshaven?

Zukunftsprojekt auf dem Prüfstand: der geplante schwimmende Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven., Rendering: LNG Wilhelmshaven
Im Rennen um den Bau eines deutschen LNG-Import-Terminals droht Wilhelmshaven das vorzeitige Ausscheiden. Neben dem Jade-Hafen streben auch das niedersächsische Stade sowie der schleswig-holsteinische Unterelbe-Hafen Brunsbüttel den Bau einer solchen Einrichtung an.
Der Energiekonzern Uniper, der die Pläne für den Jade-Hafen auf den Tisch gelegt hatte, ließ jetzt wissen, dass es nach seiner Einschätzung „zu wenig verbindliches Interesse von Partnern, an dem Standort“ gebe, die entsprechende Umschlag- und Lagerkapazitäten für Importe des fossilen Energieträgers buchen würden. Die bis dato bekundeten Absichten von potenziellen Marktteilnehmern reichten dem Konzern jedenfalls für eine Fortsetzung des Projektes „in bisheriger Form“ nicht aus.
Nach Uniper-Angaben wurde ein Verfahren zur Ermittlung des konkreten Interesses beendet. „Zahlreiche Unternehmen hatten teilgenommen und ihr allgemeines Interesse erklärt, aber zu wenige hatten verbindliche Buchungen vorgenommen“, hieß es in einer Erklärung. Und weiter: „Die Projektgesellschaft überlegt nun mehrere neue Optionen, wie der Standort Wilhelmshaven als Importhafen für umweltfreundliches Gas genutzt werden kann.“ Dabei könne es langfristig auch um die Einfuhr des Energieträgers Wasserstoff gehen.
LNG-Terminal-Projektleiter Oliver Giese schätzt, dass „wirtschaftliche Unsicherheiten in dem aktuellen Umfeld eine Rolle gespielt“ haben könnten. „Die Ergebnisse des Interessenbekundungsverfahrens machen es erforderlich, die Dimension und Ausrichtung des geplanten Terminals so zu überarbeiten, dass eine Investition für die Marktakteure attraktiv und für (...) Uniper wirtschaftlich berechenbar ist.“ Die Investitionsentscheidung für das Millionenprojekt war bereits länger geprüft worden.
Als technische Lösung war für Wilhelmshaven ein sogenanntes schwimmendes Terminal, eine „Floating Storage and Regasification Unit“ (FSRU), geplant worden, die sich vergleichsweise schnell realisieren ließe. Die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV e.V.) gehört sei Jahr und Tag zu den Unterstützern des Vorhabens. Vorstandschef John H. Niemann wies bei verschiedenen Gelegenheiten in den zurückliegenden Monaten mehrfach darauf hin, dass ein solches FSRU-Terminal in Wilhelmshaven neben der Nutzung von LNG für Industrie und Haushalte auch Perspektiven für weitere Nutzungen bieten würde: Treibstoff für Schiffe, Lkw und Bahn oder auch eine Weiternutzung der aus dem Regasifizierung-Vorgang freiwerdende Energie der Kälte-Gewinnung. Er selbst spricht von einer hohen „nachgelagerten Wertschöpfungskette“.
Für den Hafen-, Logistik- aber auch Industrie-Standort Wilhelmshaven wäre der mögliche Ausstieg von Uniper aus diesem Großvorhaben ein Tiefschlag in Sachen LNG. Denn der Nordseehafen war bereits nach der Ölkrise 1973 als Standort für einen (west-)deutschen LNG-Terminal auserkoren worden. Damals spielte bereits der Rohölumschlag an der Jade eine wichtige Rolle. Die Ölkrise selbst, zu deren bleibender Erinnerung bis in die Gegenwart mehrere autofreie Sonntage in der alten Bundesrepublik gehört hatten, wurde durch einen bewaffneten Konflikt verschiedener arabischer Staaten mit Israel ausgelöst: den „Yom-Kippur-Krieg“ vom 6. bis 25. Oktober 1973.
Das Vorhaben LNG-Terminal in Wilhelmshaven aus den Siebzigern wurde in den 1990er-Jahren wieder ad acta gelegt und dann vor einigen Jahren wiederbelebt, allerdings als andere technische Lösung. Während Brunsbüttel an einem solchen Projekt seit gut zehn Jahren arbeitet, wurden entsprechende Absichten in Stade erst im Frühsommer bekannt und sorgten damals für einiges Erstaunen im Norden. Der Terminal im niedersächsischen Unterelbe-Hafen sollte auch und gerade auf den besonderen Energiebedarf des dort ansässigen Chemie-Clusters zugeschnitten sein.
In Brunsbüttel gibt es indes bereits eine klar definierte Investoren-Gruppierung sowie eine ebenso klar hinterlegte Abnehmerstruktur: Industrie vor Ort („ChemCoastPark“), die Schifffahrt und das allgemeine deutsche Erdgasnetz.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich an der Basis der Grünen im Kieler Landtag, die mit CDU und der FDP die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein bilden, Widerstand gegen das verabredete LNG-Terminal in Brunsbüttel regt – aus Umweltschutzgründen. EHA/dpa